18.10.2024
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Dokument-Nr. 18882

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Urteil23.09.2014BundesgerichtshofVI ZR 358/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BerlinerAnwBl 2014, 322Zeitschrift: Berliner Anwaltsblatt (BerlinerAnwBl), Jahrgang: 2014, Seite: 322
  • K&R 2014, 802Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2014, Seite: 802
  • MMR 2015, 106Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2015, Seite: 106
  • NJW 2015, 489Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 489
  • ZD 2015, 85Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2015, Seite: 85
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil23.09.2014

Jameda-Urteil: Arzt hat keinen Anspruch auf Löschung seiner Daten aus einem Ärzte­bewertungs­portalRecht des Arztes auf informationelle Selbst­be­stimmung überwiegt nicht Recht des Portalanbieters auf Kommunikations­freiheit

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein Arzt keinen Anspruch darauf hat, mit seinen Daten aus einem Ärzte­bewertungs­portal gelöscht zu werden. Der Bundes­ge­richtshof verwies in seiner Entscheidung darauf, dass das Recht des Arztes auf informationelle Selbst­be­stimmung nicht das Recht des Portalanbieters auf Kommunikations­freiheit überwiegt und dieser somit zur Erhebung, Speicherung und Nutzung sowie nach § 29 Abs. 2 BDSG zur Übermittlung der Daten an die Portalnutzer berechtigt ist. Für den Fall des Missbrauchs des Portals kann der Arzt gegebenenfalls die Löschung unwahrer Tatsachen­behauptungen sowie beleidigender oder sonst unzulässiger Bewertungen verlangen.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist nieder­ge­lassener Gynäkologe. Die Beklagte betreibt ein Portal zur Arztsuche und Arztbewertung. Internetnutzer können dort kostenfrei der Beklagten vorliegende Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe abrufen. Zu den abrufbaren Daten zählen unter anderem Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, Kontaktdaten und Sprechzeiten sowie Bewertungen des Arztes durch Portalnutzer. Die Abgabe einer Bewertung erfordert eine vorherige Registrierung. Hierzu hat der bewer­tungs­willige Nutzer lediglich eine E-Mail-Adresse anzugeben, die im Laufe des Regis­trie­rungs­vorgangs verifiziert wird.

Arzt beruft sich auf allgemeines Persön­lich­keitsrecht und verlangt Löschung seines Profils

Der Kläger ist in dem genannten Portal mit seinem akademischen Grad, seinem Namen, seiner Fachrichtung und der Anschrift seiner Praxis verzeichnet. Nutzer haben ihn im Portal mehrfach bewertet. Gestützt auf sein allgemeines Persön­lich­keitsrecht verlangt er von der Beklagten, es zu unterlassen, die ihn betreffenden Daten - also "Basisdaten" und Bewertungen - auf der genannten Internetseite zu veröffentlichen, und sein Profil vollständig zu löschen.

Anbieter des Bewer­tungs­portals ist zur Erhebung, Speicherung und Nutzung sowie zur Übermittlung der Daten an die Portalnutzer berechtigt

Amts- und Landgericht haben die Klage abgewiesen. Der Bundes­ge­richtshof wies die Revision des Klägers zurück. Das Recht des Klägers auf informationelle Selbst­be­stimmung überwiegt nicht das Recht der Beklagten auf Kommunikationsfreiheit. Die Beklagte ist deshalb nach § 29 Abs. 1 Bundes­da­ten­schutz­gesetz (BDSG) zur Erhebung, Speicherung und Nutzung sowie nach § 29 Abs. 2 BDSG zur Übermittlung der Daten an die Portalnutzer berechtigt. Zwar wird ein Arzt durch seine Aufnahme in ein Bewertungsportal nicht unerheblich belastet. Abgegebene Bewertungen können - neben den Auswirkungen für den sozialen und beruflichen Geltungs­an­spruch des Arztes - die Arztwahl behand­lungs­be­dürftiger Personen beeinflussen, so dass er im Falle negativer Bewertungen wirtschaftliche Nachteile zu gewärtigen hat. Auch besteht eine gewisse Gefahr des Missbrauchs des Portals.

Arzt kann gegebenenfalls Löschung unwahrer Tatsa­chen­be­haup­tungen, beleidigende oder sonst unzulässige Bewertungen verlangen

Auf der anderen Seite war im Rahmen der Abwägung aber zu berücksichtigen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Leistungen vor dem Hintergrund der freien Arztwahl ganz erheblich ist und das von der Beklagten betriebene Portal dazu beitragen kann, einem Patienten die aus seiner Sicht erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Zudem berühren die für den Betrieb des Portals erhobenen, gespeicherten und übermittelten Daten den Arzt nur in seiner so genannten "Sozialsphäre", also in einem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit anderen Personen vollzieht. Hier muss sich der Einzelne auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit sowie auf Kritik einstellen. Missbrauchs­ge­fahren ist der betroffene Arzt nicht schutzlos ausgeliefert, da er von der Beklagten die Löschung unwahrer Tatsa­chen­be­haup­tungen sowie beleidigender oder sonst unzulässiger Bewertungen verlangen kann. Dass Bewertungen anonym abgegeben werden können, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Möglichkeit zur anonymen Nutzung ist dem Internet immanent (vgl. § 13 Abs. 6 Satz 1 des Teleme­di­en­ge­setzes [TMG])

§ 29 BDSG Geschäftsmäßige Datenerhebung und -speicherung zum Zweck der Übermittlung

Erläuterungen
(1) Das geschäftsmäßige Erheben, Speichern, Verändern oder Nutzen perso­nen­be­zogener Daten zum Zweck der Übermittlung, insbesondere wenn dies der Werbung, der Tätigkeit von Auskunfteien oder dem Adresshandel dient, ist zulässig, wenn

1. kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat,

2. die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen dürfte, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung offensichtlich überwiegt, oder

3. [...]

(2) Die Übermittlung im Rahmen der Zwecke nach Absatz 1 ist zulässig, wenn

1. der Dritte, dem die Daten übermittelt werden, ein berechtigtes Interesse an ihrer Kenntnis glaubhaft dargelegt hat und

2. kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat.

[...]

(3) - (7) [...]

§ 13 TMG Pflichten des Diens­tean­bieters

(1) - (5) [...]

(6)Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. [...]

(7) [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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