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- Organentnahme zur Nierenlebendspende ist trotz Verfahrensmängeln nach dem Transplantationsgesetz nicht rechtswidrigOberlandesgericht Hamm, Urteil07.09.2016, 3 U 6/16
- Ärzte haften bei mangelhafter Aufklärung über gesundheitliche Folgen einer OrganentnahmeBundesgerichtshof, Urteil29.01.2019, VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17
Sozialgericht Berlin Urteil12.03.2019
Übernahme von Transplantationskosten durch Krankenkasse bei Lebendorganspende im EU-Ausland nur bei Einhaltung deutscher Rechtsvorschriften möglichVersicherter darf sich nur die im System der deutschen Krankenversicherung vorgesehenen Leistungen in anderen EU-Staaten beschaffen
Das Sozialgericht Berlin hat entschieden, dass eine deutsche Krankenkasse die Kosten für eine Lebendspende (hier: Nierentransplantation) nur dann zu übernehmen hat, wenn diese nach dem Transplantationsgesetz zulässig ist. Dies gilt auch dann, wenn der ärztliche Eingriff von Deutschland ins EU-Ausland (hier: Niederlande) verlegt wird. In dem konkreten Fall verneinte das Gericht die Pflicht der Krankenkasse zur Kostenübernahme, weil es die erforderliche besondere persönliche Verbundenheit zwischen dem in Sierra Leone lebenden (potentiellen) Organspender und dem Empfänger nicht erkennen konnte.
Die Lebendspende, d. h. die Entnahme von Organen bei einem Lebenden zum Zwecke der Übertragung auf eine andere Person, ist in Deutschland an enge Voraussetzungen geknüpft, u.a. muss der Spender volljährig sein und nach umfangreicher Aufklärung in die Organentnahme eingewilligt haben. Außerdem darf zum Zeitpunkt des Eingriffs kein Spenderorgan eines verstorbenen Organspenders zur Verfügung stehen. Die Entnahme einer Niere oder eines Teils der Leber ist darüber hinaus bei lebenden Personen nur zulässig zum Zwecke der Übertragung auf Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verlobte oder "andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen." (§ 8 Abs. 1 Satz 2 des Transplantationsgesetzes). Die Regelungen des Transplantationsgesetzes über die Lebendspende haben vor allem den Zweck, die Freiwilligkeit der Organspende sicherzustellen und den Handel mit Organen zu unterbinden.
Sachverhalt
Der mittlerweile 57-jährige Kläger des zugrunde liegenden Falls ist Deutscher. Er leidet seit vielen Jahren an einer Niereninsuffizienz und ist seit Ende 2013 dialysepflichtig. Er ist als Empfänger bei der Organvermittlungsstelle - Stiftung Eurotransplant - vermerkt; bislang ist er jedoch nicht bei der Verteilung eines zur Transplantation gemeldeten Organs (im Rahmen der postmortalen Organspende) berücksichtigt worden. Die Ehefrau des Klägers kommt aus gesundheitlichen Gründen nicht als Spenderin einer Niere in Frage. Seine Schwester hatte nach anfänglicher Zusage ihre Bereitschaft zur Spende wieder zurückgezogen.
Mann aus Sierra Leone zu Lebendspende bereit
Ein in Sierra Leone lebender Mann (im Folgenden: Spender) war jedoch bereit, dem Kläger eine Niere zu spenden. Der Kläger hatte zunächst den seit 20 Jahren in Deutschland lebenden Bruder des Spenders kennengelernt, und zwar über ein gemeinsames Engagement für einen Verein, der Projekte in Sierra Leone unterstützt. Der Bruder des Spenders schilderte, nachdem sich herausgestellt hatte, dass er selbst aus medizinischen Gründen als Spender ausscheidet, seiner Familie in Sierra Leone den Fall mit der Frage, ob eventuell "einer seiner Geschwister" für den Kläger spenden wolle. Es folgten mehrere große Familientreffen, bei denen das Thema besprochen wurde und als deren Ergebnis der Spender seine Spendenbereitschaft erklärte.
Transplantationskonferenz des Krankenhauses verneint notwendige persönliche Verbundenheit der Betroffenen
Daraufhin wandte sich der Kläger an ein Berliner Krankenhaus. Die Mitglieder der dortigen internen Transplantationskonferenz gelangten nach einem persönlichen Gespräch mit dem Kläger und dem Spender im November 2016 einstimmig zu dem Ergebnis, dass die für eine Lebendspende erforderliche besondere persönliche Verbundenheit zwischen den beiden nicht gegeben sei. Das Krankenhaus lehnte daher die Durchführung der Nierentransplantation ab. Mit derselben Begründung lehnte ein weiteres vom Kläger kontaktiertes Krankenhaus in Halle – ebenfalls noch im November 2016 – die Vornahme des Eingriffs ab.
Krankenkasse versagt Kostenübernahme für Operation in Rotterdam
Im Dezember 2016 teilte der Kläger seiner Krankenkasse - der Beklagten - mit, dass er mit einem Krankenhaus in Rotterdam im Gespräch über die Nierentransplantation sei, und bat um Bestätigung der Kostenübernahme. Die Beklagte lehnte die begehrte Kostenübernahme ab. Im Juli 2017 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin.
In Deutschland unlässige Transplantation darf nicht zu Lasten der Krankenversicherung in EU-Ausland durchgeführt werden
Das Sozialgerichts Berlin wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, dass die beklagte Krankenkasse nicht verpflichtet sei, die Zustimmung zur Kostenübernahme zu erteilen, da die in Frage stehende Nierenspende in Deutschland nicht zulässig sei und damit auch eine Nierentransplantation in den Niederlanden nicht zu Lasten der deutschen Gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden dürfe. Ein Versicherter dürfe sich nur die im System der deutschen Krankenversicherung vorgesehenen Leistungen in anderen EU-Staaten beschaffen. Seien Ansprüche etwa von der Einhaltung eines besonderen Verfahrens oder einer besonderen vorherigen Genehmigung der Krankenkasse abhängig, so würden diese Voraussetzungen grundsätzlich auch bei einer Verschaffung der Leistung im EU-Ausland gelten.
Spender und Kläger stehen sich nicht in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe
Die Voraussetzungen für eine Lebendspende-Nierentransplantation seien nicht gegeben, weil sich der Spender und der Kläger nicht in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen würden, so das Gericht. Gegen die Annahme eines solchen Näheverhältnisses spreche u. a., dass nicht etwa der Kläger den Kontakt zum Spender aufgenommen habe, sondern die Initiative vom Bruder des Spenders ausgegangen sei, der ebenfalls noch nicht einmal den Spender direkt angesprochen habe, sondern eine allgemeine Frage an die Familie gerichtet habe, ob einer seiner Geschwister zur Spende bereit wäre. Der Spender habe seine Bereitschaft zur Spende zu einem Zeitpunkt erklärt, zu dem er den Kläger noch gar nicht persönlich gekannt habe. Vielmehr habe man sich erst im Oktober 2016 kennengelernt, als der Spender im Zuge der Vorbereitung der Transplantation (erstmals) nach Deutschland gekommen sei. Vorher (seit 6-7 Jahren) hätten der Kläger und der Spender lediglich über Internet oder Telefon Kontakt gehabt. Die hier einschlägige Vorschrift (§ 8 Abs. 1 Satz 2 des Transplantationsgesetzes) begegne schließlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 24.04.2019
Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online (pm/kg)
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