21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine Reihe mit gelben Aktenordnern, die mit Barcodes markiert sind.

Dokument-Nr. 13824

Drucken
ergänzende Informationen

Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil04.11.2011

Kein Prütting: Palandt wird als einziger Kommentar als Hilfsmittel im zweiten juristischen Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen zugelassenVerlag Luchterhand kann sich nicht auf den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Chancen­gleichheit berufen

Ein Verlag, der die Zulassung eines von ihm herausgegebenen BGB-Kommentars zu einer Prüfung einklagen möchte, kann sich nicht auf den Grundsatz der Chancen­gleichheit berufen, da die öffentlichen Interessen der Chancen­gleichheit der Prüflinge und der reibungslose Ablauf des Prüfverfahrens Vorrang genießen.

Die Klägerin im vorliegenden Fall vertreibt als Verlegerin juristischer Fachliteratur unter anderem den Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), der unter anderem vom Univer­si­täts­pro­fessor Dr. Hanns Prütting herausgegeben wird. Der Verlag begehrte mit seiner Klage die Zulassung seines BGB-Kommentars als Hilfsmittel im zweiten juristischen Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen, da nach den vom Justiz­mi­nis­terium des beklagten Landes verfassten "Weisungen für die Anfertigung der Aufsichts­a­r­beiten" in der Prüfung als Hilfsmittel zum BGB ausschließlich der von der Beigeladenen vertriebene Kommentar von Palandt benutzt werden dürfe.

Reibungsloser Prüfungsablauf und Chancen­gleichheit sollen gewährleistet werden

Der Verlag bat um Prüfung, ob der Kommentar von Prütting ebenso wie der Kommentar von Palandt als Hilfsmittel bei der Anfertigung der schriftlichen Aufsichts­a­r­beiten zugelassen werden könne. Das Justiz­mi­nis­terium teilte jedoch mit, dass die Zulassung des Kommentars als Hilfsmittel nicht befürwortet werden könne. Der Palandt sei wegen seiner Verbreitung in der Praxis der einzige im Staatsexamen als Hilfsmittel zugelassene Kommentar zum BGB. Eine Zulassung des Kommentars von Prütting werfe mit Blick auf den Grundsatz der Chancengleichheit Probleme auf. Aus finanziellen Gründen seien wohl nicht alle Prüflinge in der Lage, beide Kommentare zu erwerben mit der Folge, dass sie in der Prüfung nicht in gleicher Weise auf wichtige Informationen zurückgreifen könnten. Im Übrigen bedeute die Zulassung eines zweiten Kommentars einen nicht unerheblichen Mehraufwand bei der Erstellung der Prüfungs­aufgaben, die gewährleisten müssen, dass alle relevanten Informationen in allen zur Verfügung stehenden Kommentaren abgerufen werden könnten. Die Notwendigkeit, bei der Erstellung einer Prüfungsaufgabe zu überprüfen, ob und welche der juristischen Probleme der Aufsichtsarbeit kommentiert seien, führe im Fall der Zulassung von mehr als einem Kommentar zu einem zeitlichen Mehraufwand für die Vorbereitung der Prüfungstermine. Auch stehe zu erwarten, dass Prüflinge angesichts der Bedeutung, die sie den zugelassenen Hilfsmitteln zuschrieben, mit Blick auf die Prüfung nicht einen Kommentar auswählen, sondern alle Kommentare anschaffen würden. Die Klägerin beantragte, das Land zu verurteilen, durch das Justiz­mi­nis­terium über die Zulassung des von ihr verlegten Kommentars "Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar" als Hilfsmittel in der zweiten juristischen Staatsprüfung neu zu entscheiden und diesen gegebenenfalls als zugelassenes Hilfsmittel aufzunehmen.

Verlag kann Anspruch auf Zulassung seines Kommentars zum BGB nicht durchsetzen

Das Verwal­tungs­gericht Düsseldorf entschied, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zustehe, weil die Entscheidung des Justiz­mi­nis­teriums des beklagten Landes die durch die Rechtsordnung geschützten Belange der Klägerin unberührt lasse. Die Regelungen der §§ 53 Abs. 2, 13 Abs. 3 des Gesetzes über die juristischen Prüfungen und den juristischen Vorbe­rei­tungs­dienst dienten allein dem Schutz des öffentlichen Interesses an einem geordneten und damit zugleich den Grundsatz der Chancen­gleichheit aller Prüflinge (Artikel 3 Abs. 1 GG) wahrenden Prüfungsablauf.

Die Zulas­sungs­ent­scheidung des Landes beeinträchtigt den Verlag nicht schwerwiegend in seiner beruflichen Betäti­gungs­freiheit

Die Herausgabe des Kommentars in seither jährlich immer neuer Auflage belege zudem, dass sich die Fachpublikation am Markt etabliert habe. Angesichts dessen und auch sonst spreche nichts dafür, dass die Nicht­be­rück­sich­tigung ihres BGB-Kommentares als Hilfsmittel in der Staatsprüfung die Klägerin, die eine Vielzahl von Werken auf den Gebieten Recht, Wirtschaft und Unternehmen, Bauwesen und Finanzen publiziere, zwinge, das Druckwerk zur Abwehr existenz­ge­fähr­dender Gefahren wieder vom Markt zu nehmen. Die vorbezeichneten Bezüge der Zulas­sungs­ent­scheidung zu der beruflichen Tätigkeit der Klägerin sowie deren Rückwirkung auf dieselbe seien mithin in ihrer möglichen Wechselwirkung bedingt durch einen derart losen Zusammenhang, der selbst in der Gesamtschau der vorbezeichneten potentiellen Folgen in tatsächlicher Hinsicht keinen von der Klägerin verifizierten oder von Amts wegen verifizierbaren Anhaltspunkt biete, der die Annahme auch nur nahelegen könnte, dass die von der Klägerin beanstandete Zulas­sungs­ent­scheidung sie schwerwiegend in ihrer beruflichen Betäti­gungs­freiheit beeinträchtige (VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ -, und VG Mainz, Urteil vom 28. April 2010 - 3 K 822/09 -).

Verlag kann nicht den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Chancen­gleichheit geltend machen

Sei die Zulas­sungs­ent­scheidung danach als "wettbe­wer­bs­neutral" zu qualifizieren, könne die Klägerin das von ihr beanspruchte Recht schließlich auch weder aus Artikel 3 Abs. 1 GG oder Artikel 2 Abs. 1 GG ableiten (VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ - und VG Mainz, Urteil vom 28. April 2010 - 3 K 822/09 -) noch gestützt auf Artikel 3 Abs. 1 GG eine Überprüfung der in das Ermessen des Justiz­mi­nis­teriums gestellten Zulas­sungs­ent­scheidung auf einen Verstoß gegen das Willkürverbot beanspruchen. Insbesondere könne die Klägerin bei der Überprüfung der Entscheidung des Justiz­mi­nis­teriums, einheitlich je Sachgebiet nur ein Hilfsmittel zuzulassen und sich insoweit für den Kommentar von Palandt zu entscheiden, nicht den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Chancen­gleichheit geltend machen. Denn auch wenn das Gleich­heitsgebot nach dem Rechts­s­taats­prinzip (Artikel 20 Abs. 3 GG) die Ausübung von Ermessen stets rechtlich begrenze, bestehe dem Einzelnen gegenüber eine behördliche Pflicht zur Beachtung des Gleich­heits­grund­satzes nur, wenn und soweit die Verwal­tungs­behörde nach dem Zweck der Ermes­sen­s­er­mäch­tigung ihr Ermessen zumindest auch zum Schutz dessen auszuüben habe, der sich auf eine Verletzung von Artikel 3 Abs. 1 GG berufe (vgl. VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ -).

Ein geordneter Prüfungsablauf und die Wettbe­wer­bs­be­din­gungen der Prüflinge unter Beachtung des Grundsatzes der Chancen­gleichheit stehen im Vordergrund

Die Entscheidung des Justiz­mi­nis­teriums diene allein dem Zweck, einen geordneten und effektiven Prüfungsablauf bei der Erstellung von Prüfungs­aufgaben sicherzustellen sowie die Wettbe­wer­bs­be­din­gungen der Prüflinge unter Beachtung des Grundsatzes der Chancen­gleichheit zu gewährleisten. Die Entscheidung richte sich damit ausschließlich an die Prüfungs­kan­didaten. Sie wirke nicht zielgerichtet auf die Hilfsmittel in Gestalt von Kommentaren verlegenden Unternehmen. Die im Ergebnis hiervon abweichenden gerichtlichen Entscheidungen zur Praxis der Zulassung von Hilfsmitteln in den zweiten juristischen Staatsprüfungen, (vgl. VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ -) würden demgegenüber keinen Rechtsgrund für die Annahme benennen, dass den Erlass einer ermes­sens­feh­ler­freien Entscheidung auch derjenige beanspruchen könne, dessen Interessen die betreffende Ermessensnorm nicht zu dienen bestimmt sei. Selbst wenn man aber zu Gunsten der Klägerin trotz des fehlenden Drittschutzes auf einen aus Art. 3 Abs. 1 GG (allenfalls) ableitbaren Schutz vor willkürlicher Behandlung abstelle, (vgl. VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ -) seien Rechtsfehler nicht ersichtlich.

Entscheidung für den "Palandt" wird von sachgerechten Erwägungen getragen

Dass die Wettbe­wer­bs­be­din­gungen der Prüflinge gegebenenfalls verzerrt würden und damit der Grundsatz der Chancen­gleichheit für die Prüflinge auch deswegen nachteilig betroffen wäre, weil sich nicht alle Prüflinge aus finanziellen Gründen alle zugelassenen Kommentare leisten könnten, andere dagegen wahrscheinlich alle zugelassenen Kommentare erwerben würden, stelle darüber hinaus ebenfalls einen sachlichen Anknüp­fungspunkt dar. Auch die weitere Entscheidung des Justiz­mi­nis­teriums, sich für den Kommentar "Palandt" zu entscheiden, werde von sachgerechten Erwägungen getragen. Das Justiz­mi­nis­terium stütze sich bei seiner Entscheidung maßgeblich darauf, dass der BGB-Kommentar von Palandt in der Praxis den weitesten Verbrei­tungsgrad habe. Da der juristische Vorbe­rei­tungs­dienst mit der abschließenden zweiten juristischen Staatsprüfung die Aufgabe habe, die Rechts­re­fe­rendare für die Praxis auszubilden, stelle der Verbreitungs- und Bedeutungsgrad eines Kommentars in der Praxis ein sachgerechtes Auswahl­kri­terium dar. (vgl. VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ -).

Pädagogische Eignung des Kommentars spielt keine entscheidende Rolle

Ob im Rahmen der vorgenannten Auswahl als Kriterium auch die pädagogische Eignung des Kommentares in den Blick zu nehmen sei, könne dahinstehen, weil der Verbreitungs- und Bedeutungsgrad eines Kommentares in der Praxis einen sachgerechten Gesichtspunkt bei der Auswahl darstelle und es im Rahmen der Willkür­kon­trolle nicht darum gehe, welches Kriterium bei der Auswahl am zweckmäßigsten heranzuziehen sei. Abgesehen davon dürfe Einiges dafür sprechen, dass aus dem Verbreitungs- und Bedeutungsgrad eines Kommentares in der Praxis auch auf dessen pädagogische Eignung geschlossen werden könne (VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ -).

Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Düsseldorf (vt/st)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil13824

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI