Die beiden beanstandeten Fahrzeuge der zugrunde liegenden Streitfälle waren jeweils mit dem Motor EA 189 und der Software mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet. Mit ihren Berufungen verfolgten die Kläger ihre Schadensersatzansprüche weiter und beriefen sich darauf, dass es unerheblich sei, ob sie die Ad-Hoc-Mitteilungen der Beklagten vom September 2015 zur Abgasthematik kannten oder hätten kennen müssen.
Das Oberlandesgericht Stuttgart war hingegen der Überzeugung, dass, soweit die Kläger hier überhaupt einen von der Volkswagen AG verursachten Schaden erlitten haben, jedenfalls keine sittenwidrige Veranlassung des jeweiligen Fahrzeugerwerbs durch die Beklagte hier vorliege. Die maßgebliche Schädigungshandlung der Volkswagen AG sei das Herstellen und Inverkehrbringen der Fahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung vor dem Bekanntwerden des sogenannten Dieselskandals im September/Oktober 2015. Dies gelte auch gegenüber Gebrauchtwagenkäufern. Eine Sittenwidrigkeit der Schädigung liege dann vor, wenn der Geschädigte die ihn schädigende Handlung - den Fahrzeugkauf - gerade deswegen vorgenommen hat, weil er dazu sittenwidrig veranlasst worden sei. Fielen dabei - wie hier - der Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs mit dem Motor EA 189 und der Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs auseinander, so müsse auch noch im Erwerbszeitpunkt eine sittenwidrige Veranlassung durch die Beklagte vorliegen.
Daran fehle es in den beiden entschiedenen Fällen. Ab Mitte Oktober 2015 könne wegen des Bekanntwerdens der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung und den von der Volkswagen AG ergriffenen Maßnahmen nicht mehr von einer sittenwidrigen Veranlassung der Schädigung von Käufern gebrauchter Dieselfahrzeuge mit dem Motor EA 189 ausgegangen werden. Die Beklagte habe die breite Öffentlichkeit und damit auch potentielle Kfz-Käufer u.a. in Form von Pressemitteilungen ab September 2015 über die Thematik informiert. Angesichts der der Volkswagen AG nicht zuzurechnenden Berichterstattung und der Öffentlichkeitsinformation durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) musste die Volkswagen AG in einer Gesamtbetrachtung nicht mehr unternehmen, um ab Mitte Oktober 2015 den Vorwurf einer sittenwidrig veranlassten Schädigung der Käufer zu entkräften.
Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts sei es daher unerheblich, ob das von der Beklagte entwickelte Software-Update eine geeignete Maßnahme zur Fehlerbeseitigung sei oder ob ein konkreter Gebrauchtwagenkäufer Kenntnis von der Betroffenheit des jeweiligen Fahrzeugs vom sogenannten Dieselskandal habe. Maßgeblich sei vielmehr für das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit nur das Verhalten der Volkswagen AG. Die von ihr ab Ende September 2015 ergriffenen Maßnahmen seien nach Inhalt und Umfang ausreichend, um die Öffentlichkeit sowie die Besitzer betroffener Dieselfahrzeuge über das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu informieren und damit das Fortwirken des Sittenwidrigkeitsverdikts zu verhindern. Danach steht Eigentümern von betroffenen Fahrzeugen des VW-Konzerns, die ihr Fahrzeug nach Mitte Oktober 2015 erworben haben, kein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu.
Da auch weitere Anspruchsgrundlagen für die Schadensersatzansprüche nicht ersichtlich seien, hat das Oberlandesgericht beide Berufungen zurückgewiesen.
Nur im Verfahren 10 U 338/19 wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Das Verfahren 10 U 199/19 ist rechtskräftig, die Revision wurde hier aufgrund der positiven Kenntnis des Käufers von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Dieselskandal und damit schon fehlender Schadensverursachung durch die Beklagte nicht zugelassen.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.12.2019
Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart/ra-online (pm/kg)