23.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil18.07.2019

Diesel-Abgasskandal: Volkswagen AG wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung schadens­ersatz­pflichtigKaufver­tragliche Ansprüche gegen Händler jedoch bereits verjährt

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe hat entschieden, dass die Volkswagen AG der Käuferin eines vom sogenannten Diesel-Abgasskandal betroffenen Skoda Octavia Combi, 2, l TDI Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung zahlen muss. Eine Rückabwicklung des Kaufvertrages erklärte das Gericht jedoch für unmöglich, da der Nach­erfüllungs­anspruch aus dem Kaufvertrag gegen den Händler bereits verjährt war.

Im Verfahren 17 U 160/18 verlangte die Klägerin vom beklagten Autohaus unter Anrechnung einer Nutzungs­ent­schä­digung Zahlung von 31.268 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe des im am 16. September 2011 erworbenen Skoda Octavia Combi, 2, l TDI (verbauter Motor EA189). Gegenüber der Volkswagen AG begehrte sie die Feststellung der Schaden­s­er­satz­pflicht.

OLG bejaht sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung durch Volkswagen AG

Das Landgericht Baden-Baden wies die Klage gegen das Autohaus wegen Verjährung ab und gab der gegen die Volkswagen AG gerichteten Feststel­lungsklage aus §§ 826, 31 BGB statt. Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe wies die Berufungen beider Parteien zurück. Die Volkswagen AG hafte der Klägerin wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB. Der Kläger hatte behauptet, die Leitungsebene der AG habe zum Zwecke der Kostensenkung und Gewinn­ma­xi­mierung die Strate­gie­ent­scheidung getroffen, die EG-Typen­ge­neh­migung für alle mit der Motor­steu­e­rungs­software ausgestatteten Kfz ihrer Konzern­ge­sell­schaften von den dafür zuständigen Ertei­lungs­be­hörden zu erschleichen. Diese Behauptung sei der Entscheidung zugrunde zu legen, da sie von der Volkswagen AG mit der Einschränkung bestritten wurde, dass nach dem aktuellen Ermitt­lungsstand der nicht näher erläuterten internen Ermittlungen keine Erkenntnisse über eine Beteiligung oder Kenntnis von Vorstands­mit­gliedern vorlägen. Ein derart eingeschränktes Bestreiten sei prozessual nicht zulässig, nachdem seit Bekanntwerden des Abgasskandals mittlerweile mehr als dreieinhalb Jahre vergangen sind.

Erhebliche Folgen für Käufer in Form drohender Stilllegung erworbener Fahrzeuge wurden sittenwidrig in Kauf genommen

Zwar sei allein ein Handeln mit Gewinnstreben nicht als verwerflich zu beurteilen. Allerdings führe die Tragweite der Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalt­ein­richtung in einem Motortyp, der in einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut wird, die Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in den Volks­wa­gen­konzern und den ordnungsgemäßen Ablauf des Geneh­mi­gungs­ver­fahrens sowie die in Kauf genommenen erheblichen Folgen für die Käufer in Form der drohenden Stilllegung der erworbenen Fahrzeuge zur Sittenwidrigkeit der Entscheidung der Volkswagen AG im Sinne des § 826 BGB. Durch dieses vorsätzliche und sittenwidrige Vorgehen sei der Klägerin ein Schaden entstanden, der im Abschluss des Kaufvertrages an sich liege.

Nacher­fül­lungs­an­spruch aus Kaufvertrag gegen den Händler verjährt

Soweit die Klägerin mit ihrer Klage gegen den Händler, die Rückabwicklung des Kaufvertrages anstrebte, wies das Oberlan­des­gericht die Berufung der Klägerin zurück. Der erklärte Rücktritt sei unwirksam, weil der Nacher­fül­lungs­an­spruch aus Kaufvertrag gegen den Händler verjährt sei. Da die zweijährige Verjäh­rungsfrist des § 438 Abs. 1 Satz 3 BGB gemäß § 438 Abs. 2 BGB mit der Übergabe des Fahrzeuges - und damit mit Ablauf des 9. März 2012 - begann, ende sie mit Ablauf des 9. März 2014 und somit sowohl vor dem im Dezember 2015 erklärten Rücktritt als auch vor der Klage­ein­reichung im Dezember 2016. Die Erhebung der Verjäh­rungs­einrede durch den Händler sei nicht rechts­miss­bräuchlich. Die Fahrzeug­ma­ni­pu­lation sei dem Händler nicht bekannt gewesen, eine Täuschung durch den Hersteller könne dem Händler nicht zugerechnet werden.

Rücktritt vom Kaufvertrag in weiterem Verfahren ebenfalls aufgrund verjährten Anspruchs auf Nacherfüllung verneint

In einem weiteren Urteil hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe ebenfalls die Klagabweisung wegen Verjährung bei einer auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichteten Klage gegen den Händler bestätigt (17 U 204/18). In diesem Verfahren verlangt der Kläger vom beklagten Autohaus unter Anrechnung einer Nutzungs­ent­schä­digung auf den Kaufpreis Zahlung von 40.329,21 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe des im Februar 2013 erworbenen Audi Q3, 2,0l TDI, quattro (verbauter Motor EA189). Auch in diesem Verfahren ist der mit Schreiben vom 20. November 2017 erklärte Rücktritt gemäß §§ 438 Abs. 4 Satz 1, 218 BGB unwirksam, weil der Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB verjährt ist und das beklagte Autohaus sich hierauf zulässigerweise beruft. Der Händler handelt durch Erhebung der Einrede der Verjährung auch nicht deshalb rechts­miss­bräuchlich, weil die VW AG im Dezember 2015 bis zum 31. Dezember 2017 auf die Erhebung der Verjäh­rungs­einrede im Hinblick auf etwaige (auch bereits verjährte) Ansprüche, die im Zusammenhang mit der in Fahrzeugen mit Motortyp EA 189 eingebauten Software bestehen, verzichtet hat. Das beklagte Autohaus und die Volkswagen AG sind rechtlich selbständig. Eine Erklärung der Volkswagen AG wirkt daher nicht für den Händler.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online (pm/kg)

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