18.10.2024
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Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss22.06.2017

Im Tele­kommunikations­gesetz vorgesehene Vorrats­daten­speicherung verstößt gegen UnionsrechtKeine anlasslose Speicherung von Daten

Die im Dezember 2015 gesetzlich eingeführte und ab dem 1. Juli 2017 zu beachtende Pflicht für die Erbringer öffentlich zugänglicher Tele­kommunikations­dienste, die bei der Nutzung von Telefon- und Inter­net­diensten anfallenden Verkehrs- und Standortdaten ihrer Nutzer für eine begrenzte Zeit von 10 bzw. - im Fall von Standortdaten - 4 Wochen auf Vorrat zu speichern, damit sie im Bedarfsfall den zuständigen Behörden etwa zur Strafverfolgung zur Verfügung gestellt werden können, ist mit dem Recht der Europäischen Union nicht vereinbar. Dies entschied das Ober­verwaltungs­gericht Nordrhein-Westfalen.

Die Antragstellerin des zugrunde liegenden Falls, ein IT-Unternehmen aus München, das u.a. Inter­net­zu­gangs­leis­tungen für Geschäftskunden in Deutschland und in anderen EU-Mitgliedstaaten erbringt, hatte sich mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Verwal­tungs­gericht Köln gewandt, um der Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung vorläufig bis zur Entscheidung über die gleichzeitig erhobene Klage nicht nachkommen zu müssen.

Daten­spei­cherung zur Abwehr von Gefahren muss auf betroffenen Personenkreis beschränkt sein

Diesen Antrag hatte das Verwal­tungs­gericht abgelehnt. Der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde der Antragstellerin hat das Oberver­wal­tungs­gericht Nordrhein-Westfalen nunmehr stattgegeben. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Speicherpflicht in der Folge eines Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2016 jedenfalls in ihren gegenwärtigen Ausgestaltung nicht mit Art. 15 Abs. 1 der Daten­schutz­richtlinie für elektronische Kommunikation 2002/58/EG vom 12. Juli 2002 vereinbar sei. Die Speicherpflicht erfasse pauschal die Verkehrs- und Standortdaten nahezu alle Nutzer von Telefon- und Inter­net­diensten. Erforderlich seien aber nach Maßgabe des Gerichtshofs jedenfalls Regelungen, die den von der Speicherung betroffenen Personenkreis von vornherein auf Fälle beschränkten, bei denen ein zumindest mittelbarer Zusammenhang mit der durch das Gesetz bezweckten Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehe. Dies könne etwa durch personelle, zeitliche oder geographische Kriterien geschehen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs könne die anlasslose Speicherung von Daten insbesondere nicht dadurch kompensiert werden, dass die Behörden nur zum Zweck der Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren Zugang zu den gespeicherten Daten erhielten und strenge Maßnahmen zum Schutz der gespeicherten Daten vor Missbrauch ergriffen würden.

§ 113 b Pflichten zur Speicherung von Verkehrsdaten

Erläuterungen
(1) Die in § 113 a Absatz 1 Genannten sind verpflichtet, Daten wie folgt im Inland zu speichern:

1. Daten nach den Absätzen 2 und 3 für zehn Wochen,

2. Standortdaten nach Absatz 4 für vier Wochen.

(2) 1 Die Erbringer öffentlich zugänglicher Telefondienste speichern

1. die Rufnummer oder eine andere Kennung des anrufenden und des angerufenen Anschlusses sowie bei Um- oder Weiter­schal­tungen jedes weiteren beteiligten Anschlusses,

2. Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Verbindung unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone,

3. Angaben zu dem genutzten Dienst, wenn im Rahmen des Telefondienstes unter­schiedliche Dienste genutzt werden können,

4. im Fall mobiler Telefondienste ferner

a) die internationale Kennung mobiler Teilnehmer für den anrufenden und den angerufenen Anschluss,

b) die internationale Kennung des anrufenden und des angerufenen Endgerätes,

c) Datum und Uhrzeit der ersten Aktivierung des Dienstes unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone, wenn Dienste im Voraus bezahlt wurden,

5. im Fall von Internet-Telefondiensten auch die Inter­net­pro­tokoll-Adressen des anrufenden und des angerufenen Anschlusses und zugewiesene Benut­zer­ken­nungen.

2 Satz 1 gilt entsprechend

1. bei der Übermittlung einer Kurz-, Multimedia- oder ähnlichen Nachricht; hierbei treten an die Stelle der Angaben nach Satz 1 Nummer 2 die Zeitpunkte der Versendung und des Empfangs der Nachricht;

2. für unbeantwortete oder wegen eines Eingriffs des Netzwerk­ma­na­gements erfolglose Anrufe, soweit der Erbringer öffentlich zugänglicher Telefondienste die in Satz 1 genannten Verkehrsdaten für die in § 96 Absatz 1 Satz 2 genannten Zwecke speichert oder protokolliert.

(3) Die Erbringer öffentlich zugänglicher Inter­net­zu­gangs­dienste speichern

1. die dem Teilnehmer für eine Internetnutzung zugewiesene Inter­net­pro­tokoll-Adresse,

2. eine eindeutige Kennung des Anschlusses, über den die Internetnutzung erfolgt, sowie eine zugewiesene Benutzerkennung,

3. Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Internetnutzung unter der zugewiesenen Inter­net­pro­tokoll-Adresse unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone.

(4) 1 Im Fall der Nutzung mobiler Telefondienste sind die Bezeichnungen der Funkzellen zu speichern, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt wurden. 2 Bei öffentlich zugänglichen Inter­net­zu­gangs­diensten ist im Fall der mobilen Nutzung die Bezeichnung der bei Beginn der Inter­net­ver­bindung genutzten Funkzelle zu speichern. 3 Zusätzlich sind die Daten vorzuhalten, aus denen sich die geografische Lage und die Haupt­strahl­rich­tungen der die jeweilige Funkzelle versorgenden Funkantennen ergeben.

(5) Der Inhalt der Kommunikation, Daten über aufgerufene Internetseiten und Daten von Diensten der elektronischen Post dürfen auf Grund dieser Vorschrift nicht gespeichert werden.

(6) 1 Daten, die den in § 99 Absatz 2 genannten Verbindungen zugrunde liegen, dürfen auf Grund dieser Vorschrift nicht gespeichert werden. 2Dies gilt entsprechend für Telefon­ver­bin­dungen, die von den in § 99 Absatz 2 genannten Stellen ausgehen. 3§ 99 Absatz 2 Satz 2 bis 7 gilt entsprechend.

(7) Die Speicherung der Daten hat so zu erfolgen, dass Auskunft­s­er­suchen der berechtigten Stellen unverzüglich beantwortet werden können.

(8) Der nach § 113 a Absatz 1 Verpflichtete hat die auf Grund des Absatzes 1 gespeicherten Daten unverzüglich, spätestens jedoch binnen einer Woche nach Ablauf der Speicherfristen nach Absatz 1, irreversibel zu löschen oder die irreversible Löschung sicherzustellen.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz/ra-online

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