21.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Hinweisverfügung22.08.2019

Diesel-Abgasskandal: Haftung der Volkswagen AG auch bei Fahrzeugen mit 3, l Motor mit EU5-Norm möglichOLG hält Einholung eines Sach­verständigen­gut­achtens für notwendig

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe hält einen Schadens­ersatz­anspruch für Käufer von Fahrzeugen der Marke Audi mit 3, l Motor (EU5- Norm) wegen einer unzulässigen Abschalt­vor­richtung nicht für ausgeschlossen und hat daher die Einholung eines Sach­verständigen­gut­achtens für diesen Motortyp angekündigt.

Die Kläger der zugrunde liegenden Verfahren - Käufer eines gebrauchten Audi Q5 V6 3, I TDI, 176 kW bzw. eines Audi A 4 3, l TDI, 180 kW - verlangten von der Volkswagen AG Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung in Höhe der bezahlten Kaufpreise gegen Rückgabe der im Jahr 2011 bzw. 2013 erworbenen Fahrzeuge.

Kläger rügen Verstoß gegen die Zulas­sungs­vor­schriften durch Abschalt­vor­richtung

Beide Kläger behaupteten, auch die Motorsteuerung der 3, Liter Motoren ihrer Fahrzeuge sei mit unzulässigen Abschalt­ein­rich­tungen versehen. Dies führe zu einem Verstoß gegen die Zulas­sungs­vor­schriften sowie zu überhöhten Schad­s­tof­f­e­mis­sionen im Straßenverkehr. Ein verpflichtender Rückruf von mit diesen Motoren mit der (streitigen) Bezeichnung EA897 oder EA896 (EU5-Norm) ausgestatteten Fahrzeugen durch das KBA liegt nicht vor. Gleichwohl hatte sich der Hersteller bereit erklärt, die betroffenen Fahrzeuge diesbezüglich durch ein Softwareupdate ab Sommer 2016 zu optimieren.

Vorinstanzen weisen Klage ab

Die Landgerichte Heidelberg und Karlsruhe wiesen die Klagen gegen die Volkswagen AG jeweils ab. Nach Auffassung des Landgerichts Heidelberg sind die Behauptungen des Klägers zum Vorhandensein einer Abschalt­ein­richtung nicht hinreichend konkret, nach Auffassung des Landgerichts Karlsruhe hat der Kläger im dortigen Verfahren nicht nachgewiesen, dass die Volkswagen AG Herstellerin des Motors ist und bei der behaupteten Manipulation beteiligt war.

OLG hält Haftung der Volkswagen AG nicht für ausgeschlossen

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe wies darauf hin, dass eine Haftung der Volkswagen AG in beiden Verfahren in Betracht kommt, auch wenn sie nicht Herstellerin des jeweiligen Fahrzeugs oder Motors ist. Wie das Oberlan­des­gericht bereits in seinem Urteil vom 18. Juli 2019 entschieden hat, können die Tragweite der Entscheidung über den Einsatz einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung in einem Motortyp, der in einer großen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut wird, die Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in den Volks­wa­gen­konzern und den ordnungsgemäßen Ablauf des Geneh­mi­gungs­ver­fahrens sowie die in Kauf genommenen erheblichen Folgen für die Käufer in Form der drohenden Stilllegung der erworbenen Fahrzeuge zur Sitten­wid­rigkeit der Entscheidung der Volkswagen AG im Sinne des § 826 BGB führen.

Einholung eines Sachver­stän­di­gen­gut­achten notwendig

Daher ist in beiden Fällen ein Sachverständigengutachten zu der bestrittenen Behauptung einzuholen, auch der 3, l Motor (EU5-Norm) enthalte eine Software, die den Rollenprüfstand erkennt und in einen optimierten Betriebsmodus schaltet, um so die Grenzwerte dort einzuhalten, der aber im Straßenverkehr nicht aktiv ist.

Zu der Behauptung, die Motor­steu­er­software enthalte eine Abschalt­vor­richtung in Form eines sogenannten Thermofensters, das die Abgas­rü­ck­füh­rungsquote tempe­ra­tu­r­ab­hängig steuere und ebenfalls unzulässig sei, muss nach Auffassung des Senats die Volkswagen AG noch Näheres vortragen. Denn bereits der im Rahmen der Tests der Unter­su­chungs­kom­mission "Volkswagen" des Bundes­mi­nis­teriums für Verkehr und digitale Infrastruktur ermittelte Stickoxidwert dieses Motors war im Straßenverkehr knapp 6,2-fach überhöht, was für ein differenziertes Abgasmanagement spricht. Zudem hat auch diese Kommission bereits Zweifel an der Zulässigkeit des von der Volkswagen AG nicht in Abrede gestellten Thermofensters geäußert.

VW muss Zulässigkeit einer Abschalt­ein­richtung in Form eines Thermofensters aus Gründen des Motorschutzes nachweisen können

Deshalb geht das Oberlan­des­gericht in den vorliegenden Fällen von einer Abschalt­ein­richtung in Form eines Thermofensters aus. Dass eine solche Einrichtung ausnahmsweise aus Gründen des Motorschutzes zulässig ist, muss nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts durch die Volkswagen AG dargelegt und bewiesen werden. Da es für die weitere Beurteilung auf die konkrete Ausgestaltung des Thermofensters ankommt, hat die Volkswagen AG daher detailliert darzulegen, in welchen Tempe­ra­tur­be­reichen die Abgas­rü­ck­führung in welcher Weise angepasst wird. Sodann ist gegebenenfalls zu der Behauptung, diese Ausgestaltung sei zum Motorschutz notwendig und dieser nicht anders sicherzustellen, ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten einzuholen. Sofern das Thermofenster unzulässig sein sollte, kann dann anhand dessen konkreter Ausgestaltung festgestellt werden, ob es sich um einen bloßen Irrtum über die Zulässigkeit gehandelt hat oder um ein vorsätzliches Erschleichen der EU-Typen­ge­neh­migung, das gegebenenfalls bei entsprechendem Wissen der Entschei­dungs­träger zu einer Haftung nach § 826 BGB führen kann.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online (pm/kg)

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