18.10.2024
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Reichsgericht Urteil08.06.1920

Haakjöringsköd-Fall: Nicht die falsche Bezeichnung zählt, sondern das übereinstimmend Gewollte (RGZ 99, 147)Vertrags­aus­legung: Eine falsche Bezeichnung schadet nicht (falsa demonstratio non nocet)

Der Haakjöringsköd-Fall ist der Paradefall zur Veran­schau­lichung des Rechts­grund­satzes der falsa demonstratio non nocet. Das Reichsgericht hatte 1920 in einem Streitfall zu entscheiden, in dem die Parteien den Kauf von Haakjöringsköd vereinbart hatten. Käufer wie Verkäufer waren bei Vertragsschluss übereinstimmend davon ausgegangen, Haakjöringsköd sei Walfischfleisch. Tatsächlich ist es aber ein norwegischer Begriff für Haifischfleisch.

Am 18.11.1916 verkaufte der Beklagte dem Kläger 214 Fass Haakjöringsköd. Beide gingen davon aus, es handele sich um Walfischfleisch. Ende November bezahlte der Kläger den zuvor auf Grundlage des Preises für Walfischfleisch vereinbarten Kaufpreis. Bei der Einfuhr nach Hamburg wurde die Ware schließlich beschlagnahmt, da es in Folge des 1. Weltkriegs für Haifischfleisch - anders als für Walfischfleisch - eine Einfuhr­be­schränkung gab. Der Kläger erhielt zwar einen Übernahmepreis. Dieser lag jedoch erheblich unter dem bereits gezahlten Kaufpreis. Der Kläger erlitt einen Verlust von 47.515,90 Mark. Er verklagte den Verkäufer daraufhin auf Erstattung dieses Betrags. Er bekam in allen Instanzen Recht.

Geliefert wurde tatsächlich exakt das, was verkauft worden war

Bereits in der 1. Instanz gab das Landgericht Hamburg der Klage statt. Das Oberlan­des­gericht Hamburg bestätigte das Urteil. Das Reichsgericht schloss sich den Vorinstanzen an. Es führte aus, dass beide Parteien bei Vertragsschluss irrigerweise davon ausgegangen seien, dass der Gegenstand des Vertrags Walfischfleisch sei. Die Ware sei mit dem norwegischen Wort Haakjöringsköd tatsächlich richtig bezeichnet gewesen. Allein hätten die Parteien die wahre Bedeutung dieses Wortes nicht gekannt. Dieser Umstand rechtfertige aber nicht die von dem Beklagten vertretene Auffassung, dass dasjenige, was verkauft worden sei - nämlich Haakjöringsköd - auch geliefert worden sei. Diese Auffassung hätte zur Folge, dass der Kläger auf die Anfech­tungs­mög­lichkeit des § 119 Abs. 2 BGB (Eigen­schaft­sirrtum) beschränkt sei, um gegen den Beklagten vorzugehen.

Parteien wollten jedoch übereinstimmend etwas anderes - sie wählten nur irrtümlich eine falsche Bezeichnung

Vielmehr hätten beide Parteien den Vertrag über Walfischfleisch abschließen wollen, sich jedoch bei der Erklärung ihres Vertragswillens irrtümlich der diesem Willen nicht entsprechenden Bezeichnung Haakjöringsköd bedient. Das zwischen ihnen bestehende Rechts­ver­hältnis sei deshalb so zu beurteilen, wie wenn sie sich der ihrem Willen entsprechenden Bezeichnung Walfischfleisch bedient hätten. Folglich sei vertragsmäßig Walfischfleisch zu liefern gewesen. Der Käufer konnte sich also nach Lieferung des Haifisch­fleischs auf das kaufrechtliche Gewähr­leis­tungsrecht berufen. Es liege ein Sachmangel vor, da der gelieferten Ware die Eigenschaft fehle, Walfischfleisch zu sein.

Erläuterungen
Die Entscheidung ist aus dem Jahr 1920 und erscheint im Rahmen der Reihe "Urteile, die Rechts­ge­schichte geschrieben haben".

Quelle: ra-online (vt/we), RGZ 99, 147

der Leitsatz

Ist der Käufer einer bestimmten Partie Ware zur Wandelung berechtigt, wenn die Ware zwar der ihr im Kaufvertrage beigelegten Bezeichnung, nicht aber dem überein­stim­menden Willen der Vertrags­schlie­ßenden entspricht?

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