22.11.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 9482

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Urteil13.04.2010BundesgerichtshofXI ZR 197/09
Vorinstanzen:
  • Landgericht Zweibrücken, Urteil10.10.2008, 1 O 298/06
  • Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil08.06.2009, 7 U 178/08
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil13.04.2010

BGH zur Zinsberechnung in Prämi­en­spa­r­ver­trägen bei unwirksamer Zinsän­de­rungs­klauselBerech­nungs­grundlage muss von Bundesbank monatlich veröffentlichte Zinssatz sein

Sparern steht bei Unwirksamkeit der Zinsän­de­rungs­klausel in einem Prämi­en­spa­r­vertrag kein einseitiges Leistungs­be­stim­mungsrecht gemäß § 316, § 315 Abs. 1 BGB zur Zinsanpassung zu. Die Lücke ist im Wege einer objektivierten, von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelösten ergänzenden Vertrags­aus­legung (§§ 133, 157 BGB) zu schließen. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof

Die Klägerin und ihr Ehemann schlossen im Jahr 1986 mit der Rechts­vor­gängerin der beklagten Sparkasse einen Prämi­en­spa­r­vertrag über ein so genanntes S-Versi­che­rungs­sparen mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren, durch das - neben Zinsen in Höhe des "jeweils gültigen Zinssatzes für S-Versi­che­rungs­spa­r­einlagen" - mit zunehmender Vertragsdauer steigende Prämien zu erzielen waren. Die maximale Sparprämie von 30 % fiel erst bei Erreichen der vollen Vertrags­laufzeit an. Bei Abschluss des Vertrages betrug der von der Beklagten gezahlte Nominalzins für S-Versi­che­rungs­sparen jährlich 5 %. Die Klägerin und ihr Ehemann zahlten in den Jahren 1986 bis 2005 die vereinbarten Sparbeträge ein. Mit Ablauf des Sparvertrages zahlte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 22.034,20 € aus. Nach Beanstandung durch die Klägerin nahm sie eine Neuberechung anhand einer Kombination aus den in der Bundes­bank­sta­tistik ausgewiesenen Zinssätzen für zwei- und zehnjährige Spareinlagen im Verhältnis von 20 % zu 80 % vor, wobei sie den Zinssatz nur dann anpasste, wenn sich dieser Referenzzins um mehr als ,1 Prozentpunkte verändert hatte. Die Neuberechnung ergab lediglich einen geringfügig höheren Zinsanspruch der Klägerin. Die Klägerin hat unter Zugrundelegung des Spareckzinses und einer Anpas­sungs­schwelle von ,01 Prozentpunkten die Beklagte u. a. auf Zahlung weiterer Sparzinsen in Höhe von 3.101,18 € in Anspruch genommen. Die Klage hatte - bis auf einen geringen von der Beklagten anerkannten Betrag - in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Berufungs­urteils und zur Zurück­ver­weisung der Sache an das Berufungs­gericht.

Kein einseitiges Leistungs­be­stim­mungsrecht zur Zinsanpassung bei Unwirksamkeit der Zinsan­pas­sungs­klausel

Der Bundes­ge­richtshof hat in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der Beklagten abgedruckte Zinsän­de­rungs­klausel gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam ist, weil sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalku­lier­barkeit möglicher Zinsänderungen aufweist. Ebenfalls in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat er entschieden, dass die durch die Unwirksamkeit der Zinsan­pas­sungs­klausel im Vertrag entstandene Lücke der Klägerin kein einseitiges Leistungs­be­stim­mungsrecht zur Zinsanpassung gemäß § 316, § 315 Abs. 1 BGB eröffnet, sondern im Wege ergänzender Vertags­aus­legung (§§ 133, 157 BGB) dahingehend zu schließen ist, welche Regelung die Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der Klausel nach dem Vertragszweck und angemessener Abwägung der beiderseitigen Interessen gewählt hätten. Die Auslegung solcher typischen formularmäßigen Klauseln hat allge­mein­ver­bindlich, unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls zu erfolgen und ist daher in vollem Umfang vom Revisi­ons­gericht überprüfbar.

Auslegung des Berufungs­ge­richts nicht inter­es­sen­gerecht

Der Bundes­ge­richtshof hat beanstandet, dass das Berufungs­gericht die Vertragslücke durch Heranziehung der von der Beklagten bei ihrer Neuberechnung zugrunde gelegten Parameter geschlossen hat. Diese Auslegung ist nicht inter­es­sen­gerecht. Die - auch nur teilweise - Einbeziehung eines Referenzzinses für kurzfristige zweijährige Spareinlagen wird dem Vertragszweck, der auf das Erreichen der maximalen Sparprämie nach voller zwanzigjähriger Laufzeit ausgerichtet ist, nicht gerecht. Auch eine Anpas­sungs­schwelle von ,1 Prozentpunkten, die in der - unwirksamen - Vertragsklausel nicht vorgesehen war, ist nicht inter­es­sen­gerecht. Vielmehr hat sich der Referenzzins an den in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröf­fent­lichten Zinsen für langfristige Spareinlagen, die der zwanzigjährigen Laufzeit unter Berück­sich­tigung des Ansparvorgangs nahe kommen, zu orientieren, wobei sich jede Veränderung auch auf den Vertragszins auswirken muss und eine Änderung entsprechend dem Veröf­fent­li­chungs­zyklus der Bundes­bank­be­richte monatlich vorzunehmen ist.

Äquiva­lenz­prinzip muss bei Zinsänderung gewahrt bleiben

Bei der Zinsänderung ist ferner das Äquiva­lenz­prinzip zu beachten, wobei es bei dem vorliegenden Sparvertrag nicht inter­es­sen­gerecht ist, von einem absolut gleich bleibenden Abstand des Vertragszinses zum Referenzzins in Prozentpunkten auszugehen. Das würde zum einen dazu führen, dass eine feste Marge ohne Rücksicht auf die Markt­ver­hältnisse im Neukun­den­ge­schäft über zwanzig Jahre festgeschrieben wäre und zum anderen bei sehr ungünstiger Entwicklung des Referenzzinses der Anspruch des Kunden auf Null absinken oder gar negativ werden könnte. Jedenfalls bei ergänzender Vertrags­laus­legung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien dies vereinbart hätten. Maßgeblich ist daher vorliegend der relative Abstand zwischen anfänglichem Vertrags- und Referenzzins in Prozent. Dadurch werden das Äquiva­lenz­ver­hältnis gewahrt und unzumutbare Ergebnisse verhindert.

Rückweisung der Sache an das Berufungs­gericht

Die Sache ist an das Berufungs­gericht zurückverwiesen worden, um weitere Feststellungen zum sachgerechten Referenzzins zu treffen.

Quelle: ra-online, BGH

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