03.12.2024
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Oberlandesgericht München Urteil14.01.2016

Filesharing: Eltern haften für Urheber­rechts­verletzungen ihrer KinderEltern müssen bei entsprechender Kenntnis Angaben zu verant­wort­lichem Kind machen

Wird über den Inter­ne­t­an­schluss einer Familie ein Musikalbum mittels einer Filesharing-Software im Rahmen einer Inter­net­tauschbörse unberechtigt angeboten, haften die Eltern für den Urheber­rechts­verstoß, wenn sie wissen, welches ihrer Kinder den Verstoß begangen hat, dieses aber nicht als "Täter" benennen. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts München hervor.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens, eine Tonträ­ger­her­stellerin, der die ausschließ­lichen Verwer­tungs­rechte an einem bestimmten Musikalbum und den dort enthaltenen elf Musiktiteln zustehen, hatte vor dem Landgericht München I gegen ein Ehepaar Schaden­s­er­satz­ansprüche in Höhe von mindestens 2.500 Euro und Ersatz ihrer Abmahnkosten in Höhe von über 1.000 Euro geltend gemacht, da dieses Album mit sämtlichen Titeln an einem bestimmten Tag über einen Inter­ne­t­an­schluss, dessen Inhaber die beklagten Eheleute sind, mittels einer Filesharing-Software im Rahmen einer Inter­net­tauschbörse ohne Zustimmung der Klägerin unberechtigt zum Herunterladen angeboten worden war. Das Vorbringen der Beklagten, sie hätten drei Kinder und diese hätten Zugang zu dem Inter­ne­t­an­schluss gehabt, bestritt die Klägerin.

Eltern verneinen Nennung des verant­wort­lichen Kindes

Die Beklagten hatten zu ihrem Antrag auf Klageabweisung vorgetragen, sie selbst hätten zur fraglichen Zeit einen gemeinsamen, normalerweise im Wohnzimmer stehenden Rechner besessen. Sie hätten mit ihren drei damals bereits volljährigen Kindern zusammen gewohnt, die jeweils eigene Rechner gehabt hätten. Mit einem Router der Telekom hätten sie einen drahtlosen Internetzugang betrieben, der durch ein auch den Kindern bekanntes Passwort gesichert gewesen sei. Die Verlet­zungs­handlung sei von einem ihrer Kinder vorgenommen worden; sie wüssten zwar, welches Kind dafür verantwortlich sei, wollten dieses jedoch nicht benennen.

Ehepaar ist als Täter der begangenen Rechts­ver­letzung anzusehen

Mit Urteil vom 1. Juli 2015 hatte das Landgericht München I die Beklagten dazu verurteilt, an die Klägerin 3.544,40 Euro nebst Zinsen zu bezahlen. Das Oberlan­des­gericht bestätigte nun das landge­richtliche Urteil und wies die Berufung des beklagten Ehepaares insoweit zurück. Es sah das Ehepaar als Täter der begangenen Rechts­ver­letzung gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 Urheber­rechts­gesetz (UrhG) an.

In seinem Urteil stellte das Oberlan­des­gericht zunächst die für den Nachweis der Täterschaft in Filesharing-Fällen in der Rechtsprechung gelten Grundsätze dar.

Vermutung für Täterschaft gilt im Zweifelsfall zulasten aller Anschluss­mi­t­inhaber

Grundsätzlich ist es danach Sache des Anspruch­stellers, nachzuweisen, dass der von ihm auf Schadensersatz in Anspruch Genommene für die behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist. Wenn allerdings ein urheber­rechtlich geschütztes Werk oder eine urheber­rechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschluss­in­habers. Halten mehrere Personen, etwa - wie im Streitfall - Eheleute, den Inter­ne­t­an­schluss mit der betreffenden IP-Adresse gemeinsam, so gilt die Vermutung zulasten aller Anschluss­mi­t­inhaber. Eine tatsächliche Vermutung begründet einen sogenannten Anscheinsbeweis, zu dessen Erschütterung nicht allein der Hinweis auf die Möglichkeit eines anderen Verlaufs genügt; es müssen vielmehr besondere, gegebenenfalls vom Anspruchsgegner - hier dem Anschluss­inhaber - nachzuweisende Umstände hinzukommen, aus denen sich die ernste Möglichkeit eines anderen als des vermuteten Verlaufs ergeben soll.

Anspruch­stellers muss für Haftung des Anschluss­in­habers sprechende Umstände darlegen und nachweisen

Voraussetzung für das Eingreifen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Inhabers eines Inter­ne­t­an­schlusses ist allerdings nicht nur das Vorliegen einer Verlet­zungs­handlung, die von diesem Inter­ne­t­an­schluss ausging, sondern - im Falle der hinreichenden Sicherung des Anschlusses - auch, dass der Anschluss nicht bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. Will sich der Anspruchsteller auf die tatsächliche Vermutung stützen, so obliegt es grundsätzlich ihm, deren Voraussetzungen darzulegen und nötigenfalls zu beweisen. Beweisbedürftig werden die entsprechenden Darlegungen des Anspruch­stellers jedoch nur, wenn der Anschluss­inhaber sie nicht nur pauschal bestreitet, sondern ihnen mit konkreten Angaben entgegentritt. Dieser sogenannten sekundären Darlegungslast genügt der Anschluss­inhaber nur dann, wenn er vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Inter­ne­t­an­schluss hatten und als Täter in Betracht kommen; in diesem Umfang ist er im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verlet­zungs­handlung gewonnen hat. Diesen Anforderungen wird die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Anschluss­in­habers lebenden Dritten auf seinen Inter­ne­t­an­schluss nicht gerecht. Entspricht der Anschluss­inhaber seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache des Anspruch­stellers, die für eine Haftung des Anschluss­in­habers als Täter einer Urheber­rechts­ver­letzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen. Entspricht der Anschluss­inhaber dagegen seiner sekundären Darlegungslast nicht, so ist zugunsten des Anspruch­stellers dessen Vorbringen zugrunde zu legen.

Sekundäre Darlegungslast und tatsächliche Vermutung einer Urheber­rechts­ver­letzung greifen ineinander

Sekundäre Darlegungslast und tatsächliche Vermutung stehen daher, so das Oberlan­des­gericht, nicht einander ausschließend nebeneinander, sondern greifen wie folgt ineinander: Die sekundäre Darlegungslast betrifft die der Feststellung der Täterschaft vorgelagerte Frage, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Vermutung vorliegen, der Anschluss­inhaber sei der Täter. Erst wenn der Anschluss­inhaber dieser sekundären Darlegungslast genügt, trifft den Anspruchsteller die Last der dann erforderlichen Beweise; genügt der Anschluss­inhaber seiner sekundären Darlegungslast dagegen nicht, so muss er zur Widerlegung der dann für den Anspruchsteller streitenden tatsächlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen.

Anforderungen der sekundären Darlegungslast von Beklagten nicht erfüllt

Nach diesen Grundsätzen, so das Oberlan­des­gericht, sei das Landgericht in dem nun entschiedenen Fall zu Recht von der Täterschaft der Beklagten ausgegangen. Die Beklagten hätten die Anforderungen der sie insoweit treffenden sekundären Darlegungslast nicht erfüllt. Ihnen habe es oblegen mitzuteilen, welche Kenntnisse sie über die Umstände einer eventuellen Verlet­zungs­handlung gewonnen hatten, nach ihrem eigenen Vorbringen also, welches ihrer Kinder die Verlet­zungs­handlung begangen hatte. Sie hätten sich indes geweigert, diese Kenntnis mitzuteilen. Damit hätten sie sich lediglich pauschal auf eine bloß generell bestehende Zugriffs­mög­lichkeit ihrer drei Kinder auf den Inter­ne­t­an­schluss berufen, ohne konkrete Angaben zur Verlet­zungs­handlung zu machen. Entgegen der Auffassung der Beklagten stehe die Grund­rechts­ver­bürgung des Art. 6 Abs.1 GG, nach der Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stehen, dieser zivil­pro­zes­sualen Obliegenheit nicht entgegen. Denn Art. 6 Abs.1 GG gewähre keinen schrankenlosen Schutz gegen jede Art von Beein­träch­tigung familiärer Belange; vielmehr seien auch die gegenläufigen Belange der Klägerin, deren Ansprüche ihrerseits den Schutz der Eigen­tums­ge­währ­leistung des Art. 14 GG genießen würden, zu berücksichtigen. Diesen komme im Streitfall ein Gewicht zu, das es rechtfertige, dass sich die Beklagten im Einzelnen dazu erklären müssen, wie es zu den - unstreitig über ihren Inter­ne­t­an­schluss erfolgten - Rechts­ver­let­zungen aus der Familie heraus gekommen sei; andernfalls könnten die Inhaber urheber­rechtlich geschützter Nutzungsrechte bei Rechts­ver­let­zungen vermittels von Familien genutzter Inter­ne­t­an­schlüsse ihre Ansprüche regelmäßig nicht durchsetzen.

Als Zeugen benannte Kinder berufen sich auf zustehendes Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht

Da die Beklagten ihrer sekundären Darlegungslast zum Zugriff Dritter auf ihren Inter­ne­t­an­schluss nicht nachgekommen seien, sei von der tatsächlichen Vermutung auszugehen, dass die Beklagten als Inhaber des Anschlusses die Täter der Rechts­ver­letzung seien. Diese tatsächliche Vermutung hätten die Beklagten nicht erschüttert. Sie haben sich zwar darauf berufen, dass auch ihre Kinder zum Zeitpunkt der rechts­ver­let­zenden Handlung Zugriff auf den Inter­ne­t­an­schluss gehabt hätten, und diese zum Beweis dafür benannt. Sie seien jedoch beweisfällig geblieben, weil sich die als Zeugen benannten Kinder auf ihr ihnen jeweils gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zustehendes Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht berufen haben.

OLG lässt Revision gegen Entscheidung zum Bundes­ge­richtshof zu

Das Oberlan­des­gericht hat, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, die Revision gegen seine Entscheidung zum Bundes­ge­richtshof zugelassen. Dies deshalb, da die Rechtsfrage, durch welche Angaben ein Anschluss­inhaber seiner sekundären Darlegungslast nachkommen kann, über den Streitfall hinaus für eine Vielzahl von Filesharing-Fällen Bedeutung hat.

Quelle: Oberlandesgericht München/ra-online

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