Die Beklagte im vorliegenden Fall verkaufte über ihre Internetseite Erlebnisgeschenkgutscheine für etwa 800 Erlebnisse, unter anderem Fallschirmsprünge, Hubschrauberflüge, Segeltouren, Tanzkurse, Heißluftballonfahrten und Bungeesprünge sowie Gutscheine für Hotelübernachtungen. Der Kläger war ein Verbraucherschutzverein, der eine von der Beklagten verwendete AGB-Klausel beanstandete, nach welcher die Gültigkeitsdauer der Gutscheine auf 12 Monate ab Ausstellungsdatum (Erwerb) begrenzt werden sollte.
Der Kläger hielt die Beschränkung der Gültigkeitsdauer auf zwölf Monate ab Ausstellungsdatum für unwirksam, da sie die Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Der Verein beantragte aus diesem Grund, es gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB zu unterlassen, die streitgegenständliche oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit entgeltlich zu erwerbenden Geschenkgutscheinen zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen.
Die Beklagte hielt die angegriffene AGB-Klausel für zulässig. Entscheidend sei, dass sie keine Geschenkgutscheine für eigene Waren anbiete, sondern Erlebnisgutscheine für Dienstleistungen dritter Firmen, die die Beklagte lediglich vermittle. Sie garantiere als Verkäuferin der Gutscheine die darin genannten Erlebnisse für die Gültigkeitsdauer zu den angegebenen Preisen. Die Veranstalter könnten mit längeren Laufzeiten als einem Jahr nicht planen und kalkulieren und seien nicht bereit, ein längeres Preisrisiko zu tragen.
Das Oberlandesgericht München urteilte, dass die von dem Kläger angegriffene, von der Beklagten verwendete AGB-Klausel unwirksam sei, weil sie gegen das Benachteiligungsverbot des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstoße. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung sei unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versuche, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Das bürgerliche Recht kenne für Verpflichtungen aus schuldrechtlichen Verträgen im Allgemeinen nur die Verjährung, nicht dagegen besondere, von der Frage der Verjährung unabhängige Ausschlussfristen. Die Gültigkeitsbefristung der Gutscheine der Beklagten enthalte daher eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehöre das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung, das durch die Verjährungsvorschriften in zeitlicher Hinsicht näher ausgestaltet werde. In dieses Äquivalenzverhältnis werde auch durch eine vertragliche Regelung eingegriffen, die die Werthaltigkeit einer Gegenleistung, die ein Vertragspartner aufgrund eigener Vorleistung verlangen könne, zeitlich über die Verjährungsregelungen hinaus beschränke (OLG München, Urteil v. 17.01.2008 - 29 U 3193/07 - = OLG München, NJW-RR 2008, 1233). Bei Berechtigungskarten und Gutscheinen, die dem Inhaber die Möglichkeit verschafften, eine bestimmte Ware oder Leistung zu verlangen, könne zwar nicht jede zeitliche Begrenzung der Gültigkeitsdauer als unangemessene Benachteiligung des Kunden angesehen werden. Solche Ausschlussfristen seien in weiten Bereichen üblich und würden unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der beiderseits Beteiligten häufig als nicht unangemessen anzusehen sein. Durch die Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren auf drei Jahre (vgl. § 195 BGB) im Rahmen der Schuldrechtsreform habe der Gesetzgeber allerdings bereits den Interessen der Schuldner Rechnung getragen. Damit hätten sich die Anforderungen an die Rechtfertigung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine kürzere als die gesetzliche Verjährungsfrist zur Anspruchsdurchsetzung statuierten, erhöht (OLG München NJW-RR 2008, 1233 [1234] = OLG München, Urteil v. 17.01.2008 - 29 U 3193/07 -: Amazon muss Gutscheine drei Jahre lang einlösen).
Der ersatzlose Verlust der Möglichkeit, einen nicht verjährten Anspruch geltend zu machen, stelle eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen der Gutscheininhaber dar. Die streitgegenständliche Klausel, wonach die Gültigkeitsdauer der Gutscheine zwölf Monate ab Ausstellungsdatum betrage, sei mehrdeutig, so dass ihr Inhalt im Weg der Auslegung zu ermitteln wäre. Die Auslegung habe dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so zu erfolgen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werde. Bei kundenfeindlicher Auslegung ergebe sich vor diesem Hintergrund, dass nach Ablauf der zwölfmonatigen Gültigkeitsdauer der bei der Beklagten erworbenen Gutscheine alle diesbezüglichen Ansprüche der Kunden gegen die Beklagte erlöschen würden. Diese Verständnismöglichkeit liege mehr als nahe, da die AGB der Beklagten keine ausdrückliche Regelung dazu enthielten, ob und inwieweit die Kunden nach Ablauf der Gültigkeitsdauer eines Gutscheins eine Rückzahlung des Kaufpreises verlangen könnten.
Hinsichtlich der streitgegenständlichen Klausel bestehe demnach ein einschränkungsloser Unterlassungsanspruch des Klägers (§ 1 UKlaG).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 24.07.2012
Quelle: ra-online, Oberlandesgericht München (vt/st)