Dokument-Nr. 13824
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Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil04.11.2011
Kein Prütting: Palandt wird als einziger Kommentar als Hilfsmittel im zweiten juristischen Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen zugelassenVerlag Luchterhand kann sich nicht auf den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Chancengleichheit berufen
Ein Verlag, der die Zulassung eines von ihm herausgegebenen BGB-Kommentars zu einer Prüfung einklagen möchte, kann sich nicht auf den Grundsatz der Chancengleichheit berufen, da die öffentlichen Interessen der Chancengleichheit der Prüflinge und der reibungslose Ablauf des Prüfverfahrens Vorrang genießen.
Die Klägerin im vorliegenden Fall vertreibt als Verlegerin juristischer Fachliteratur unter anderem den Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), der unter anderem vom Universitätsprofessor Dr. Hanns Prütting herausgegeben wird. Der Verlag begehrte mit seiner Klage die Zulassung seines BGB-Kommentars als Hilfsmittel im zweiten juristischen Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen, da nach den vom Justizministerium des beklagten Landes verfassten "Weisungen für die Anfertigung der Aufsichtsarbeiten" in der Prüfung als Hilfsmittel zum BGB ausschließlich der von der Beigeladenen vertriebene Kommentar von Palandt benutzt werden dürfe.
Reibungsloser Prüfungsablauf und Chancengleichheit sollen gewährleistet werden
Der Verlag bat um Prüfung, ob der Kommentar von Prütting ebenso wie der Kommentar von Palandt als Hilfsmittel bei der Anfertigung der schriftlichen Aufsichtsarbeiten zugelassen werden könne. Das Justizministerium teilte jedoch mit, dass die Zulassung des Kommentars als Hilfsmittel nicht befürwortet werden könne. Der Palandt sei wegen seiner Verbreitung in der Praxis der einzige im Staatsexamen als Hilfsmittel zugelassene Kommentar zum BGB. Eine Zulassung des Kommentars von Prütting werfe mit Blick auf den Grundsatz der Chancengleichheit Probleme auf. Aus finanziellen Gründen seien wohl nicht alle Prüflinge in der Lage, beide Kommentare zu erwerben mit der Folge, dass sie in der Prüfung nicht in gleicher Weise auf wichtige Informationen zurückgreifen könnten. Im Übrigen bedeute die Zulassung eines zweiten Kommentars einen nicht unerheblichen Mehraufwand bei der Erstellung der Prüfungsaufgaben, die gewährleisten müssen, dass alle relevanten Informationen in allen zur Verfügung stehenden Kommentaren abgerufen werden könnten. Die Notwendigkeit, bei der Erstellung einer Prüfungsaufgabe zu überprüfen, ob und welche der juristischen Probleme der Aufsichtsarbeit kommentiert seien, führe im Fall der Zulassung von mehr als einem Kommentar zu einem zeitlichen Mehraufwand für die Vorbereitung der Prüfungstermine. Auch stehe zu erwarten, dass Prüflinge angesichts der Bedeutung, die sie den zugelassenen Hilfsmitteln zuschrieben, mit Blick auf die Prüfung nicht einen Kommentar auswählen, sondern alle Kommentare anschaffen würden. Die Klägerin beantragte, das Land zu verurteilen, durch das Justizministerium über die Zulassung des von ihr verlegten Kommentars "Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar" als Hilfsmittel in der zweiten juristischen Staatsprüfung neu zu entscheiden und diesen gegebenenfalls als zugelassenes Hilfsmittel aufzunehmen.
Verlag kann Anspruch auf Zulassung seines Kommentars zum BGB nicht durchsetzen
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zustehe, weil die Entscheidung des Justizministeriums des beklagten Landes die durch die Rechtsordnung geschützten Belange der Klägerin unberührt lasse. Die Regelungen der §§ 53 Abs. 2, 13 Abs. 3 des Gesetzes über die juristischen Prüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst dienten allein dem Schutz des öffentlichen Interesses an einem geordneten und damit zugleich den Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüflinge (Artikel 3 Abs. 1 GG) wahrenden Prüfungsablauf.
Die Zulassungsentscheidung des Landes beeinträchtigt den Verlag nicht schwerwiegend in seiner beruflichen Betätigungsfreiheit
Die Herausgabe des Kommentars in seither jährlich immer neuer Auflage belege zudem, dass sich die Fachpublikation am Markt etabliert habe. Angesichts dessen und auch sonst spreche nichts dafür, dass die Nichtberücksichtigung ihres BGB-Kommentares als Hilfsmittel in der Staatsprüfung die Klägerin, die eine Vielzahl von Werken auf den Gebieten Recht, Wirtschaft und Unternehmen, Bauwesen und Finanzen publiziere, zwinge, das Druckwerk zur Abwehr existenzgefährdender Gefahren wieder vom Markt zu nehmen. Die vorbezeichneten Bezüge der Zulassungsentscheidung zu der beruflichen Tätigkeit der Klägerin sowie deren Rückwirkung auf dieselbe seien mithin in ihrer möglichen Wechselwirkung bedingt durch einen derart losen Zusammenhang, der selbst in der Gesamtschau der vorbezeichneten potentiellen Folgen in tatsächlicher Hinsicht keinen von der Klägerin verifizierten oder von Amts wegen verifizierbaren Anhaltspunkt biete, der die Annahme auch nur nahelegen könnte, dass die von der Klägerin beanstandete Zulassungsentscheidung sie schwerwiegend in ihrer beruflichen Betätigungsfreiheit beeinträchtige (VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ -, und VG Mainz, Urteil vom 28. April 2010 - 3 K 822/09 -).
Verlag kann nicht den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Chancengleichheit geltend machen
Sei die Zulassungsentscheidung danach als "wettbewerbsneutral" zu qualifizieren, könne die Klägerin das von ihr beanspruchte Recht schließlich auch weder aus Artikel 3 Abs. 1 GG oder Artikel 2 Abs. 1 GG ableiten (VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ - und VG Mainz, Urteil vom 28. April 2010 - 3 K 822/09 -) noch gestützt auf Artikel 3 Abs. 1 GG eine Überprüfung der in das Ermessen des Justizministeriums gestellten Zulassungsentscheidung auf einen Verstoß gegen das Willkürverbot beanspruchen. Insbesondere könne die Klägerin bei der Überprüfung der Entscheidung des Justizministeriums, einheitlich je Sachgebiet nur ein Hilfsmittel zuzulassen und sich insoweit für den Kommentar von Palandt zu entscheiden, nicht den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Chancengleichheit geltend machen. Denn auch wenn das Gleichheitsgebot nach dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 3 GG) die Ausübung von Ermessen stets rechtlich begrenze, bestehe dem Einzelnen gegenüber eine behördliche Pflicht zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes nur, wenn und soweit die Verwaltungsbehörde nach dem Zweck der Ermessensermächtigung ihr Ermessen zumindest auch zum Schutz dessen auszuüben habe, der sich auf eine Verletzung von Artikel 3 Abs. 1 GG berufe (vgl. VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ -).
Ein geordneter Prüfungsablauf und die Wettbewerbsbedingungen der Prüflinge unter Beachtung des Grundsatzes der Chancengleichheit stehen im Vordergrund
Die Entscheidung des Justizministeriums diene allein dem Zweck, einen geordneten und effektiven Prüfungsablauf bei der Erstellung von Prüfungsaufgaben sicherzustellen sowie die Wettbewerbsbedingungen der Prüflinge unter Beachtung des Grundsatzes der Chancengleichheit zu gewährleisten. Die Entscheidung richte sich damit ausschließlich an die Prüfungskandidaten. Sie wirke nicht zielgerichtet auf die Hilfsmittel in Gestalt von Kommentaren verlegenden Unternehmen. Die im Ergebnis hiervon abweichenden gerichtlichen Entscheidungen zur Praxis der Zulassung von Hilfsmitteln in den zweiten juristischen Staatsprüfungen, (vgl. VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ -) würden demgegenüber keinen Rechtsgrund für die Annahme benennen, dass den Erlass einer ermessensfehlerfreien Entscheidung auch derjenige beanspruchen könne, dessen Interessen die betreffende Ermessensnorm nicht zu dienen bestimmt sei. Selbst wenn man aber zu Gunsten der Klägerin trotz des fehlenden Drittschutzes auf einen aus Art. 3 Abs. 1 GG (allenfalls) ableitbaren Schutz vor willkürlicher Behandlung abstelle, (vgl. VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ -) seien Rechtsfehler nicht ersichtlich.
Entscheidung für den "Palandt" wird von sachgerechten Erwägungen getragen
Dass die Wettbewerbsbedingungen der Prüflinge gegebenenfalls verzerrt würden und damit der Grundsatz der Chancengleichheit für die Prüflinge auch deswegen nachteilig betroffen wäre, weil sich nicht alle Prüflinge aus finanziellen Gründen alle zugelassenen Kommentare leisten könnten, andere dagegen wahrscheinlich alle zugelassenen Kommentare erwerben würden, stelle darüber hinaus ebenfalls einen sachlichen Anknüpfungspunkt dar. Auch die weitere Entscheidung des Justizministeriums, sich für den Kommentar "Palandt" zu entscheiden, werde von sachgerechten Erwägungen getragen. Das Justizministerium stütze sich bei seiner Entscheidung maßgeblich darauf, dass der BGB-Kommentar von Palandt in der Praxis den weitesten Verbreitungsgrad habe. Da der juristische Vorbereitungsdienst mit der abschließenden zweiten juristischen Staatsprüfung die Aufgabe habe, die Rechtsreferendare für die Praxis auszubilden, stelle der Verbreitungs- und Bedeutungsgrad eines Kommentars in der Praxis ein sachgerechtes Auswahlkriterium dar. (vgl. VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ -).
Pädagogische Eignung des Kommentars spielt keine entscheidende Rolle
Ob im Rahmen der vorgenannten Auswahl als Kriterium auch die pädagogische Eignung des Kommentares in den Blick zu nehmen sei, könne dahinstehen, weil der Verbreitungs- und Bedeutungsgrad eines Kommentares in der Praxis einen sachgerechten Gesichtspunkt bei der Auswahl darstelle und es im Rahmen der Willkürkontrolle nicht darum gehe, welches Kriterium bei der Auswahl am zweckmäßigsten heranzuziehen sei. Abgesehen davon dürfe Einiges dafür sprechen, dass aus dem Verbreitungs- und Bedeutungsgrad eines Kommentares in der Praxis auch auf dessen pädagogische Eignung geschlossen werden könne (VG Mainz, Urteil vom 3. August 2011 - 3 K 62/11.MZ -).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.08.2012
Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Düsseldorf (vt/st)
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