21.11.2024
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Sozialgericht Osnabrück Urteil13.11.2018

Gesetzlich Kranken­ver­si­cherter hat Anspruch auf Rollstuhl mit motor­un­ter­stütztem Rollstuhl­zuggerätBewegungsradius zur Sicherung der Mobilität und einer selbst­be­stimmten Lebensweise wird durch vorhandenen Greif­reifen­rollstuhl nicht ausreichend Rechnung getragen

Das Sozialgericht Osnabrück hat entschieden, dass die gesetzliche Kranken­ver­si­cherung verpflichtet ist, einen gesetzlich Kranken­ver­si­cherten mit einem Rollstuhl zu versorgen, der mit einem Rollstuhl­zuggerät mit Motor­un­ter­stützung ausgestattet ist.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der 1966 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich kranken­ver­sichert. Er leidet an eine hereditären spastischen HSP (HSP=Highly Sensitive Person). Bei der HSP handelt es sich um eine langsam fortschreitende Erkrankung, die durch eine spastische Gangstörung charakterisiert ist.

Krankenkasse lehnt Versorgung mit motor­un­ter­stütztem Rollstuhl­zuggerät ab

Die beklagte Kranken­ver­si­cherung hatte die beantragte Versorgung des Klägers mit einem motor­un­ter­stützten Rollstuhl­zuggerät (Kosten: knapp 10.000 Euro) abgelehnt und sich hierzu auf die Einschätzung des Medizinischen Dienstes der Kranken­ver­si­cherung (MDK) gestützt, der das begehrte Hilfsmittel nicht für erforderlich hielt, weder um den Erfolg einer Kranken­be­handlung zu sichern, noch um einer Behinderung vorzubeugen oder diese auszugleichen. Nach Ansicht der Kranken­ver­si­cherung sei eine wirtschaft­lichere Versorgung entweder durch einen elektrisch unterstützten Greif­rei­fe­n­antrieb (Restkraft­ver­stärker) oder auch - soweit die Verkehrseignung bei dem Patienten vorliege - die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl möglich. Die behandelnden Ärzte des Klägers hatten zur Begründung der Verordnung des streitigen Gerätes dagegen darauf verwiesen, dass dieses der Sicherung der Mobilität und einer selbst­be­stimmten Lebensweise diene.

Kläger hat Anspruch auf Behin­de­rungs­aus­gleich

Das Sozialgericht Osnabrück gab der gegen die beklagte Kranken­ver­si­cherung erhobenen Klage des Klägers statt und verpflichtete die Beklagte zur Versorgung des Klägers mit dem begehrten Rollstuhl mit motor­un­ter­stütztem Rollstuhl­zuggerät. Der Kläger hat Anspruch auf einen Behin­de­rungs­aus­gleich. Als Grundbedürfnis des täglichen Lebens ist nach der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts (BSG, Urteil vom 15.03.2018, Az.: B 3 KR 4/16 R) in Bezug auf die Bewegungs­mög­lich­keiten die Erschließung des Nahbereichs der Wohnung von Versicherten anerkannt, nicht aber das darüber hinausgehende Interesse an Fortbewegung oder an der Erweiterung des Aktionsraumes. Maßgebend für den von der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung insoweit zu gewährenden Behin­de­rungs­aus­gleich ist der Bewegungsradius, den ein nicht behinderter Mensch üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Diesem Grundbedürfnis wird nach Einschätzung des Gerichts durch den vorhandenen Greif­rei­fen­rollstuhl nicht ausreichend Rechnung getragen. Wegen der deutlichen Kraft­re­du­zierung des Klägers in den Händen besteht derzeit eine deutliche Limitierung der eigenständigen Fortbewegung. Auch ein Restkraft­ver­stärker würde zur Überzeugung des Gerichts keinen hinreichenden Behin­de­rungs­aus­gleich schaffen. Denn durch diesen würde die Problematik der Kraft­re­du­zierung der Hände nur bedingt und die bestehende gesundheitliche Problematik des Schulter-Arm-Syndroms gar nicht berücksichtigt. Der Verweis der Beklagten auf einen Elektro­rollstuhl ist im Einzelfall des Klägers ebenfalls nicht zielführend. Denn Ärzte und der Kläger führen übereinstimmend aus, dass sich durch das häufige und stetige Sitzen die Muskulatur zunehmend zurückbildet. Durch die Versorgung mit einem Rollstuhl mit Rollstuhl­zuggerät hat der Kläger die Möglichkeit, sowohl den Elektroantrieb zu nutzen, als auch selbst noch Kraft zur Fortbewegung aufzuwenden.

Hinweis zur Rechtslage:

§ 33 Abs. 1 Satz 1 Sozial­ge­setzbuch Fünftes Buch (SGB V) lautet:

Erläuterungen

Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körpe­rer­satz­stücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Kranken­be­handlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchs­ge­gen­stände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind.

Quelle: Sozialgericht Osnabrück/ra-online

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