14.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt Urteil19.10.2011

Regelungen über die außerkapazitäre Vergabe von Studienplätzen in Sachsen-Anhalt teilweise verfas­sungs­widrigSo genanntes Jedermann-Recht gilt nicht nur für deutsche Staats­an­ge­hörige und EU-Bürger sondern auch für andere Ausländer

Eine Bestimmung in der Verordnung des Landes Sachsen-Anhalt über die zentrale Vergabe von Studienplätzen durch die Stiftung für Hochschul­zu­lassung, welche sich mit der so genannten außer­ka­pa­zitären Vergabe von Studienplätzen befasst, ist unwirksam. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts Sachsen-Anhalt hervor.

Das Kultus­mi­nis­terium bzw. das nunmehr zuständige Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft hatte im Juli 2010 bzw. Mai 2011 eine Vorschrift erlassen, welche die Möglichkeit, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens eine außerkapazitäre Zulassung zu einem Studium zu erreichen, erheblich beschränkt hat.

Beschränkungen des Ministeriums nicht mit Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vereinbar

Das Oberver­wal­tungs­gericht Sachsen-Anhalt hat diese Bestimmung für unwirksam erklärt, da sie nicht mit Artikel 25 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vereinbar ist. Nach dieser Bestimmung hat in Sachsen-Anhalt jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf seine Herkunft und wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seine Begabung und seine Fähigkeiten fördernde Erziehung und Ausbildung. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um ein so genanntes Jedermann-Recht, welches nicht nur für deutsche Staats­an­ge­hörige und diesen gleich­ge­stellten Bürgern der Mitglieds­s­taaten der Europäischen Union, sondern auch für andere Ausländer gilt.

Miteinander konkurrierende Bewerber müssen bei Bewer­be­r­überhang gleich­ge­wichtigen Anspruch auf Zugang zur Ausbil­dungs­ein­richtung haben

Zwar vermittelt diese landes­rechtliche Bestimmung keinen unein­ge­schränkten Anspruch auf einen Studienplatz, sondern vermittelt regelmäßig nur ein Teilhaberecht im Rahmen der vorhandenen Ausbil­dungs­plätze. Steht knappen Ausbil­dungs­res­sourcen ein Bewer­be­r­überhang gegenüber, müssen die gesetzlichen Bestimmungen so ausgestaltet sein, dass sämtliche miteinander konkurrierende Bewerber einen gleichrangigen und gleich­ge­wichtigen Anspruch auf Zugang zu einer Ausbil­dungs­ein­richtung haben.

Ungleich­be­handlung von Ausländern gegenüber deutschen Staats­an­ge­hörigen und so genannten EU-Ausländern nicht mit Verfassung vereinbar

Diese verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben hat das Land Sachsen-Anhalt bei Erlass der streitigen Bestimmung der Verga­be­ver­ordnung nicht hinreichend beachtet, da nach dieser Regelung ausländische Studienbewerber, welche nicht Bürger eines Mitglieds­s­taates der Europäischen Union sind, nunmehr generell nicht mehr in einem gerichtlichen Verfahren eine zu niedrige Festsetzung der Ausbil­dungs­ka­pa­zitäten an den Hochschulen des Landes Sachsen-Anhalt geltend machen können. Eine solche Ungleich­be­handlung im Vergleich zu deutschen Staats­an­ge­hörigen und den so genannten EU-Ausländern ist mit Artikel 25 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt nicht vereinbar.

Zum Hintergrund:

Erläuterungen
Die Wissen­schafts­ver­wal­tungen der Länder bzw. in einigen Bundesländern die Hochschulen selbst bestimmen jährlich in Rechts­ver­ord­nungen bzw. Satzungen für jeden Studiengang die Zahl der zuzulassenden Studienanfänger. In einigen Studienfächern (z. B. Human- und Zahnmedizin) werden die Studienbewerber aufgrund eines zentralen Verga­be­ver­fahrens bei der Stiftung Hochschul­zu­lassung (früher ZVS) nach Maßgabe der festgesetzten Studi­e­n­an­fän­ger­zahlen zum Studium zugelassen (so genannte innerkapazitäre Vergabe). Bei den Anträgen auf außerkapazitäre Zulassung (so genanntes Numerus-Clausus-Verfahren) machen Studienbewerber, die im Rahmen der inner­ka­pa­zitären Zulassung keinen Studienplatz erhalten haben, in Verfahren vor den Verwal­tungs­ge­richten geltend, dass die mit Rechtsnorm festgesetzte Zahl von Studi­e­n­an­fängern fehlerhaft zu niedrig bestimmt worden ist. Sie begehren in diesen gerichtlichen Verfahren die „Aufdeckung“ weiterer Studienplätze durch das Gericht und für den Fall, dass das Gericht weitere Studienplätze „entdeckt“, die Zuweisung eines dieser weiteren Studienplätze. In Sachsen-Anhalt wurden im Jahr 2010 bei den beiden Verwal­tungs­ge­richten Halle und Magdeburg 1168 Anträge auf außerkapazitäre Zulassung (vorwiegend für das Fach Humanmedizin) gestellt. Gegen die Entscheidungen der Verwal­tungs­ge­richte wurde in 210 Verfahren Beschwerde zum Oberver­wal­tungs­gericht eingelegt. Die gerichtlichen Anträge sind im Jahr 2010 – bis auf wenige Ausnahmen – erfolglos geblieben. Bundesweit sind 2010 insgesamt 32.475 der so genannte. Numerus-Clausus-Verfahren bei den Verwal­tungs­ge­richten anhängig geworden, bei den Oberver­wal­tungs­ge­richten sind in 3.060 Verfahren Beschwerden eingegangen.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt/ra-online

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