23.11.2024
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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil01.12.2011

VG Freiburg bestätigt Verbot von "Gehsteig­be­ratung" für Abtrei­bungs­gegner-VereinVerein "Lebenszentrum - Helfer für Gottes Kostbare Kinder Deutschland e. V." darf nicht vor pro familia Beratungsstelle Frauen ansprechen

Das Verwal­tungs­gericht Freiburg hat das Verbot so genannter Gehsteig­be­ratung durch den Verein "Lebenszentrum - Helfer für Gottes Kostbare Kinder Deutschland e. V." und von ihm beauftragte Personen bestätigt. Gegenstand der Untersagung ist in sachlich-inhaltlicher Hinsicht das Verbot, Personen auf eine Schwanger­schafts­konflikt­situation anzusprechen oder ihnen unaufgefordert Broschüren, Bilder oder Gegenstände zu diesem Thema zu zeigen oder zu überreichen.

Die Stadt Freiburg hat dem Verein und von ihm beauftragten Personen unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 250,-- EUR untersagt, Personen in der Humboldtstraße in der Freiburger Innenstadt, an der auch die Beratungsstelle von pro familia e.V. liegt, auf eine Schwan­ger­schafts­kon­flikt­si­tuation anzusprechen oder ihnen unaufgefordert Broschüren, Bilder oder Gegenstände zu diesem Thema zu zeigen oder zu überreichen. Dagegen hat der Verein bereits vorläufigen Rechtsschutz beantragt, den das Verwal­tungs­gericht Freiburg mit Beschluss vom 04.03.2011 abgelehnt hat. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Vereins hat der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg am 10.06.2011 zurückgewiesen. Mit seinem Urteil vom 01.12.2011 hat das Verwal­tungs­gericht Freiburg nun auch im Haupt­sa­che­ver­fahren die Klage des Vereins gegen das Verbot abgewiesen.

Personen sollen nicht auf eine Schwan­ger­schafts­kon­flikt­si­tuation angesprochen werden

Zur Begründung ihres Urteils hat die 4. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts im Wesentlichen auf die Entscheidungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verwiesen. Sie hat betont, Gegenstand der Untersagung sei in sachlich-inhaltlicher Hinsicht das Verbot, Personen auf eine Schwan­ger­schafts­kon­flikt­si­tuation anzusprechen oder ihnen unaufgefordert Broschüren, Bilder oder Gegenstände zu diesem Thema zu zeigen oder zu überreichen. Dagegen würden weder generell der Aufenthalt in der Humboldtstraße noch allgemein gehaltene Formen der Meinung­s­äu­ßerung wie Mahnwachen, Gebetsvigilien, Hochhalten von Transparenten und Spruchbändern verboten. In räumlicher Hinsicht beschränke sich die Unter­sa­gungs­ver­fügung auf denjenigen Teil der Humboldtstraße, der von der Kaiser-Joseph-Straße in westlicher Richtung abzweige; sie erfasse nicht den von der Rempartstraße nach Norden hin abzweigenden Teil der Humboldtstraße, von dem aus keine Blick­be­zie­hungen zur Beratungsstelle des Beigeladenen möglich seien. So eng verstanden finde die Unter­sa­gungs­ver­fügung ihre Rechtsgrundlage im Polizeigesetz. Nach erneuter Überprüfung halte die Kammer an ihrer Auffassung fest, dass das Ansprechen auf eine Schwan­ger­schafts­kon­flikt­si­tuation in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe zu einer Schwan­ger­schafts­kon­flikt­be­ratung mit dem erforderlichen Grad an Wahrschein­lichkeit zu einer Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts der betroffenen Frauen und damit zu einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit führe.

Verein wurde nicht grundsätzlich das Ansprechen von Passanten untersagt - lediglich in einem bestimmten Umkreis um die pro familia Beratungsstelle ist das Ansprechen von Personen untersagt

Es gehe nicht darum, dass dem Verein die Ansprache von Personen auf öffentlichen Straßen generell verboten würde. Untersagt werde nur die Ansprache in einem räumlich eng umgrenzten, etwa 70 m langen Bereich der Humboldtstraße „auf eine Schwan­ger­schafts­kon­flikt­si­tuation“. Das verbotene Verhalten sei dadurch gekennzeichnet, dass die „Zielpersonen“ von den Gehsteig­be­ratern nicht nur als Passanten - etwa zum Zwecke der Mitglie­d­er­werbung oder des Wahlkampfes -, sondern wegen eines in ihnen vermuteten tiefgreifenden und existenziellen Konflikts angesprochen würden. Denn von der angesprochenen Frau werde vermutet, dass sie ein Kind in sich trage und einen Abbruch der Schwangerschaft jedenfalls in Erwägung ziehe. Die Anspra­che­kri­terien Schwangerschaft, Beratungsbedarf und innerer Konflikt wiesen einen besonders starken Bezug zur engsten Privatsphäre der Angesprochenen auf. Dieser Kontext rechtfertige es - nicht zuletzt mit dem Ziel der Verwirklichung des gesetzlichen Beratungs­konzepts und hier der Ergeb­ni­s­of­fenheit der Beratung -, den Schutz der Privatsphäre in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zu Schwan­ger­schafts­kon­flikt­be­ra­tungs­stellen mit einem besonderen Gewicht zu versehen.

Meinungs­freiheit und Religi­o­ns­freiheit werden nicht eingeschränkt

Die Meinungsfreiheit hindere den Erlass der angefochtenen Unter­sa­gungs­ver­fügung ebenso wenig wie die Religionsfreiheit des Vereins, wie bereits in den Beschlüssen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt worden sei. Insoweit sei für die erkennende Kammer nach erneuter und intensiver Überprüfung ihrer Rechts­auf­fassung von Bedeutung, dass dem Verein in einem räumlich eng umgrenzten Bereich nur eine ganz spezifische Art der Ansprache von Personen untersagt werde, dass aber die Meinungs- und Religi­o­ns­freiheit im Übrigen ungeschmälert bleibe.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Freiburg (pm/pt)

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