21.11.2024
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Sozialgericht Berlin Urteil12.03.2019

Übernahme von Trans­plan­tations­kosten durch Krankenkasse bei Lebend­or­gan­spende im EU-Ausland nur bei Einhaltung deutscher Rechts­vor­schriften möglichVersicherter darf sich nur die im System der deutschen Kranken­ver­si­cherung vorgesehenen Leistungen in anderen EU-Staaten beschaffen

Das Sozialgericht Berlin hat entschieden, dass eine deutsche Krankenkasse die Kosten für eine Lebendspende (hier: Nieren­transplantation) nur dann zu übernehmen hat, wenn diese nach dem Trans­plan­tations­gesetz zulässig ist. Dies gilt auch dann, wenn der ärztliche Eingriff von Deutschland ins EU-Ausland (hier: Niederlande) verlegt wird. In dem konkreten Fall verneinte das Gericht die Pflicht der Krankenkasse zur Kostenübernahme, weil es die erforderliche besondere persönliche Verbundenheit zwischen dem in Sierra Leone lebenden (potentiellen) Organspender und dem Empfänger nicht erkennen konnte.

Die Lebendspende, d. h. die Entnahme von Organen bei einem Lebenden zum Zwecke der Übertragung auf eine andere Person, ist in Deutschland an enge Voraussetzungen geknüpft, u.a. muss der Spender volljährig sein und nach umfangreicher Aufklärung in die Organentnahme eingewilligt haben. Außerdem darf zum Zeitpunkt des Eingriffs kein Spenderorgan eines verstorbenen Organspenders zur Verfügung stehen. Die Entnahme einer Niere oder eines Teils der Leber ist darüber hinaus bei lebenden Personen nur zulässig zum Zwecke der Übertragung auf Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verlobte oder "andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen." (§ 8 Abs. 1 Satz 2 des Trans­plan­ta­ti­o­ns­ge­setzes). Die Regelungen des Trans­plan­ta­ti­o­ns­ge­setzes über die Lebendspende haben vor allem den Zweck, die Freiwilligkeit der Organspende sicherzustellen und den Handel mit Organen zu unterbinden.

Sachverhalt

Der mittlerweile 57-jährige Kläger des zugrunde liegenden Falls ist Deutscher. Er leidet seit vielen Jahren an einer Nieren­in­suf­fizienz und ist seit Ende 2013 dialy­se­pflichtig. Er ist als Empfänger bei der Organ­ver­mitt­lungs­stelle - Stiftung Eurotransplant - vermerkt; bislang ist er jedoch nicht bei der Verteilung eines zur Transplantation gemeldeten Organs (im Rahmen der postmortalen Organspende) berücksichtigt worden. Die Ehefrau des Klägers kommt aus gesund­heit­lichen Gründen nicht als Spenderin einer Niere in Frage. Seine Schwester hatte nach anfänglicher Zusage ihre Bereitschaft zur Spende wieder zurückgezogen.

Mann aus Sierra Leone zu Lebendspende bereit

Ein in Sierra Leone lebender Mann (im Folgenden: Spender) war jedoch bereit, dem Kläger eine Niere zu spenden. Der Kläger hatte zunächst den seit 20 Jahren in Deutschland lebenden Bruder des Spenders kennengelernt, und zwar über ein gemeinsames Engagement für einen Verein, der Projekte in Sierra Leone unterstützt. Der Bruder des Spenders schilderte, nachdem sich herausgestellt hatte, dass er selbst aus medizinischen Gründen als Spender ausscheidet, seiner Familie in Sierra Leone den Fall mit der Frage, ob eventuell "einer seiner Geschwister" für den Kläger spenden wolle. Es folgten mehrere große Familientreffen, bei denen das Thema besprochen wurde und als deren Ergebnis der Spender seine Spenden­be­reit­schaft erklärte.

Trans­plan­ta­ti­o­ns­kon­ferenz des Krankenhauses verneint notwendige persönliche Verbundenheit der Betroffenen

Daraufhin wandte sich der Kläger an ein Berliner Krankenhaus. Die Mitglieder der dortigen internen Trans­plan­ta­ti­o­ns­kon­ferenz gelangten nach einem persönlichen Gespräch mit dem Kläger und dem Spender im November 2016 einstimmig zu dem Ergebnis, dass die für eine Lebendspende erforderliche besondere persönliche Verbundenheit zwischen den beiden nicht gegeben sei. Das Krankenhaus lehnte daher die Durchführung der Nieren­trans­plan­tation ab. Mit derselben Begründung lehnte ein weiteres vom Kläger kontaktiertes Krankenhaus in Halle – ebenfalls noch im November 2016 – die Vornahme des Eingriffs ab.

Krankenkasse versagt Kostenübernahme für Operation in Rotterdam

Im Dezember 2016 teilte der Kläger seiner Krankenkasse - der Beklagten - mit, dass er mit einem Krankenhaus in Rotterdam im Gespräch über die Nieren­trans­plan­tation sei, und bat um Bestätigung der Kostenübernahme. Die Beklagte lehnte die begehrte Kostenübernahme ab. Im Juli 2017 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin.

In Deutschland unlässige Transplantation darf nicht zu Lasten der Kranken­ver­si­cherung in EU-Ausland durchgeführt werden

Das Sozialgerichts Berlin wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, dass die beklagte Krankenkasse nicht verpflichtet sei, die Zustimmung zur Kostenübernahme zu erteilen, da die in Frage stehende Nierenspende in Deutschland nicht zulässig sei und damit auch eine Nieren­trans­plan­tation in den Niederlanden nicht zu Lasten der deutschen Gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung durchgeführt werden dürfe. Ein Versicherter dürfe sich nur die im System der deutschen Kranken­ver­si­cherung vorgesehenen Leistungen in anderen EU-Staaten beschaffen. Seien Ansprüche etwa von der Einhaltung eines besonderen Verfahrens oder einer besonderen vorherigen Genehmigung der Krankenkasse abhängig, so würden diese Voraussetzungen grundsätzlich auch bei einer Verschaffung der Leistung im EU-Ausland gelten.

Spender und Kläger stehen sich nicht in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe

Die Voraussetzungen für eine Lebendspende-Nieren­trans­plan­tation seien nicht gegeben, weil sich der Spender und der Kläger nicht in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen würden, so das Gericht. Gegen die Annahme eines solchen Nähever­hält­nisses spreche u. a., dass nicht etwa der Kläger den Kontakt zum Spender aufgenommen habe, sondern die Initiative vom Bruder des Spenders ausgegangen sei, der ebenfalls noch nicht einmal den Spender direkt angesprochen habe, sondern eine allgemeine Frage an die Familie gerichtet habe, ob einer seiner Geschwister zur Spende bereit wäre. Der Spender habe seine Bereitschaft zur Spende zu einem Zeitpunkt erklärt, zu dem er den Kläger noch gar nicht persönlich gekannt habe. Vielmehr habe man sich erst im Oktober 2016 kennengelernt, als der Spender im Zuge der Vorbereitung der Transplantation (erstmals) nach Deutschland gekommen sei. Vorher (seit 6-7 Jahren) hätten der Kläger und der Spender lediglich über Internet oder Telefon Kontakt gehabt. Die hier einschlägige Vorschrift (§ 8 Abs. 1 Satz 2 des Trans­plan­ta­ti­o­ns­ge­setzes) begegne schließlich keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken.

Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online (pm/kg)

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