21.11.2024
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Sozialgericht Dresden Urteil12.12.2016

Jobcenter muss außer­ge­wöhnliche Fahrtkosten zu Therapie erstattenSG bejaht Vorliegen eines unabweisbaren, laufenden besonderen Bedarfs

Das Sozialgericht Dresden hat entschieden, dass das Jobcenter für außergewöhnlich hohe Fahrtkosten zu einer regelmäßigen ambulanten Psychotherapie aufkommen muss.

Die 42 Jahre alte Klägerin des zugrunde liegenden Rechtsstreits ist seit 2013 verwitwet. Sie lebt alleinerziehend mit ihrem inzwischen 14 Jahre alten Sohn zusammen und bezieht Arbeits­lo­sengeld II ("Hartz IV"). Beide unterzogen sich nach dem Tod des Ehemannes/Vaters einer ambulanten Psychotherapie. Hierzu mussten sie von ihrem Wohnort im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in die Praxis des Therapeuten fahren. Die Klägerin fuhr zweimal wöchentlich in eine Praxis in Dresden. Ihren Sohn begleitete sie zudem einmal wöchentlich zu dessen Therapeuten. Die Klägerin und ihr Sohn besitzen Monatskarten, die jedoch die Fahrt nach Dresden nicht abdecken. Von April bis September 2014 entstanden der Klägerin zusätzliche Fahrtkosten zu den Therapien in Höhe von knapp 190 Euro. Weitere zusätzliche 36 Euro fielen für die Fahrkarten ihres Sohnes an. Das Jobcenter lehnte eine Erstattung ab.

SG bejaht Vorliegen eines nicht nur einmaligen Bedarfs und Pflicht zur Koste­n­er­stattung durch Krankenkasse

Das Sozialgericht Dresden gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt. Im Regelbedarf bei Erwachsenen für das Jahr 2014 waren 24,62 Euro monatlich für "Verkehr" vorgesehen. Mit dem Kauf ihrer Monatskarte für 80 Euro hatte die Klägerin diesen Betrag bereits deutlich überschritten. Für die zusätzlichen Kosten von über 30 Euro monatlich konnte sie nicht mehr selbst aufkommen. Die Krankenkasse erstattet die Fahrtkosten nicht. Ihren damals 12 Jahre alten Sohn musste sie auch bei der Fahrt mit mehrmaligem Umsteigen begleiten. Damit lag ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II vor.

Anders verhält es sich bezüglich der Fahrkarten des Sohnes der Klägerin. Die gut 6 Euro zusätzlicher Fahrtkosten monatlich konnten noch aus seinem Regelbedarf gedeckt werden.

Für atypischen Bedarf muss zusätzlicher Leistungs­an­spruch eingeräumt werden

In der Rechtsprechung hat sich noch keine einheitliche Linie zur Anwendung von § 21 Abs. 6 SGB II herausgebildet. Die Vorschrift geht zurück auf eine Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts aus dem Jahr 2010. Zur Gewährleistung des Grundrechts auf ein menschen­würdiges Existenzminimum musste der Gesetzgeber für einen über den typischen Bedarf hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungs­an­spruch einräumen.

Sozial­ge­setzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Grundsicherung für Arbeitsuchende

§ 21 Mehrbedarfe

Erläuterungen

Abs. 6: Bei Leistungs­be­rech­tigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berück­sich­tigung von Einspa­r­mög­lich­keiten der Leistungs­be­rech­tigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durch­schnitt­lichen Bedarf abweicht.

Quelle: Sozialgericht Dresden/ra-online

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