18.10.2024
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Verwaltungsgericht Braunschweig Beschluss08.08.2012

Zeitliche und räumliche Begrenzung der NPD-Versammlung auf Braunschweiger Burgplatz wegen Mittagsgebet im angrenzenden Dom zulässigGrundrecht der Versamm­lungs­freiheit: Verlegung der NPD-Kundgebung an einen anderen Ort rechtswidrig

Die NPD darf die von ihr angekündigte Kundgebung am 9. August 2012 auf dem Burgplatz mit dem Thema "Wir wollen nicht Zahlmeister Europas sein - Raus aus dem Euro" nicht zwischen 11.45 Uhr und 12.45 Uhr, nur auf der Nordost-Seite des Platzes und insgesamt nur eine Stunde lang durchführen. Die Begrenzung ist zum Schutz der durch das Grundgesetz garantierten Freiheit der Religi­o­ns­ausübung erforderlich, auf die sich die Teilnehmer an dem in diesem Zeitraum stattfindenden Mittagsgebet im angrenzenden Braunschweiger Dom berufen können. Die Verfügung der Stadt Braunschweig, mit der die Veranstaltung vollständig auf den Europaplatz verlegt werden sollte, verstößt gegen das Grundrecht der Versamm­lungs­freiheit und ist insoweit rechtswidrig. Dies hat das Verwal­tungs­gericht Braunschweig in einem Eilverfahren entschieden. Über ein Verbot der Demonstration hatte das Gericht nicht zu urteilen. Ein solches Verbot hatte auch die Stadt nicht verfügt.

Im zugrunde liegendenden Fall hatte die NPD mit Schreiben vom 2. August 2012 die Kundgebung auf dem Burgplatz bei der Stadt Braunschweig angemeldet und mitgeteilt, die Veranstaltung solle zwischen 11 und 14 Uhr stattfinden. Diese solle rund eine Stunde dauern. Gerechnet werde mit 10 bis 25 Teilnehmern. Im Rahmen eines Koope­ra­ti­o­ns­ge­sprächs zwischen der Stadt und einem Vertreter der NPD am 7. August 2012 wurden als alternative Versamm­lungsorte Flächen vor dem Kaufhaus Galeria Kaufhof und am Hagenmarkt in Betracht gezogen. Mit gleichdatiertem Bescheid ordnete die Stadt an, dass die Versammlung am Europaplatz (vor der Volkswagenhalle) stattzufinden habe.

Kollision zwischen Mittagsgebet und Kundgebung: Religi­o­ns­freiheit soll gewahrt werden

Zur Begründung führte die Stadt im Wesentlichen aus, nach Abwägung aller Umstände müsse das Interesse an der Durchführung der Veranstaltung auf dem Burgplatz gegenüber der Religi­o­ns­freiheit zurücktreten, die durch die geplante Versammlung wegen des am gleichen Tag stattfindenden Mittagsgebets beeinträchtigt werde. Der in Betracht gezogene Alter­na­tivstandort vor dem Kaufhaus komme wegen des erheblichen Verkehrs und aus Sicher­heits­gründen nicht in Betracht, einer Verlegung auf den Hagenmarkt stehe ebenfalls die Verkehrs­si­tuation entgegen. Der Europaplatz sei dagegen für die geplante Versammlung geeignet und zumutbar, weil sie dort ebenso wahrgenommen werde wie auf dem Burgplatz. Gegen die Auflage der Stadt hat die NPD einen Eilantrag beim Verwal­tungs­gericht Braunschweig gestellt und sich dazu auf das Grundrecht der Versamm­lungs­freiheit berufen.

Für Rechtsradikale gilt auch das Grundrecht auf Demon­s­tra­ti­o­ns­freiheit

Das Grundrecht der Demon­s­tra­ti­o­ns­freiheit nach Artikel 8 des Grundgesetzes gilt auch für Versammlungen Rechtsradikaler. Eine Demonstration darf danach nicht schon deswegen unterbunden oder beschränkt werden, weil dort angreifbare oder abzulehnende politische Auffassungen vertreten werden. Solange eine Partei nicht durch das allein dafür zuständige Bundes­ver­fas­sungs­gericht verboten ist, kann sie sich bei Demonstrationen wie jede andere Partei auf das Grundrecht der Versamm­lungs­freiheit berufen.

Erläuterungen
Für alle an der Entstehung des Grundgesetzes beteiligten Kräfte war es zwar ein zentrales Anliegen, sich von der Unrechts­herr­schaft des Natio­nal­so­zi­a­lismus abzusetzen, mit der neuen Verfassung also einen Gegenentwurf zu einem menschen­ver­ach­tenden Regime zu schaffen, das über Europa und die Welt in unermesslichem Ausmaß Leid, Tod und Unterdrückung gebracht hat. Die Verfassung sollte aber im Vertrauen auf die Kraft der öffentlichen Ausein­an­der­setzung auch ihren Feinden grundsätzlich Meinungs­freiheit gewähren. Das Grundgesetz vertraut auf die Fähigkeit der Bürgerinnen und Bürger, sich auch mit rechtsradikalen politischen Meinungen ausein­an­der­zu­setzen und sie im politischen Meinungskampf abzuwehren; es baut also darauf, dass die freie Ausein­an­der­setzung mit solchen Ansichten und die öffentliche Diskussion darüber die wirksamsten Waffen sind gegen die Verbreitung totalitärer und menschen­ver­ach­tender Ideologien.

Quelle: Verwaltungsgericht Braunschweig/ra-online

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