21.11.2024
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Oberlandesgericht München Urteil14.04.2011

Gültig­keitsdauer von erworbenen Gutscheinen darf nicht durch Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen auf 12 Monate beschränkt werdenVerwendete AGB-Klausel verstößt gegen das Benach­tei­li­gungs­verbot des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

Gutscheine, die im Internet erworben werden, können in ihrer Gültigkeit nicht durch eine Klausel in den Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen beschränkt werden, da eine derartige Regelung den Käufer unangemessen benachteiligt. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts München hervor.

Die Beklagte im vorliegenden Fall verkaufte über ihre Internetseite Erleb­nis­ge­schenk­gut­scheine für etwa 800 Erlebnisse, unter anderem Fallschirmsprünge, Hubschrau­berflüge, Segeltouren, Tanzkurse, Heißluft­ba­l­lon­fahrten und Bungeesprünge sowie Gutscheine für Hotel­über­nach­tungen. Der Kläger war ein Verbrau­cher­schutz­verein, der eine von der Beklagten verwendete AGB-Klausel beanstandete, nach welcher die Gültig­keitsdauer der Gutscheine auf 12 Monate ab Ausstel­lungsdatum (Erwerb) begrenzt werden sollte.

Kläger: Beschränkung der Gültig­keitsdauer benachteiligt Kunden unangemessen

Der Kläger hielt die Beschränkung der Gültig­keitsdauer auf zwölf Monate ab Ausstel­lungsdatum für unwirksam, da sie die Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Der Verein beantragte aus diesem Grund, es gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB zu unterlassen, die streit­ge­gen­ständliche oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen im Zusammenhang mit entgeltlich zu erwerbenden Geschenk­gut­scheinen zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen.

Beklagte: Veranstalter sind nicht bereit, ein längeres Preisrisiko zu tragen

Die Beklagte hielt die angegriffene AGB-Klausel für zulässig. Entscheidend sei, dass sie keine Geschenk­gut­scheine für eigene Waren anbiete, sondern Erleb­nis­gut­scheine für Dienst­leis­tungen dritter Firmen, die die Beklagte lediglich vermittle. Sie garantiere als Verkäuferin der Gutscheine die darin genannten Erlebnisse für die Gültig­keitsdauer zu den angegebenen Preisen. Die Veranstalter könnten mit längeren Laufzeiten als einem Jahr nicht planen und kalkulieren und seien nicht bereit, ein längeres Preisrisiko zu tragen.

Das bürgerliche Recht kennt keine von der Frage der Verjährung unabhängigen Ausschluss­fristen

Das Oberlan­des­gericht München urteilte, dass die von dem Kläger angegriffene, von der Beklagten verwendete AGB-Klausel unwirksam sei, weil sie gegen das Benachteiligungsverbot des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstoße. Eine formularmäßige Vertrags­be­stimmung sei unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertrags­ge­staltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertrags­partners durchzusetzen versuche, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Das bürgerliche Recht kenne für Verpflichtungen aus schuld­recht­lichen Verträgen im Allgemeinen nur die Verjährung, nicht dagegen besondere, von der Frage der Verjährung unabhängige Ausschluss­fristen. Die Gültig­keits­be­fristung der Gutscheine der Beklagten enthalte daher eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

Gültig­keits­be­schränkung greift in das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung ein

Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuld­rechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehöre das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung, das durch die Verjäh­rungs­vor­schriften in zeitlicher Hinsicht näher ausgestaltet werde. In dieses Äquiva­lenz­ver­hältnis werde auch durch eine vertragliche Regelung eingegriffen, die die Werthaltigkeit einer Gegenleistung, die ein Vertragspartner aufgrund eigener Vorleistung verlangen könne, zeitlich über die Verjäh­rungs­re­ge­lungen hinaus beschränke (OLG München, Urteil v. 17.01.2008 - 29 U 3193/07 - = OLG München, NJW-RR 2008, 1233). Bei Berech­ti­gungs­karten und Gutscheinen, die dem Inhaber die Möglichkeit verschafften, eine bestimmte Ware oder Leistung zu verlangen, könne zwar nicht jede zeitliche Begrenzung der Gültig­keitsdauer als unangemessene Benachteiligung des Kunden angesehen werden. Solche Ausschluss­fristen seien in weiten Bereichen üblich und würden unter Berück­sich­tigung der berechtigten Interessen der beiderseits Beteiligten häufig als nicht unangemessen anzusehen sein. Durch die Abkürzung der regelmäßigen Verjäh­rungsfrist von dreißig Jahren auf drei Jahre (vgl. § 195 BGB) im Rahmen der Schuld­rechts­reform habe der Gesetzgeber allerdings bereits den Interessen der Schuldner Rechnung getragen. Damit hätten sich die Anforderungen an die Rechtfertigung von Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, die eine kürzere als die gesetzliche Verjäh­rungsfrist zur Anspruchs­durch­setzung statuierten, erhöht (OLG München NJW-RR 2008, 1233 [1234] = OLG München, Urteil v. 17.01.2008 - 29 U 3193/07 -: Amazon muss Gutscheine drei Jahre lang einlösen).

Bei kunden­feind­licher Auslegung der Klausel erlöschen Ansprüche der Kunden gegen die Beklagte

Der ersatzlose Verlust der Möglichkeit, einen nicht verjährten Anspruch geltend zu machen, stelle eine erhebliche Beein­träch­tigung der Interessen der Gutschei­n­inhaber dar. Die streit­ge­gen­ständliche Klausel, wonach die Gültig­keitsdauer der Gutscheine zwölf Monate ab Ausstel­lungsdatum betrage, sei mehrdeutig, so dass ihr Inhalt im Weg der Auslegung zu ermitteln wäre. Die Auslegung habe dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so zu erfolgen, wie sie von verständigen und redlichen Vertrags­partnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werde. Bei kunden­feind­licher Auslegung ergebe sich vor diesem Hintergrund, dass nach Ablauf der zwölfmonatigen Gültig­keitsdauer der bei der Beklagten erworbenen Gutscheine alle diesbezüglichen Ansprüche der Kunden gegen die Beklagte erlöschen würden. Diese Verständ­nis­mög­lichkeit liege mehr als nahe, da die AGB der Beklagten keine ausdrückliche Regelung dazu enthielten, ob und inwieweit die Kunden nach Ablauf der Gültig­keitsdauer eines Gutscheins eine Rückzahlung des Kaufpreises verlangen könnten.

Hinsichtlich der streit­ge­gen­ständ­lichen Klausel bestehe demnach ein einschrän­kungsloser Unter­las­sungs­an­spruch des Klägers (§ 1 UKlaG).

Quelle: ra-online, Oberlandesgericht München (vt/st)

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