18.10.2024
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil01.09.2016

Stadt muss bei fehlenden eigenen Kapazitäten Kosten für Besuch eines Waldorf­kinder­gartens übernehmenEltern erhalten in Beitragsordnung des Kindergartens vorgesehene "Mitglieds­beiträge" erstattet

Das Ober­verwaltungs­gericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Stadt Mainz die Kosten für den Besuch zweier Kinder im Waldorf­kin­der­garten Mainz übernehmen muss, denen sie wegen fehlender Kapazitäten keinen Kinder­gar­tenplatz zur Verfügung stellen konnte.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die berufstätigen Eltern der Kläger, im September 2010 geborene Zwillinge, meldeten diese im Oktober 2011 bei der beklagten Stadt für den Kinder­gar­ten­besuch ab dem zweiten Lebensjahr an. Die Vermittlung eines Kinder­gar­ten­platzes durch die Beklagte scheiterte wegen fehlender Kapazitäten. Die Eltern meldeten die Kinder daher im Waldorf­kin­der­garten Mainz an, den sie von September 2012 bis August 2013 besuchten. Der Waldorf­kin­der­garten ist eine im Kinder­ta­gess­tät­ten­be­da­rfsplan der Beklagten ausgewiesene Einrichtung eines freien Trägers der Jugendhilfe. Nach der Satzung des Waldorf­kin­der­gartens e.V. beginnt die Mitgliedschaft der Erzie­hungs­be­rech­tigten in dem Verein mit dem Eintritt des Kindes in eine Einrichtung des Vereins. Die "Beitragsordnung" des Vereins sieht die Erhebung von Kindergarten-Regelbeiträgen nicht vor, da diese vom Land übernommen würden. Allerdings haben die Eltern als Vereins­mit­glieder aufgrund der "Beitragsordnung" an den Verein "Mitglieds­beiträge" zu entrichten.

Beklagte lehnt Übernahme der "Mitglieds­beiträge" ab

Die Eltern beantragten bei der Beklagten die Übernahme der Kosten, die durch den Besuch des Waldorf­kin­der­gartens entstanden sind. Dazu gehörten auch die an den Waldorf­kin­der­garten zu zahlenden "Mitglieds­beiträge". Dies lehnte die Beklagte ab, da der besuchte Waldorf­kin­der­garten vom Land Rheinland-Pfalz sowie durch die Stadt gefördert werde. Der Besuch des Kindergartens sei beitragsfrei im Sinne der Vorschriften des Kinder­ta­gess­tät­ten­ge­setzes. Mit dem Besuch einer öffentlich geförderten Kinder­ta­gestätte werde somit der gesetzliche Anspruch auf einen beitragsfreien Kinder­gar­tenplatz erfüllt. Für die Erhebung zusätzlicher freiwilliger Leistungen könne eine Erstattung nicht anerkannt werden.

OVG bejaht Anspruch auf Übernahme der Kosten für Besuch des Waldorf­kin­der­gartens

Mit der Klage verfolgten die Kläger ihren Anspruch auf Koste­n­er­stattung weiter. Das Verwal­tungs­gericht gab der Klage statt. Das Oberver­wal­tungs­gericht bestätigte diese Entscheidung und wies die Berufung der Stadt zurück. Die Kläger hätten einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Besuch des Waldorf­kin­der­gartens. Nach dem rheinland-pfälzischen Kinder­ta­gess­tät­ten­gesetz hätten Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten, wobei der Besuch des Kindergartens beitragsfrei sei. Das Jugendamt habe zu gewährleisten, dass für jedes Kind rechtzeitig ein Kinder­gar­tenplatz in zumutbarer Entfernung zur Verfügung stehe. Werde dieser Anspruch nicht erfüllt, bestehe nach der vom Bundes­ver­wal­tungs­gericht bestätigten Rechtsprechung des Oberver­wal­tungs­ge­richts ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für einen selbst­be­schafften Platz in einem privaten Kindergarten, wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbst­be­schaffung über den Bedarf an einem Kinder­gar­tenplatz in Kenntnis gesetzt worden sei und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet habe.

Eltern hätten Plätze im Waldorf­kin­dergaten ohne Zahlung der geforderten "Mitglieds­beiträge" nicht erhalten

Diese Voraussetzungen seien im Fall der Kläger erfüllt. Denn die Beklagte habe den Klägern keine Kinder­gar­ten­plätze zur Verfügung stellen können und die Kläger selbst hätten nur zwei nicht kostenfreie Plätze im Waldorf­kin­der­garten ausfindig machen können. Aus dem Kinder­ta­gess­tät­ten­gesetz ergebe sich ein Anspruch auf einen kostenfreien Kinder­gar­tenplatz, für den die Eltern nichts bezahlen müssen. Dieser Anspruch sei durch den Besuch des Waldorf­kin­der­gartens nicht erfüllt worden. Zwar hätten die Eltern der Kläger für den Besuch des Kindergartens als solchen keine Beiträge zu entrichten. Ohne die Zahlung der geforderten "Mitglieds­beiträge" hätten sie die Plätze aber nicht erhalten. Insofern sei der Besuch des Waldorf­kin­der­gartens nicht kostenfrei. Es könne daher auch keine Rede davon sein, dass die Eltern freiwillig statt Plätze in einem kostenfreien kommunalen Kindergarten Plätze im Waldorf­kin­der­garten - etwa wegen der besonderen Pädago­gi­kaus­richtung - gewählt hätten und daher bereit gewesen seien, die vom Beigeladenen dafür verlangten Mitglieds­beiträge zu bezahlen. Soweit die beklagte Stadt darauf hinweise, dass der Waldorf­kin­der­garten von ihr und vom Land Rheinland-Pfalz bezuschusst werde, ändere dies nichts daran, dass der Waldorf­kin­der­garten e.V. als Träger der freien Jugendhilfe zur Finanzierung des von ihm aufzubringenden Anteils an den Personalkosten sowie der von ihm aufzubringenden Sachkosten Mitglieds­beiträge erheben müsse.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz/ra-online

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