23.11.2024
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Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.

Dokument-Nr. 25545

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Urteil20.02.2018BundesgerichtshofVI ZR 30/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2018, 1884Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 1884
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Köln, Urteil13.07.2016, 28 O 7/16
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil05.01.2017, 15 U 198/15
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil20.02.2018

Keine "neutrale" Informations­vermittlung: Jameda muss gegen den Willen einer Ärztin veröf­fent­lichtes Profil löschenBGH zur Speicherung und Übermittlung perso­nen­be­zogener Daten im Rahmen eines Arztsuche- und Arzt­bewertungs­portals im Internet

Der Bundes­ge­richtshof hatte darüber zu entscheiden, ob die Aufnahme perso­nen­be­zogener Daten einer Ärztin gegen deren Willen in ein Bewer­tungs­portal im Internet zulässig ist.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Verfahrens betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Arztsuche- und Arztbe­wer­tungs­portal, auf dem Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe kostenfrei abgerufen werden können. Als eigene Informationen der Beklagten werden die sogenannten "Basisdaten" eines Arztes angeboten. Zu ihnen gehören - soweit der Beklagten bekannt - akademischer Grad, Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten sowie Sprechzeiten und ähnliche praxisbezogene Informationen. Daneben sind Bewertungen abrufbar, die Nutzer in Form eines Notenschemas, aber auch von Freitext­kom­mentaren, abgegeben haben. Die Beklagte bietet den Ärzten den kosten­pflichtigen Abschluss von Verträgen an, bei denen ihr Profil - anders als das Basisprofil der nichtzahlenden Ärzte - mit einem Foto und zusätzlichen Informationen versehen wird. Daneben werden beim Aufruf des Profils eines nichtzahlenden Arztes als "Anzeige" gekennzeichnet die Profilbilder unmittelbarer Konkurrenten gleicher Fachrichtung im örtlichen Umfeld mit Entfer­nungs­angaben und Noten eingeblendet. Demgegenüber blendet die Beklagte bei Ärzten, die sich bei ihr kostenpflichtig registriert und ein "Premium-Paket" gebucht haben, keine Konkurrenten auf deren Profil ein.

Sachverhalt

Die Klägerin ist niedergelassene Dermatologin und Allergologin. Im Portal der Beklagten wird sie als Nichtzahlerin gegen ihren Willen ohne Bild mit ihrem akademischen Grad, ihrem Namen, ihrer Fachrichtung und ihrer Praxisanschrift geführt. Bei Abruf ihres Profils auf dem Portal der Beklagten erscheinen unter der Rubrik "Hautärzte (Dermatologen) (mit Bild) in der Umgebung" weitere (zahlende) Ärzte mit demselben Fachbereich und mit einer Praxis in der Umgebung der Praxis der Klägerin. Dargestellt wird neben der Note des jeweiligen anderen Arztes die jeweilige Distanz zwischen dessen Praxis und der Praxis der Klägerin. Die Klägerin erhielt in der Vergangenheit mehrfach Bewertungen. Sie beanstandete durch ihre früheren Prozess­be­voll­mäch­tigten im Jahr 2015 insgesamt 17 abrufbare Bewertungen auf dem Portal der Beklagten. Nach deren Löschung stieg die Gesamtnote der Klägerin von 4,7 auf 1,5.

Klägerin verlangt Löschung ihres Eintrags

Die Klägerin verlangt mit der vorliegenden Klage von der Beklagten die vollständige Löschung ihres Eintrags in www.jameda.de, die Löschung ihrer auf der Internetseite www.jameda.de veröf­fent­lichten Daten, auf Unterlassung der Veröf­fent­lichung eines sie betreffenden Profils auf der genannten Internetseite sowie Ersatz vorge­richt­licher Rechts­an­walts­kosten.

BGH gibt Klage statt

Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Revision hatte Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof gab der Klage statt. Nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG sind perso­nen­be­zogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Dies war vorliegend der Fall.

Speicherung perso­nen­be­zogener Daten mit Bewertung der Ärzte durch Patienten grundsätzlich zulässig

Der Bundes­ge­richtshof hatte bereits mit Urteil vom 23. September 2014 für das von der Beklagten betriebene Bewertungsportal im Grundsatz entschieden, dass eine Speicherung der perso­nen­be­zogenen Daten mit eine Bewertung der Ärzte durch Patienten zulässig ist.

Beklagte verlässt bei Darstellung unter­schied­licher Profile der Nutzer Stellung als "neutraler" Infor­ma­ti­o­ns­mittler

Der vorliegende Fall unterscheidet sich vom damaligen in einem entscheidenden Punkt. Mit der vorbe­schriebenen, mit dem Bewer­tungs­portal verbundenen Praxis verlässt die Beklagte ihre Stellung als "neutraler" Infor­ma­ti­o­ns­mittler. Während sie bei den nichtzahlenden Ärzten dem ein Arztprofil aufsuchenden Internetnutzer die "Basisdaten" nebst Bewertung des betreffenden Arztes anzeigt und ihm mittels des eingeblendeten Querbalkens "Anzeige" Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten bietet, lässt sie auf dem Profil ihres "Premium"-Kunden - ohne dies dort dem Internetnutzer hinreichend offenzulegen - solche über die örtliche Konkurrenz unterrichtenden werbenden Hinweise nicht zu. Nimmt sich die Beklagte aber in dieser Weise zugunsten ihres Werbeangebots in ihrer Rolle als "neutraler" Infor­ma­ti­o­ns­mittler zurück, dann kann sie ihre auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 EMRK) gestützte Rechtsposition gegenüber dem Recht der Klägerin auf Schutz ihrer perso­nen­be­zogenen Daten (Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) auch nur mit geringerem Gewicht geltend machen. Das führt hier zu einem Überwiegen der Grund­rechts­po­sition der Klägerin, so dass ihr ein "schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung" ihrer Daten (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG) zuzubilligen ist.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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