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Oberlandesgericht München Urteil22.08.2013

Zurücklassen eines Bauchtuches nach Krebsoperation kann Schmerzendgeld in Höhe von 8.500 EUR rechtfertigenVergessen eines Bauchtuchs stellt einfachen Behand­lungs­fehler dar

Wird bei einer Krebsoperation ein Bauchtuch im Körper der Patientin vergessen, so kann dies ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.500 EUR rechtfertigen, wenn dadurch die Patientin ein halbes Jahr lang über Unwohlsein und Unter­bauch­schmerzen klagt und sich einer weiteren Operation unterziehen muss. Das Vergessen eines Bauchtuches stellt bei Vornahme sämtlicher Kontroll­maß­nahmen einen einfachen Behand­lungs­fehler dar. Dies hat das Oberlan­des­gericht München entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Dezember 2007 wurde bei einer 57-jährigen Krebspatientin eine Operation durchgeführt. Dabei wurde trotz Vornahme aller Kontroll­maß­nahmen ein 45 x 45 cm großes Bauchtuch im rechten kleinen Becken der Patientin vergessen. Die Patientin klagte nachfolgend über Unwohlsein und Unter­bauch­schmerzen. Da der Verdacht eines weiteren Tumors bestand, wurde die Patientin untersucht. In diesem Zusammenhang wurde das zurückgelassene Bauchtuch entdeckt. Im Mai 2008 wurde es schließlich bei einer weiteren Operation entfernt. Die Patientin erhielt aufgrund des Vorfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 EUR. Dies war ihr aber zu wenig. Ihrer Meinung nach seien ihre Ernäh­rungs­stö­rungen durch das vergessene Bauchtuch zurückzuführen gewesen. Zudem sei dadurch ihre Chemotherapie beeinträchtigt worden. Ferner habe sich um das Bauchtuch herum ein Tumor gebildet bzw. dieses habe den Darm "angescheuert". Sie verlangte daher ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 70.000 EUR.

Landgericht wies Schmer­zens­geldklage ab

Das Landgericht München I wies die Klage auf weiteres Schmerzensgeld ab. Zwar habe das Zurücklassen des Bauchtuchs einen einfachen Behandlungsfehler dargestellt. Die bereits gezahlten 6.000 EUR seien als Schmerzensgeld aber ausreichend gewesen. Kausale Folge des Bauchtuches seien nur das Unwohlsein und die Unter­bauch­schmerzen sowie die Folgeoperation gewesen. Die weiteren von der Patientin geschilderten Folgen seien laut Sachver­stän­di­gen­gut­achten nicht auf das Tuch zurückzuführen gewesen. Gegen diese Entscheidung legte die Patientin Berufung ein.

Oberlan­des­gericht bejaht weitergehenden Schmer­zens­geldan­spruch

Das Oberlan­des­gericht München entschied zu Gunsten der Patientin und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Der Patientin habe ein Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld zugestanden.

Vorliegen eines einfachen Behand­lungs­fehlers

Das Oberlan­des­gericht folgte zunächst der Ansicht des Landgerichts, dass in dem Zurücklassen des Bauchtuches ein einfacher Behand­lungs­fehler zu sehen sei. Zwar sei das Bauchtuch von nicht unerheblicher Größe gewesen. Es sei aber auch dem sorgfältigsten Arzt angesichts des Umfangs des Eingriffs, des sehr großen Wundgebietes und den erheblichen Verwachsungen nicht vorzuwerfen, das Tuch im Opera­ti­o­ns­gebiet zu vergessen. Zudem sei das Tuch mit Blut getränkt gewesen und habe sich zusammengezogen, wodurch die Erkennbarkeit erschwert worden sei. Darüber hinaus seien sämtliche Kontroll­maß­nahmen ergriffen worden. Es sei eine viermalige Zählkontrolle im Vier-Augen-Prinzip vorgenommen und das Ergebnis der Zählung in einem von mehreren Personen unterzeichneten Protokoll festgehalten worden. Das Zurücklassen müsse letztlich auf einen Zählfehler zurückzuführen sein. Ein solcher dürfe zwar nicht passieren, er sei aber nicht ganz unverständlich.

Schmer­zens­geldhöhe von insgesamt 8.500 EUR

Nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts haben die erwiesenen Folgen durch das Zurücklassen des Bauchtuches ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 8.500 EUR gerechtfertigt. Abzüglich der bereits außer­ge­richtlich gezahlten 6.000 EUR verblieb somit ein Schmer­zens­geldan­spruch in Höhe von 2.500 EUR. Als erwiesen erachtete das Gericht das Unwohlsein und die Unter­bauch­schmerzen für einen Zeitraum von einem halben Jahr sowie die weitere Operation der Patientin. Zudem sei zu berücksichtigen gewesen, dass durch den Behand­lungs­fehler eine schwer kranke Frau, die ohnehin vielfach schwierige Operationen und Behandlungen mit entsprechenden Folgen habe zu bewältigen müssen, eine überflüssige weitere Operation habe vornehmen lassen müssen. Hinzu sei eine nachvoll­ziehbare erhebliche Verunsicherung und zeitweilige Ungewissheit hinzugekommen, ob es sich bei dem Befund nicht doch um einen weiteren Tumor gehandelt habe.

Quelle: Oberlandesgericht München, ra-online (vt/rb)

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