21.11.2024
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Sächsisches Landessozialgericht Urteil24.02.2010

Sächsisches LSG: Trans­pa­renz­be­richte dürfen im Internet veröffentlicht werdenQuali­täts­prüfung durch MDK und Trans­pa­renz­be­richte entsprechen Gebot der Sachlichkeit und Neutralität

Die Veröf­fent­lichung von Trans­pa­renz­be­richten im Internet ist zulässig, auch wenn diese kritisch wertende Ausführungen zur Qualität von Pflege­leis­tungen in Pflegeheimen enthalten. Die entsprechenden Rechts­grundlagen sind verfas­sungsgemäß. Dies entschied das Sächsische Landes­so­zi­al­gericht.

Im zugrunde liegenden Fall hatte sich der Heimträger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die angekündigte Veröffentlichung von Trans­pa­renz­be­richten gewandt, die auf der Grundlage von Prüfungs­be­richten des Medizinischen Dienstes der Kranken­ver­si­cherung (MDK) zur Qualität der Pflege in zwei Pflege­ein­rich­tungen erstellt worden waren. Dazu hat der Heimträger im Wesentlichen vorgetragen, dass die in den genannten MDK-Prüfungs­be­richten dargestellten Pflegemängel bereits durch organi­sa­to­rische Änderungen beseitigt worden seien. Diese Berichte spiegelten daher nicht die aktuell bestehenden Verhältnisse in den beiden Pflegeheimen wider. Die Veröf­fent­lichung der auf der Grundlage der Prüfungs­be­richte erstellten Trans­pa­renz­be­richte verstoße daher gegen die Grundrechte des Heimträgers aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz sowie aus Art. 14 Grundgesetz.

Unternehmen hat Möglichkeit zur Kommentierung des Berichts und darf Wieder­ho­lungs­prüfung beantragen

Das Sächsische Landes­so­zi­al­gericht hat sich dieser Auffassung nicht angeschlossen. Das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz schützt das Recht, den Beruf frei zu wählen und auszuüben. In der bestehenden Wirtschafts­ordnung umfasst dieses Freiheitsrecht das berufsbezogene Verhalten der Unternehmen am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbes. Es sichert somit die zu Erwerbszwecken erfolgende Teilhabe am Wettbewerb. Die Wettbewerber haben jedoch keinen grund­recht­lichen Anspruch darauf, dass die Wettbe­wer­bs­be­din­gungen für sie gleich bleiben. Insbesondere gewährleistet das Grundrecht keinen Anspruch auf eine erfolgreiche Marktteilhabe oder auf Sicherung künftiger Erwer­bs­mög­lich­keiten. Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz schützt auch nicht vor der Verbreitung von inhaltlich zutreffenden und unter Beachtung des Gebots der Sachlichkeit sowie mit angemessener Zurückhaltung formulierten Informationen durch einen Träger von Staatsgewalt. Das gilt auch dann, wenn sie für das wettbewerbliche Verhalten der Markteilnehmer von Bedeutung sein und die Inhalte sich auf einzelne Wettbe­wer­b­s­po­si­tionen nachteilig auswirken können. Die Grunds­rechtsnorm verbürgt kein ausschließ­liches Recht auf eigene Außen­dar­stellung und damit auf eine unein­ge­schränkte unter­neh­me­rische Selbst­dar­stellung am Markt. Zwar darf ein Unternehmen selbst darüber entscheiden, wie es sich und sein Produkt im Wettbewerb präsentieren möchte. Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz vermittelt aber nicht ein Recht des Unternehmens, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie es gesehen werden möchte oder wie es sich und seine Produkte selbst sieht. Vielmehr zielt die Rechtsordnung auf die Ermöglichung eines hohen Maßes an markter­heb­lichen Informationen und damit auf Markt­trans­parenz. Dem dienen etwa die rechtlichen Vorkehrungen zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, die Festlegung von Werberegeln und Maßnahmen des Verbrau­cher­schutzes, der vor allem durch Bereitstellung von Informationen bewirkt wird. Die Veröf­fent­lichung von Trans­pa­renz­be­richten ist als grund­rechtss­pe­zi­fische Einwirkung auf die unter­neh­me­rische Betäti­gungs­freiheit anzusehen, da ein solches - mit amtlicher Autorität versehenes, auf konkrete Pflege­dienst­leis­tungen bezogenes und veröf­fent­lichtes - Werturteil die Marktchancen des Anbieters beeinflusst und den Ruf seiner Firma berührt. Allerdings wird der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz dadurch nicht berührt. Denn die Quali­täts­prüfung durch den MDK sowie die darauf basierenden Trans­pa­renz­be­richte entsprechen dem Gebot der Sachlichkeit und Neutralität. Sie sind zudem offensichtlich vom Bemühen um Objektivität getragen. Während der Prüfung vor Ort sind Mitarbeiter der jeweiligen Pflege­ein­richtung zu gegen. Den Betreibern der Pflege­ein­richtung bleibt darüber hinaus die Möglichkeit, direkt die in den Trans­pa­renz­be­richten zusam­men­ge­fassten Ergebnisse der Quali­täts­prüfung zu kommentieren. Sie können darüber hinaus kurzfristig Wieder­ho­lungs­prü­fungen beantragen, wobei dieser Umstand - der gestellte Antrag auf c - ebenfalls im Transparenzbericht zu veröffentlichen ist. Damit dürfte gewährleistet sein, dass selbst für den Fall, dass sich Informationen in den Trans­pa­renz­be­richten nachträglich als unrichtig erweisen, eine zügige Korrektur gewährleistet werden kann.

Heimträger Durch Trans­pa­renz­bericht nicht in seinen Eigen­tums­po­si­tionen eingeschränkt

Auch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz ist nicht verletzt. Der Schutzbereich der verfas­sungs­recht­lichen Eigen­tums­ga­rantie wird durch die Veröf­fent­lichung der Prüfergebnisse im Trans­pa­renz­bericht nicht berührt. Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz umfasst nur Rechts­po­si­tionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht aber in der Zukunft liegende Chancen und Verdienst­mög­lich­keiten. Daraus folgt, dass Beein­träch­ti­gungen von Absatz­mög­lich­keiten kein Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz betreffen. Der Heimträger ist nach Ansicht des Senats in seinen Eigen­tums­po­si­tionen weder durch den MDK-Prüfbericht noch durch den Trans­pa­renz­bericht eingeschränkt worden. Beeinträchtigt ist nach seinem Vortrag die tatsächliche Möglichkeit, Pflege­be­dürftige in seinen Pflegeheimen aufzunehmen. Während die rechtliche Befugnis, Dienst­leis­tungen anzubieten, zum Erworbenen und über Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Bestand zu rechnen ist, gehört die tatsächliche Möglichkeit, entsprechende Verträge zu schließen, nicht zu dem bereits Erworbenen, sondern zur Erwer­b­s­tä­tigkeit. Nichts anderes gilt für den vom Heimträger als verletzt gerügten Unternehmensruf. Dieser ist durch Art. 14 Grundgesetz jedenfalls insoweit nicht geschützt, als es sich um Chancen und günstige Gelegenheiten handelt. Auch soweit der Unternehmensruf das Resultat voran gegangener Leistungen darstellt, ist er nicht dem Unternehmen im Sinne einer von Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Eigen­tums­po­sition zugewiesen. Er stellt sich am Markt durch die Leistungen und Selbst­dar­stellung eines Unternehmens einerseits und durch die Bewertung der Marktteilnehmer andererseits immer wieder neu her und ist damit ständiger Veränderung unterworfen. Art. 14 Grundgesetz schützt nur normativ zugeordnete Rechts­po­si­tionen, nicht aber das Ergebnis situativer Einschätzungen der Markt­be­tei­ligten, auch wenn dieses wirtschaftlich folgenreich ist.

Quelle: ra-online, Sächsisches LSG

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