15.11.2024
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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss06.10.2010

OLG Schleswig-Holstein legt BGH Frage zur Fortdauer der Siche­rungs­ver­wahrung vorGilt Regelung in so genannten Zehnjah­res­fällen auch bei Unterbringung in psychiatrischem Krankenhaus?

Das Oberlan­des­gericht Schleswig-Holstein hat den Bundes­ge­richtshof um Klärung von Fragen hinsichtlich der Fortdauer der Siche­rungs­ver­wahrung gebeten. Das Gericht möchte wissen, ob das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 deutsche Gerichte in den so genannten Zehnjah­res­fällen dahingehend bindet, dass die Unterbringung für erledigt zu erklären ist und ob dies auch in den Fällen gilt, in denen die Siche­rungs­ver­wahrung in einem psychiatrischen Krankenhaus vollzogen wird.

In den so genannten Zehnjah­res­fällen ist die Unterbringung wegen solcher Anlasstaten angeordnet worden, die vor Aufhebung der zehnjährigen Höchstfrist der Sicherungsverwahrung im Jahr 1998 begangen wurden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem inzwischen rechtskräftigen Urteil vom 17. Dezember 2009 erkannt, dass die Vollstreckung einer vor dem 31. Januar 1998 erstmals angeordneten Siche­rungs­ver­wahrung über zehn Jahre hinaus das Menschenrecht auf Freiheit und den Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" in Art-Artikel. 5 und Art. 7 EMRK-Europäische Menschenrechtskonvention verletzt.

OLG: Weitere Siche­rungs­ver­wahrung in so genannten „Altfällen“ unzulässig

Nach Erlass dieser Entscheidung hatte das Schleswig-Holsteinischen Oberlan­des­gericht bereits in zwei „Altfällen“, in denen die Siche­rungs­ver­wahrung in einer Justiz­voll­zugs­anstalt vollzogen wurde, entschieden, dass für diese Fälle der Siche­rungs­ver­wahrung nach wie vor die damals geltende Höchstfrist von zehn Jahren (§ 67 d Abs.Absatz 1 StGB-Strafgesetzbuch a. F.) gilt und die Unterbringung daher nach Ablauf der Höchstfrist für erledigt zu erklären ist (vgl. Oberlan­des­gericht Schleswig-Holstein, Beschluss v. 15.07.2010 - 1 OJs 2/10 (1 Ws 267/10) und 1 OJs 3/10 (1 Ws 268/10) -). Dieselbe Ansicht vertreten die Oberlan­des­ge­richte Frankfurt am Main, Hamm und Karlsruhe.

OLG hält Strafe auch bei Siche­rungs­ver­wahrung in psychiatrischem Krankenhaus für verbüßt

Auch in dem jetzt anstehenden dritten Verfahren zur Entscheidung über die Fortdauer der Siche­rungs­ver­wahrung beabsichtigt das Oberlan­des­gericht seine Rechtsprechung anzuwenden, da sich die Rechtslage nicht anders darstelle. Der Untergebrachte wurde durch Urteil vom 26. September 1991 wegen vorsätzlicher Körper­ver­letzung in Tateinheit mit Bedrohung, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und wegen versuchter gefährlicher Körper­ver­letzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Siche­rungs­ver­wahrung angeordnet. Die Strafe aus diesem Urteil hat der Untergebrachte seit dem 20. Juli 1996 verbüßt. Seitdem befindet er sich in der Siche­rungs­ver­wahrung, die in dem psychiatrischen Krankenhaus in Neustadt i.H. vollstreckt wird. Zehn Jahre der Siche­rungs­ver­wahrung waren am 20. Juli 2006 verbüßt. Auch in diesem Fall endet nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts die Unterbringung in der Siche­rungs­ver­wahrung nach zehn Jahren, obwohl im konkreten Fall die Siche­rungs­ver­wahrung in einem psychiatrischen Krankenhaus durchgeführt wird.

OLG bei Abweichungen von Rechtsprechung anderer OLGs zur Vorlage an Bundes­ge­richtshof verpflichtet

An einer abschließenden Entscheidung in dem dritten Verfahren sieht sich das Gericht aber durch entge­gen­stehende Entscheidungen anderer Oberlan­des­ge­richte (Celle, Koblenz, Köln, Nürnberg und Stuttgart sowie Braunschweig) gehindert. Das Gericht legt die Sache daher dem Bundes­ge­richtshof zur Entscheidung vor. Grundlage des Vorla­ge­be­schlusses ist die durch das Gesetz zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung bei Entscheidungen zur Siche­rungs­ver­wahrung am 30. Juli 2010 in Kraft getretene GVG-Gerichts­ver­fas­sungs­gesetz - Änderung, wonach ein Oberlan­des­gericht zur Vorlage an den Bundes­ge­richtshof verpflichtet ist, wenn es bei einer Entscheidung zur Siche­rungs­ver­wahrung von der Rechtsprechung eines anderen Oberlan­des­ge­richts abweichen will. Bis zu einer abschließenden Sachent­scheidung des Oberlan­des­ge­richts ist der Untergebrachte nicht aus der Siche­rungs­ver­wahrung zu entlassen.

Quelle: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein/ra-online

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