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Verwaltungsgericht Darmstadt Urteil18.12.2013

Im Bundesgebiet geborene Kinder unter 16 Jahre von in Deutschland lebenden türkischen Arbeitnehmern benötigen keinen eigenen Aufent­halt­stitelKind hält sich gemäß des Assoziierungs­abkommens mit der Türkei aufgrund seiner Geburt rechtmäßig und damit ordnungsgemäß im Bundesgebiet auf

Das Verwal­tungs­gericht Darmstadt hat entschieden, dass ein türkisches Kind einer abgelehnten Asylbewerberin und einem türkischen Arbeitnehmer, das im Bundesgebiet geboren wurde und im Besitz eines Passes ist, sich ohne Aufenthalts­erlaubnis bis zum 16. Lebensjahr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten darf. Dies gilt auch dann, wenn der Lebensunterhalt des Kindes nicht gesichert ist.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Vater des Kindes ist türkischer Arbeitnehmer und lebt seit 1994 im Bundesgebiet. Die Mutter reiste 2009 ein und stellte einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Das am 2011 in Worms geborene Kind besitzt einen türkischen Nationalpass. Die Auslän­der­behörde lehnte den Antrag auf Erteilung einer Aufent­halt­s­er­laubnis ab, weil der Lebensunterhalt des Kindes nicht durch das Einkommen des Vaters gedeckt sei.

Kinder benötigen bis zum Erreichen des 16. Lebensjahres keinen Aufent­halt­stitel

Das Verwal­tungs­gericht entschied, dass das Kind aufgrund der Rechtslage aus dem Jahr 1990 bis zum Erreichen des 16. Lebensjahres keinen Aufenthaltstitel benötige. Das Kind habe einen Anspruch auf die Feststellung, dass es sich aufgrund des Befrei­ung­s­tat­be­standes des § 2 Abs. 2 DV AuslG 1990 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Denn nach dem damals geltenden Recht bedurften türkische Staats­an­ge­hörigen unter 16 Jahren, die einen Nationalpass oder einen als Passersatz zugelassenen Kinderausweis besaßen, keiner Aufent­halts­ge­neh­migung, solange ein Elternteil eine Aufent­halts­ge­neh­migung besaß.

Türkisches Kind kann sich auf Regelung aus dem Assozi­ie­rungs­ab­kommen mit der Türkei berufen

Die alte Rechtslage findet nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richts auf den Fall Anwendung, weil sich das türkische Kind auf eine Regelung aus dem Assoziierungsabkommen mit der Türkei berufen könne. Nach Art. 13 des Beschlusses des Assozia­ti­o­nsrates 1/80 dürften die Mitglieds­s­taaten der EU und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familien­an­ge­hörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß seien, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Art. 13 ARB 1/80 verbiete damit die Einführung neuer inner­staat­licher Maßnahmen, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Arbeit­neh­mer­frei­zü­gigkeit durch einen türkischen Staats­an­ge­hörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen würden, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung in dem betreffenden Mitgliedstaat galten. Erfasst würden durch diese Still­hal­te­klausel auch sämtliche Regelungen, die Aufent­halts­rechte als Voraussetzung des Zugangs zum Arbeitsmarkt einschränkten bzw. ihren Erwerb erschwerten. Mit anderen Worten: Die Still­hal­te­klausel solle einen zwischen den Mitglieds­s­taaten und der Türkei einmal erreichten Rechtsstandard losgelöst vom Einzelfall auf (mindestens) diesem Niveau fixieren und für die Zukunft gegenüber neuen Beschränkungen verän­de­rungsfest machen.

Gesetzgeber wollte durch rechtmäßigen Aufenthalt nach der Geburt der besonders geschützten Kind-Eltern-Beziehung Rechnung tragen

Das türkische Kind unterfällt nach Auffassung des Gerichts dieser Still­hal­te­klausel, weil es sich aufgrund seiner Geburt rechtmäßig und damit ordnungsgemäß im Bundesgebiet aufhalte. Der mit der Geburt im Bundesgebiet einhergehende rechtmäßige Aufenthalt sei nicht nur eine vorläufige, verfah­rens­rechtliche Rechtsposition. Eine derartige verfah­rens­rechtliche Rechtsstellung wäre nicht ausreichend, um einen ordnungsgemäßen Aufenthalt im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 zu begründen. Durch den rechtmäßigen Aufenthalt nach der Geburt habe der Gesetzgeber der besonderen Beziehung zwischen dem Kleinkind und der Mutter unmittelbar nach der Geburt im Interesse der Familieneinheit und zur Aufrecht­er­haltung der nach Art. 6 Abs. 1 GG besonders geschützten Kind-Eltern-Beziehung Rechnung tragen wollen. Diene der rechtmäßige Aufenthalt des Kindes nicht der verfah­rens­recht­lichen Sicherstellung des Aufent­halts­rechts bis zu einer Entscheidung über den Aufent­halts­status des Kindes, sondern dem Schutz der besonderen Beziehung zwischen den Eltern und dem Kleinkind unmittelbar nach der Geburt im Interesse der Gewährung der Familieneinheit und zur Aufrecht­er­haltung der nach Art. 6 Abs. 1 GG besonders geschützten familiären Betreu­ungs­ge­mein­schaft, so handele es sich um ordnungsgemäßen Aufenthalt im Sinne des Art. 13 ARB 1/80.

Quelle: Verwaltungsgericht Darmstadt/ra-online

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