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- Landgericht München I, Urteil01.02.2019, 10 O 4044/14
- Anscheinsbeweis spricht für Verschulden des Linkabbiegers bei Kollision mit LinksüberholerOberlandesgericht Thüringen, Urteil28.10.2016, 7 U 152/16
- Verkehrsunfall beim Überholvorgang: Überholender muss grundsätzlich nicht mit plötzlichem Linksabbiegen des Überholenden rechnenOberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil26.01.2016, 7 U 189/13
Oberlandesgericht München Urteil06.10.2021
Schwerwiegender Verstoß gegen Rückschaupflicht beim Linksabbiegen begründet vollständige Haftung für UnfallfolgenBetriebsgefahr des verunfallten Fahrzeugs tritt hinter Verschulden des Unfallverursachers vollständig zurück
Verstößt ein Verkehrsteilnehmer beim Linksabbiegen in schwerwiegender Weise gegen seine Rückschaupflicht aus § 9 Abs. 1 StVO und kommt es allein deshalb mit einem überholenden Fahrzeug zu einem Unfall, so begründet dies seine volle Haftung für die Unfallfolgen. Die Betriebsgefahr des verunfallten Fahrzeugs tritt hinter dem Verschulden des Unfallverursachers vollständig zurück. Dies hat das Oberlandesgericht München entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: An einem Morgen im Mai 2014 kam es auf einer Kreisstraße in Bayern zu einem berührungslosen Unfall. Ein Traktorfahrer wollte mit seinem Fahrzeug nach links in einem Feldweg einbiegen. In diesem Moment wurde er von einem anderen Fahrzeug überholt. Der Fahrer des Fahrzeugs war vom plötzlichen Abbiegevorgang des Traktorfahrer so überrascht, dass er ein Ausweichmanöver unternahm und dabei mit seinem Fahrzeug gegen einen Baum fuhr. Er klagte aufgrund dessen gegen den Traktorfahrer und dessen Haftpflichtversicherung auf Zahlung von Schadensersatz. Das Landgericht München I wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung des Klägers.
Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Rückschaupflicht
Das Oberlandesgericht München entschied zu Gunsten des Klägers. Ihm stehe ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Der Beklagte hafte für die Unfallfolgen vollumfänglich. Das Sachverständigengutachten habe ergeben, dass der Beklagte gegen seine beim Abbiegen gemäß § 9 Abs. 1 StVO zu beachtenden Pflichten verstoßen habe. Nach Angaben des Sachverständigen hätte der Beklagte das Klägerfahrzeug sehen müssen, wenn er seiner Rückschaupflicht nachgekommen wäre. In diesem Fall hätte der Beklagte von seinem Abbiegevorgang abstand nehmen müssen, so dass es nicht zu dem Ausweichmanöver des Klägers gekommen wäre.
Schwerwiegender Pflichtenverstoß rechtfertigt fehlende Berücksichtigung der Betriebsgefahr
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts sei der Pflichtenverstoß des Beklagten als so schwerwiegend einzustufen, dass ausnahmsweise die bei einem Überholmanöver in der Regel zu berücksichtigende Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs vollständig hinter dem Verschulden des Beklagten zurücktrete. Ein Mitverschulden sei dem Kläger nicht anzulasten, da für ihn nicht erkennbar gewesen sei, dass der Beklagte nach links abbiegen wollte.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.02.2022
Quelle: Oberlandesgericht München, ra-online (vt/rb)
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