18.10.2024
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Sozialgericht Karlsruhe Urteil21.02.2013

Aufhebung und Rückforderung von Arbeits­lo­sengeld II wegen verschwiegener Einnahmen zulässigJobcenter kann Bewil­li­gungs­be­scheid für Leistungs­ge­währung wegen unrichtiger und unvollständiger Angaben aufheben

Das Jobcenter ist berechtigt, Arbeits­lo­sengeld II von Leistungs­emp­fängern zurückzufordern, wenn diese grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben machen und die Voraussetzungen für Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB in Wirklichkeit gar nicht vorliegen. Dies entschied das Sozialgericht Karlsruhe.

Die 61 jährige Klägern des zugrunde liegenden Falls bezog 2010 laufende Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozial­ge­setzbuch Zweites Buch (Arbeits­lo­sengeld in monatlicher Höhe von 995 Euro für - Regelleistung und Kosten für Unterkunft und Heizung -). Gleichzeitig flossen der Klägerin von Mai bis Juli 2010 3.800 Euro zu, die sie von ihrer Freundin erhalten hatte.

Von der Freundin erhaltenes Geld ist als Einkommen zu berücksichtigen

Nach Vorlage der Kontoauszüge hörte das Jobcenter die Klägerin zur beabsichtigten Aufhebung und Rückforderung des von Mai bis Juli 2010 bezogenen Arbeits­lo­sengelds II an und verfügte folgend entsprechend durch Bescheid und Wider­spruchs­be­scheid. Zur Begründung hieß es, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass ihr die 3.800 Euro nur darlehensweise überlassen worden seien. Deshalb sei das Geld als Einkommen zu berücksichtigen, mit der Folge, dass die Klägerin während des Dreimo­nats­zeitraums nicht hilfebedürftig gewesen sei.

Zahlungen der Freundin sind verdeckte Schenkungen oder Unter­halts­zah­lungen ohne Darle­hens­qualität

Das Sozialgericht Karlsruhe hat die dagegen von der Klägerin erhobene Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Die lägen vor, weil die Klägerin während dieses Zeitraums nicht hilfebedürftig gewesen sei. Bei den drei monatlichen Zahlungen - 1.000 Euro im Mai 2010, 1.500 Euro im Juni 2010 und 1.300 Euro im Juli 2010 - der Zeugin F. an die Klägerin habe es sich von vorn herein um verdeckte Schenkungen oder Unter­halts­zah­lungen gehandelt, denen zu keinem Zeitpunkt Darle­hens­qualität zugekommen sei.

Freundin macht keine genaueren Angaben zu angeblich gewährtem Kredit

Einen mit der Zeugin F. geschlossenen schriftlichen Darle­hens­vertrag habe die Klägerin nicht vorgelegt. Die Zeugin F. wiederrum habe schriftlich nur mitteilt, der Klägerin einen Kredit zur Verfügung gestellt zu haben. Nähere Angaben zu einem dem Kredit zugrunde liegenden Sachverhalt, zur Dauer der Kreditgewährung und insbesondere zur Frage der Rückzah­lungs­mo­da­litäten habe die Zeugin F. nicht gemacht.

Darle­hens­ver­tragliche Rückzah­lungs­pflicht objektiv nicht erkennbar

Auch die Angaben der Klägerin während der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht sprächen gegen das Vorliegen einer Darlehensabrede. Das Gericht glaube der Klägerin zwar ihren Willen, der Zeugin F. die erhaltenen Hilfezahlungen eines Tages rückerstatten zu wollen. Es könne indes objektiv keine darle­hens­ver­tragliche Rückzah­lungs­pflicht der Klägerin erkennen, nachdem die Zeugin der Klägerin das hier streit­ge­gen­ständliche Geld in Höhe von insgesamt immerhin 3.800 Euro bereits Mitte 2010 - ohne erwiesene Rückzah­lungs­ver­ein­barung - überlassen habe und es bis heute weder zum Beginn einer ratenweisen Rückführung gekommen sei oder eine solche auch nur objektiv in Aussicht stehe. Angesichts der prekären wirtschaft­lichen Verhältnisse, die die Klägerin dem Gericht gegenüber geltend gemacht habe - monatliche Einnahmen von 1.000 Euro Rente bei gleichzeitigen monatlichen Ausgaben für Miete (640 Euro) und private Kranken­ver­si­cherung (819 Euro) - sei die Klägerin vielmehr weiter auf die Hilfe Dritter angewiesen, sofern sie ihren grund­si­che­rungs­rechtlich, bezogen auf die Unter­kunfts­kosten (60 m² Wohnung) und die private Kranken­ver­si­cherung, unangemessenen Lebensstandard aufrecht­er­halten wolle. Das Gericht sah die Frau dabei nicht absehbar in der Lage, vermeintliche „Darlehen“ auch nur partiell zurückführen zu können. Die ungewisse Aussicht auf eine Erbschaft - ohne erbver­trag­lichen Anspruch - ändere an dieser Situation der Klägerin nichts.

Bewil­li­gungs­be­scheid für Leistungs­be­wil­ligung beruht auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben

Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrau­ens­schutz berufen, weil der ihrer Leistungs­ge­währung zugrunde liegende Bewilligungsbescheid auf Angaben beruhe, die sie zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Denn sie habe bei allen Anträgen gegenüber dem Jobcenter die Zahlung der Zeugin F. nicht angegeben und das Jobcenter auch nicht nach Zahlungseingang unterrichtet. Dementsprechend beruhten die fehlerhaften Bewilligungen auf den Angaben und unterlassenen Angaben der zuvor ordnungsgemäß über ihre laufenden Mittei­lungs­pflichten zu Einkommens- und Vermö­gens­ver­än­de­rungen belehrten Klägerin.

Quelle: Sozialgericht Karlsruhe/ra-online

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