18.10.2024
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ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil21.05.2014

Zinsan­pas­sungs­klauseln im Konto­kor­rent­kreditWirksamkeit und deren Folgen für den Bankkunden

Bei unwirksamen Zinsan­pas­sungs­klauseln der Bank und zu hohen Zinsbe­rech­nungen, hat der Bankkunde Anspruch auf eine Korrektur der Zinsberechnung für höchstens fünf Jahre. Dies hat Oberlan­des­gericht Stuttgart entschieden.

Im vorliegenden Fall verlangt die klagende Bank die teilweise Rückzahlung eines eingeräumten Konto­kor­rent­kredits und einer darüber hinausgehenden Überziehung. Die Beklagte hat sich damit verteidigt, dass die Bank zu hohe Zinsen berechnet habe. Sie habe seit Beginn der Geschäfts­be­ziehung in ihren Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen unwirksame Zinsan­pas­sungs­klauseln verwendet und die veränderlichen Zinssätze nicht ausreichend an die Markt­ver­hältnisse angepasst. Die Zinsbe­rech­nungen und Kontosalden seien daher rückwirkend ab dem Jahr 1989 zu korrigieren. Bei richtiger Zinsberechnung habe nicht die Bank einen Rückzah­lungs­an­spruch in Höhe von 196.909,19 €, sondern die Beklagte habe ein Guthaben von 333.939,00 €.

Unangemessene Benachteiligung des Kunden durch Zinsan­pas­sungs­klauseln der Bank

Die von der Bank verwandten Zinsan­pas­sungs­klauseln seien teilweise unwirksam, so das Oberlan­des­gericht. U.a. wurden zu hohe Zinsen berechnet. Die Klauseln hätten als Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen zu einer unangemessenen Benachteiligung der Beklagten geführt. Die Bank sei in dem Maße zu Senkungen des vereinbarten Zinssatzes verpflichtet, in dem der bei Vertragsschluss als Bezugsgröße heranzuziehende Zinssatz auf dem Geldmarkt (hier: Dreimonats-EURIBOR) sinkt. Diese Pflicht zur Zinssenkung sei nicht ausreichend klar und verbindlich geregelt und habe so zum Nachteil des Kunden Abweichungen im Ermessen der Bank zugelassen.

Anspruch auf Korrektur der Zinsberechnung für höchstens 5 Jahre

Die Beklagte könne aber wegen der besonderen Umstände des Falles nur eine Korrektur der Zinsberechnung für höchstens fünf Jahre verlangen. Korrek­tu­r­ansprüche wegen länger zurückliegender Fehler seien nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwirkt. Die Beklagte habe nämlich jahrelang die Zinsanpassungen und quartalsweisen Rechnungs­ab­schlüsse mit Saldo­a­n­er­kennt­nissen nicht angegriffen und wiederholt die Zinssätze bei Darle­hens­ver­län­ge­rungen bestätigt, womit sie signalisiert habe, dass sie das Ergebnis der Zinsanpassung nicht beanstandet. Bei Beanstandungen hätte die Bank hingegen die Möglichkeit gehabt, die Kredite kurzfristig zu kündigen und die von ihr gewünschten Zinssätze frei zu vereinbaren. Jedenfalls nach einem Zeitraum von fünf Jahren könne die Beklagte nicht mehr eine Korrektur verlangen. Wegen der Verwirkung könne sich die Beklagte auch nicht auf § 821 BGB berufen, wonach ein Schuldner, der bei einem Konto (unbewusst) ein falsches Saldo­a­n­er­kenntnis abgibt, die Bezahlung des anerkannten Saldos auch dann noch verweigern kann, wenn der Anspruch auf Herausgabe (Berichtigung) des Saldo­a­n­er­kennt­nisses verjährt ist.

Sollsaldo zu Gunsten der Bank etwa 10.000 Euro zu hoch

Das Gericht hat ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten eingeholt, welches das Konto­kor­rent­ver­hältnis der Beklagten von 01.01.2002 bis 01.11.2006 nach bestimmten Vorgaben berechnet hat. Danach war der Sollsaldo zu Gunsten der Bank um etwas mehr als 10.000 € zu hoch. Weil die Bank nicht das gesamte Darlehen eingeklagt hatte, wurde das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Heilbronn im Ergebnis bestätigt und die Beklagte zur Rückzahlung des eingeklagten Darle­hens­be­trages verurteilt; die Widerklage wurde abgewiesen.

Erläuterungen
Ergänzende Hinweise:

§ 242 Leistung nach Treu und Glauben

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

§ 488 Abs. 1 BGB

Durch den Darle­hens­vertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

§ 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, durch die von Rechts­vor­schriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 821 BGB

Wer ohne rechtlichen Grund eine Verbindlichkeit eingeht, kann die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit verjährt ist.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart/ ra-online

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