21.11.2024
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Sozialgericht Berlin Urteil27.01.2016

Kein Anspruch auf Hartz-IV-Zuschlag für Umgang mit Kind der Ex-PartnerinRein soziale Elternschaft vermittelt keine grundrechtlich anerkannte und damit leistungs­rechtlich relevante Elternposition

Das Jobcenter ist nicht verpflichtet, einem Leistungs­emp­fänger die Kosten für eine größere Wohnung zu bezahlen, nur weil sich dort regelmäßig auch das Kind der Ex-Partnerin aufhält. Zwar kann die Ausübung des Rechts auf Umgang mit einem Kind sozia­l­rechtliche Ansprüche begründen. Voraussetzung hierfür ist jedoch die leibliche oder zumindest rechtliche Elternschaft des Leistungs­emp­fängers. Sogenannte "soziale Eltern" haben keine sozia­l­recht­lichen Ansprüche, selbst wenn sie Bezugs- und Vertrau­ens­person des Kindes sind. In Ausnahmefällen kommen allenfalls Ansprüche des Kindes selbst in Betracht. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Berlin hervor.

Trennen sich Paare mit Kindern, wirft dies nicht nur familien- und zivilrechtliche Fragen auf, sondern auch sozia­l­rechtliche Probleme, sofern die Betroffenen staatliche Hilfeleistungen erhalten. Im Grundsatz sind Ansprüche von Hartz IV-Empfängern auf Leistungen zur Ausübung des Umgangsrechts mit ihren getrennt lebenden Kindern inzwischen rechtlich anerkannt. In Betracht kommen zum Beispiel die Kosten für die Fahrt zum Kind oder die Vorhaltung eines Kinderzimmers für das zu Besuch kommende Kind. Nicht alle tatsächlich auftretenden Formen familiären Zusammenlebens (Stichwort Patch­work­familie) spiegeln sich indes in rechtlichen Ansprüchen wider.

Klägerin hält Wohnraumgröße aufgrund der familiären Situation für angemessen

Dem verhandelten Rechtstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerinnen zu 1) und 2) lebten 2013 zusammen mit der Tochter der Klägerin zu 1) in einer 97 qm großen Vierzim­mer­wohnung in Berlin-Lichtenberg, für die sie eine Bruttowarmmiete von 774 Euro zahlen mussten. Das beklagte Jobcenter Berlin-Lichtenberg hielt diese Miete für unangemessen hoch und gewährte ab Juli 2013 nur noch 603 Euro monatlich. Dagegen wandten die Klägerinnen ein, dass jedes zweite Wochenende und jeweils von Montag bis Mittwoch eine weitere Person in der Wohnung lebe, nämlich die fünfjährige Tochter der Ex-Partnerin der Klägerin zu 2). Die Klägerin zu 2) sei die "soziale Mutter" dieses Kindes, sie sei Bezugs- und Vertrau­ens­person. Auch das Jugendamt habe den Umgang des Kindes mit der Klägerin zu 2) für pädagogisch sinnvoll erachtet. Wegen der regelmäßigen Besuche des Kindes bestehe Raumbedarf für vier statt nur drei Personen. Die Wohnung sei deshalb nicht unangemessen teuer.

Sozialgericht: Bloße soziale Bezugs- und Vertrau­ens­person unterscheidet sich wesentlich von leiblichem oder rechtlichem Elternteil

Das Sozialgericht Berlin wies die Klage jedoch ohne mündliche Verhandlung ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass bei der Prüfung, welche Mietkosten angemessen seien, nur von einem Drei-Personen-Haushalt auszugehen sei. Für einen Anspruch der Klägerinnen auf höhere Mietzuschüsse sei nämlich Voraussetzung, dass die Klägerin zu 2) durch die Besuche des Kindes ihrer Ex-Partnerin ein verfas­sungs­rechtlich geschütztes Umgangsrecht als Elternteil ausübe. Für die Schutz­be­dürf­tigkeit des Elternrechts mache es dabei keinen Unterschied, ob die Eltern gleichen oder verschiedenen Geschlechts seien. Es sei jedoch ein Eltern­ver­hältnis erforderlich, das durch Abstammung oder rechtliche Zuordnung (zum Beispiel Adoption) begründet werde. Eine rein soziale Elternschaft – wie bei der Klägerin zu 2) im Verhältnis zum Kind ihrer Ex-Partnerin – vermittle keine grundrechtlich anerkannte und damit leistungs­rechtlich relevante Elternposition. Die Situation einer bloß sozialen Bezugs- und Vertrau­ens­person unterscheide sich insoweit wesentlich von der eines leiblichen oder rechtlichen Elternteils. Daran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn die Klägerin zu 2) als Bezugsperson des Kindes gegenüber der sorge­be­rech­tigten Person ein zivilrechtlich tituliertes Umgangsrecht innehätte. Ein derartiges Umgangsrecht hätte nämlich vorranging den Zweck, das Kindeswohl zu sichern, nicht aber, finanzielle Ansprüche der Bezugsperson zu begründen.

Mögliche sozia­l­rechtliche Ansprüche des Kindes selbst müssen gesondert geprüft werden

In Betracht kämen somit allenfalls sozia­l­rechtliche Ansprüche des Kindes selbst. Diese habe das Gericht indes nicht prüfen müssen, weil es nicht als Klägerin aufgetreten sei. Anerkannt werden könnte womöglich eine besondere, atypische Bedarfslage des Kindes, sofern häufige und lange Besuchskontakte zum Beispiel zur Vermeidung oder Linderung von Entwick­lungs­stö­rungen notwendig seien.

Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online

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