15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen eine stilisierte Weltkarte mit der Illustration eines Laptops, auf dem ein Paragraphenzeichen prangt.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Köln Urteil14.11.2019

Ausgestaltung des Bewer­tungs­portals Jameda in Teilen unzulässigPlattform gewährte zahlenden Ärzten auf unzulässige Weise verdeckte Vorteile

Das Oberlan­des­ge­richts Köln hat entschieden, dass mehrere frühere bzw. aktuelle Ausgestaltungen der Plattform Jameda unzulässig sind, da Jameda durch die Gestaltung die zulässige Rolle des "neutralen Informations­mittlers" verlässt und den an die Plattform zahlenden Ärzten auf unzulässige Weise "verdeckte Vorteile" gewährt.

Im zugrunde liegenden Fall haben zwei Ärzte erfolgreich das Online-Bewer­tungs­portal Jameda auf Löschung des ohne ihr Einverständnis angelegten Profils verklagt.

Zahlende Ärzte von Jameda bevorzugt

Das Oberlan­des­gericht Köln beanstandete in seiner Entscheidung insbesondere, dass auf dem ohne Einwilligung eingerichteten Profil des Klägers bzw. der Klägerin (sogenannte "Basiskunden") auf eine Liste mit weiteren Ärzten verwiesen wurde, während auf den Profilen der Ärzte, die Beiträge an die Plattform bezahlen (sogenannte "Premium-" oder "Platinkunden"), ein solcher Hinweis unterblieben ist. Unzulässig sei ebenfalls, dass die zahlenden Ärzte in Auflistungen mit Bild dargestellt wurden, während bei den anderen Ärzten nur ein grauer Schattenriss zu sehen ist. Dasselbe gelte für den Verweis auf Fachartikel von zahlenden Ärzten, während auf den Profilen von sogenannten Platinkunden ein solcher Verweis unterbleibt. Schließlich sei auch der Hinweis auf eine Liste mit Ärzten für spezielle Behand­lungs­gebiete unzulässig, der ebenfalls auf den Profilen zahlender Ärzte nicht zu sehen ist.

Plattform darf zahlenden Kunden keine "verdeckten Vorteile" zukommen lassen

Anders als das Landgericht, das in erster Instanz die gesamte Ausgestaltung der Plattform für unzulässig gehalten hatte, hat das Oberlan­des­gericht die verschiedenen Funktionen einer Einzel­fa­ll­be­trachtung unterzogen. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofes sei entscheidend, ob die Plattform ihre grundsätzlich geschützte Position als "neutrale Infor­ma­ti­o­ns­mittlerin" dadurch verlassen habe, dass sie den zahlenden Kunden "verdeckte Vorteile" zukommen lasse. Das sei der Fall, wenn die ohne ihre Einwilligung aufgenommenen Basiskunden auf dem Portal als "Werbeplattform" für Premiumkunden benutzt würden und letzteren durch die Darstellung ein Vorteil gewährt werde, der für die Nutzer nicht erkennbar sei. Dann diene das Portal nicht mehr allein dem Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch zwischen (potentiellen) Patienten. In diesem Fall müssten Ärzte nicht hinnehmen, ohne ihre Einwilligung als Basiskunden aufgeführt zu werden.

Button für "weitere" Ärzte auf Profil von Basiskunden unzulässig

Mit den vorbe­schriebenen Funktionen verlasse das Portal die Funktion als "neutraler Infor­ma­ti­o­ns­mittler". Im Einzelnen: Der mittlerweile abgeschaffte Button, mit dem auf dem Profil der Basiskunden, "weitere" Ärzte in der näheren Umgebung angezeigt worden seien, bei Premiumkunden dagegen nicht, habe den unzutreffenden Eindruck erweckt, die Premiumkunden hätten keine örtliche Konkurrenz. Der bei Basiskunden eingeblendete Button sei als "Absprung­plattform" auf die Profile anderer Ärzte anzusehen. Für die Nutzer sei nicht deutlich gewesen, aus welchem Grund bei einem Basisprofil ein Verweis auf örtliche Konkurrenz eingeblendet worden sei, nicht jedoch bei einem Premiumprofil. Auch wenn die Plattform den Button zwischen­zeitlich abgeschafft habe, könne sie zur Unterlassung verurteilt werden, da Wieder­ho­lungs­gefahr bestehe.

Unter­schiedliche bildliche Darstellung von Basis- und Premiumkunden stellt verdeckten Vorteil dar

Auch die unter­schiedliche bildliche Darstellung zwischen Basis- und Premiumkunden in Auflistungen stelle - anders als bei der bildlichen Darstellung auf den einzelnen Profilen - einen verdeckten Vorteil dar. Dadurch werde ein erhebliches "optisches Gefälle" zwischen Basiskunden und Premiumkunden erzeugt, womit die Plattform im Vorfeld der endgültigen Arztwahl lenkend in den Wettbewerb zwischen den örtlichen Konkurrenten eingreife.

Auch Verweis auf Fachbeiträge anderer Ärzte bei Basiskunden unzulässig

Ebenfalls sei ein unzulässiger verdeckter Vorteil, dass die Nutzer auf dem Profil von Basiskunden auf Fachbeiträge von anderen Ärzten hingewiesen würden, was bei Platin-Kunden unterbleibe. Dies erwecke bei den Nutzern den unzutreffenden Eindruck, Basiskunden wollten oder könnten keine entsprechenden Fachartikel veröffentlichen. Tatsächlich könne diese Funktion aber nur bei Buchung eines Premiumpakets durch den Arzt genutzt werden. Jedenfalls wenn die eingeblendeten Artikel von zahlenden Ärzten stammten, die in einer Entfernung von bis zu 100 km zu nicht zahlenden Ärzten praktizierten, ergebe sich eine mögliche Konkur­renz­si­tuation.

Hinweis auf Ärzte mit speziellen Behand­lungs­ge­bieten des demselben Fachgebiets für Patienten irreführend

Schließlich sei auch der Hinweis auf dem Profil der Basiskunden auf Ärzte mit speziellen Behand­lungs­ge­bieten auf demselben Fachgebiet ein unzulässiger verdeckter Vorteil. Durch den Hyperlink könne beim Nutzer der Eindruck entstehen, dass der Arzt möglicherweise nicht ausreichend qualifiziert sei, weil auf seinem Profil auf weitere Kollegen für das "spezielle" medizinische Fachgebiet verwiesen werde, wohingegen bei Premiumkunden kein Verweis die Patienten dazu animieren könnte, die Suche nach einem möglichst qualifizierten Arzt fortzusetzen.

Bewer­tungs­plattform kann sich nicht auf Medienprivileg der Daten­schutz­grund­ver­ordnung stützen

Rechtlich stützte das Oberlan­des­gericht den Anspruch der Kläger auf Löschung des ohne Einwilligung eingerichteten Profils bzw. auf Unterlassung der konkreten Verlet­zungs­formen jeweils auf §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO. Er hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass die Bewer­tungs­plattform sich nicht auf das sogenannte Medienprivileg der Daten­schutz­grund­ver­ordnung (Art. 85 Abs. 2 DSGVO) stützen kann. Das Geschäftsmodell der Plattform könne nicht als eigene meinungs­bildende Tätigkeit aufgefasst werden, sondern allenfalls als ein Hilfsdienst zur besseren Verbreitung von(Dritt-)Informationen.

Weitere Funktionen nicht zu beanstanden

Andere Funktionen des Portals, wie etwa die Möglichkeit von Premiumkunden, auf dem Profil in größerem Umfang die angebotenen ärztlichen Leistungen anzugeben als bei Basiskunden, hat das Oberlan­des­gericht dagegen nicht beanstandet. Insoweit hat das Gericht auf die erfolgreiche Berufung der Bewer­tungs­plattform die Klagen der beiden Kläger abgewiesen.

Das Oberlan­des­gericht hat die Revision für beide Seiten in beiden Verfahren zugelassen, da die Frage, in welchen Fällen eine Bewer­tungs­plattform die Rolle als "neutrale Infor­ma­ti­o­ns­mittlerin" verlässt, in der höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung bisher nicht vollständig geklärt sei und für eine Vielzahl künftiger Verfahren Bedeutung haben werde. Die Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs vom 20. Februar 2019 habe sich lediglich auf einen Einzelfall der Gestaltung der Bewer­tungs­plattform bezogen.

Quelle: Oberlandesgericht Köln/ra-online (pm/kg)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil28092

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI