21.11.2024
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Dokument-Nr. 7343

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Bundesverwaltungsgericht Urteil27.01.2009

Aufent­halts­be­en­digung für in Deutschland aufgewachsene Ausländer bei durch Täuschung der Eltern erwirktem Aufent­haltsrecht

In einem Verfahren, das insbesondere in Niedersachsen seit Jahren öffentliche Aufmerksamkeit findet, hatte das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig heute darüber zu entscheiden, ob die Auslän­der­behörde einem Ausländer, der hier aufgewachsen ist, den weiteren Aufenthalt zu Recht verweigert hat, weil sich nunmehr herausgestellt hat, dass seine Eltern das Bleiberecht durch falsche Angaben über ihre Staats­an­ge­hö­rigkeit erwirkt haben.

Der 1979 geborene Kläger kam im Alter von sechs Jahren mit seinen Eltern aus dem Libanon nach Deutschland. Nach erfolglosem Asylverfahren erhielt die Familie aufgrund eines nieder­säch­sischen Bleibe­recht­s­er­lasses für staatenlose Kurden aus dem Libanon seit Ende 1990 fortlaufend befristete Aufent­halts­be­fugnisse. Die Eltern hatten damals wider besseres Wissen angegeben, ihre Staats­an­ge­hö­rigkeit sei ungeklärt. Mitte der 90er Jahre erwarb die Familie die libanesische Staats­an­ge­hö­rigkeit.

Ende der 90er Jahre stellte die Auslän­der­behörde nach umfangreichen Ermittlungen fest, dass der Vater des Klägers in der Türkei geboren ist und Vater und Sohn auch die türkische Staats­an­ge­hö­rigkeit besitzen. 2001 wurde dem Kläger daraufhin die Verlängerung seines Bleiberechts versagt und die Abschiebung in den Libanon angedroht. Seit 1997 ist der Kläger nach islamischem Ritus verheiratet und hat mit seiner Frau vier Kinder im Alter zwischen drei und elf Jahren. Nachdem die Ausweisung der Frau, deren Eltern ebenfalls über ihre Identität getäuscht hatten, bestandskräftig geworden war, wurde sie 2005 in die Türkei abgeschoben und lebt dort mit den beiden jüngeren Kindern. Die beiden älteren Kinder leben beim Kläger in Deutschland.

Nieder­säch­sisches OVG bestätigte die Ausweisung

Das nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht hat die Entscheidung der Auslän­der­behörde bestätigt. Es hat dies damit begründet, dass der Kläger wegen seiner türkischen Staats­an­ge­hö­rigkeit von vornherein nicht zu dem geschützten Personenkreis des nieder­säch­sischen Bleibe­recht­s­er­lasses von 1990 gehört habe. Im Hinblick auf die straf­ge­richtliche Verurteilung des Klägers zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen falle er auch nicht unter eine Altfallregelung.

BVerwG: OVG muss Aufent­haltsrecht aus humanitären Gründen prüfen

Auf die Revision des Klägers hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberver­wal­tungs­gericht zurückverwiesen. Es ist dem Berufungs­gericht darin gefolgt, dass sich der Kläger weder auf frühere landes­rechtliche Bleibe­recht­s­erlasse noch auf die gesetzliche Altfallregelung in § 104 a Abs. 1 Aufent­halts­gesetz berufen kann. Es hat allerdings beanstandet, dass das Berufungs­gericht die Frage der Verlängerung des Aufent­halts­rechts aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 4 Satz 2 Aufent­halts­gesetz nicht geprüft hat. Nach dieser Vorschrift kann eine Aufent­halt­s­er­laubnis unabhängig vom Wegfall der Ertei­lungs­vor­aus­set­zungen verlängert werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außer­ge­wöhnliche Härte bedeuten würde. Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil sah sich das Bundes­ver­wal­tungs­gericht nicht in der Lage, diese Frage selbst abschließend zu beurteilen. Für die weitere Prüfung hat es dem Berufungs­gericht aufgegeben, die jetzigen Lebens­ver­hältnisse des Klägers im Einzelnen zu ermitteln und unter Berück­sich­tigung von Art. 2 und 6 GG sowie Art. 8 EMRK daraufhin zu bewerten, ob die Beendigung des Aufenthalts für den Kläger eine außer­ge­wöhnliche Härte bedeutet. Dazu gehört nicht nur der Umstand, dass er seit seinem 6. Lebensjahr sein bisheriges Leben in Deutschland verbracht hat, sondern auch die durch die Täuschung der Eltern belastete Legitimität des Aufenthalts, die berufliche und soziale Verwurzelung des Klägers in Deutschland sowie die Frage, ob es der Familie des Klägers möglich und zumutbar ist, im Libanon oder in der Türkei zusammenzuleben. Im Übrigen wird das Berufungs­gericht erneut zu prüfen haben, ob die Integration des Klägers im Sinne von § 104 a Abs. 2 Aufent­halts­gesetz gewährleistet erscheint.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 03/09 des BVerwG vom 27.01.2009

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