Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls, eine Autovermieterin, vermietete dem Beklagten einen Mercedes Benz CLS 63 AMG. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten war eine Haftungsbeschränkung ohne Selbstbeteiligung für den Fall einer Beschädigung des Mietfahrzeuges vereinbart worden. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Klägerin ist jedoch geregelt, dass diese berechtigt ist, zumindest teilweise Regress zu nehmen, wenn der Schaden am Mietfahrzeug grob fahrlässig herbeigeführt wurde.
Nach Überzeugung des Oberlandesgerichts Nürnberg befuhr der Beklagte im April 2015 mit dem gemieteten Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h die Autobahn auf der linken Spur, während er gleichzeitig das Infotainment System des Fahrzeugs bediente, um dort Informationen abzurufen. Er geriet währenddessen mit dem Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke, wodurch das Fahrzeug stark beschädigt wurde. Die Klägerin war der Auffassung, dass der Beklagte grob fahrlässig handelte und nahm daher in Höhe von 50 % des entstandenen Unfallschadens bei diesem Regress.
Nachdem das Landgericht Nürnberg-Fürth die Klage zunächst abwies, verurteilte das Oberlandesgericht Nürnberg den Beklagten, an die Klägerin 11.947,69 Euro zu zahlen. Das Oberlandesgericht war der Auffassung, dass der Beklagte grob fahrlässig gehandelt habe und der Klägerin daher ein Schadensersatzanspruch zustehe. Die vereinbarte Haftungsfreistellung schließe die Haftung des Beklagten nicht aus, da diese für den Fall grob fahrlässigen Verhaltens jedenfalls in dem von der Klägerin geltend gemachten Umfang nicht greife.
Der Beklagte habe die verkehrserforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Er habe die Autobahn mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h befahren; dies beinhalte ein sehr hohes Gefahrenpotential. Der Anhalteweg und die kinetische Energie bei einer Kollision sind gegenüber einer Geschwindigkeit von 130 km/h mehr als verdoppelt. Schon minimale Fahrfehler können typischerweise zu schweren Unfällen führen. In nahezu allen anderen Staaten der Welt seien derartige Geschwindigkeiten auf öffentlichen Straßen daher verboten. In Deutschland fehle zwar ein derartiges klares Verbot, es gelte aber die Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung, die vorgibt, dass bei höheren Geschwindigkeiten die Unfallgefahren selbst unter Idealbedingungen so erheblich zunehmen, dass sie bei verantwortungsbewusster Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr dort nicht gefahren werden sollten.
Ein Verkehrsteilnehmer, welcher sein Fahrzeug mit höherer Geschwindigkeit als 130 km/h führt, müsse daher in besonderer Weise seine volle Konzentration auf das Führen des Fahrzeuges richten. Je stärker die Richtgeschwindigkeit überschritten werde, desto höher seien die Anforderungen an die Konzentration des Fahrzeugführers. Trotz der bei 200 km/h erforderlichen vollsten Konzentration auf das Fahrgeschehen und der drohenden schweren Unfallfolgen schon bei geringfügiger kurzzeitiger Ablenkung habe der Kläger das Infotainment System bedient; dies habe seine Aufmerksamkeit zumindest für Sekunden voll gebunden. Sein Verhalten stelle daher eine objektiv schwere und unentschuldbare Pflichtverletzung dar und sei grob fahrlässig.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 31.05.2019
Quelle: Oberlandesgericht Nürnberg/ra-online (pm/kg)