21.11.2024
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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil26.11.2019

Abgasskandal: Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung bei Fahrzeugkauf in Kenntnis des "VW-Skandals"Ab Ende September 2015 ergriffene Maßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Sitten­wid­rig­keits­verdikts nach Inhalt und Umfang ausreichend

Das Oberlan­des­ge­richts Stuttgart hat die Schadens­ersatz­an­sprüche von zwei Diesel­fahrzeug­käufern zurück gewiesen, die ihre jeweiligen Gebrauchtwagen des Typs Golf VI und Touran im Januar bzw. Juli 2016 erworben hatten. Das Oberlan­des­gericht bestätigte damit die erstin­sta­nz­lichen Klagabweisungen der Landgerichte Stuttgart und Ravensburg. Danach hätten beide Käufer ihre Fahrzeuge in Kenntnis des "VW-Skandals" gekauft, so dass die Voraussetzungen einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht vorlägen.

Die beiden beanstandeten Fahrzeuge der zugrunde liegenden Streitfälle waren jeweils mit dem Motor EA 189 und der Software mit der unzulässigen Abschalt­ein­richtung ausgestattet. Mit ihren Berufungen verfolgten die Kläger ihre Schaden­s­er­satz­ansprüche weiter und beriefen sich darauf, dass es unerheblich sei, ob sie die Ad-Hoc-Mitteilungen der Beklagten vom September 2015 zur Abgasthematik kannten oder hätten kennen müssen.

Für Schaden­s­er­satz­an­spruch hätte noch im Erwer­bs­zeitpunkt sittenwidrige Veranlassung durch Beklagte vorliegen müssen

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart war hingegen der Überzeugung, dass, soweit die Kläger hier überhaupt einen von der Volkswagen AG verursachten Schaden erlitten haben, jedenfalls keine sittenwidrige Veranlassung des jeweiligen Fahrzeugerwerbs durch die Beklagte hier vorliege. Die maßgebliche Schädi­gungs­handlung der Volkswagen AG sei das Herstellen und Inver­kehr­bringen der Fahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung vor dem Bekanntwerden des sogenannten Dieselskandals im September/Oktober 2015. Dies gelte auch gegenüber Gebraucht­wa­gen­käufern. Eine Sitten­wid­rigkeit der Schädigung liege dann vor, wenn der Geschädigte die ihn schädigende Handlung - den Fahrzeugkauf - gerade deswegen vorgenommen hat, weil er dazu sittenwidrig veranlasst worden sei. Fielen dabei - wie hier - der Zeitpunkt des Inver­kehr­bringens des Fahrzeugs mit dem Motor EA 189 und der Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs auseinander, so müsse auch noch im Erwer­bs­zeitpunkt eine sittenwidrige Veranlassung durch die Beklagte vorliegen.

Öffentlichkeit wurde durch VW über Abgas­pro­blematik informiert

Daran fehle es in den beiden entschiedenen Fällen. Ab Mitte Oktober 2015 könne wegen des Bekanntwerdens der Verwendung der unzulässigen Abschalt­ein­richtung und den von der Volkswagen AG ergriffenen Maßnahmen nicht mehr von einer sittenwidrigen Veranlassung der Schädigung von Käufern gebrauchter Dieselfahrzeuge mit dem Motor EA 189 ausgegangen werden. Die Beklagte habe die breite Öffentlichkeit und damit auch potentielle Kfz-Käufer u.a. in Form von Presse­mit­tei­lungen ab September 2015 über die Thematik informiert. Angesichts der der Volkswagen AG nicht zuzurechnenden Berich­t­er­stattung und der Öffent­lich­keits­in­for­mation durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) musste die Volkswagen AG in einer Gesamt­be­trachtung nicht mehr unternehmen, um ab Mitte Oktober 2015 den Vorwurf einer sittenwidrig veranlassten Schädigung der Käufer zu entkräften.

Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

Nach der Rechtsprechung des Oberlan­des­ge­richts sei es daher unerheblich, ob das von der Beklagte entwickelte Software-Update eine geeignete Maßnahme zur Fehler­be­sei­tigung sei oder ob ein konkreter Gebraucht­wa­gen­käufer Kenntnis von der Betroffenheit des jeweiligen Fahrzeugs vom sogenannten Dieselskandal habe. Maßgeblich sei vielmehr für das Tatbe­stands­merkmal der Sitten­wid­rigkeit nur das Verhalten der Volkswagen AG. Die von ihr ab Ende September 2015 ergriffenen Maßnahmen seien nach Inhalt und Umfang ausreichend, um die Öffentlichkeit sowie die Besitzer betroffener Dieselfahrzeuge über das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung zu informieren und damit das Fortwirken des Sitten­wid­rig­keits­verdikts zu verhindern. Danach steht Eigentümern von betroffenen Fahrzeugen des VW-Konzerns, die ihr Fahrzeug nach Mitte Oktober 2015 erworben haben, kein Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu.

Da auch weitere Anspruchs­grundlagen für die Schaden­s­er­satz­ansprüche nicht ersichtlich seien, hat das Oberlan­des­gericht beide Berufungen zurückgewiesen.

Nur im Verfahren 10 U 338/19 wurde die Revision zum Bundes­ge­richtshof zugelassen. Das Verfahren 10 U 199/19 ist rechtskräftig, die Revision wurde hier aufgrund der positiven Kenntnis des Käufers von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Dieselskandal und damit schon fehlender Schadens­ver­ur­sachung durch die Beklagte nicht zugelassen.

Relevante Vorschrift:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Erläuterungen

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart/ra-online (pm/kg)

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