21.11.2024
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Landgericht Koblenz Urteil27.02.2019

VW-Abgasskandal: Fahrzeugkäufer hat Anspruch auf SchadensersatzAuch Kreditkosten und vorgerichtliche Rechts­an­walts­kosten müssen erstattet werden

Das Landgericht Koblenz hat entschieden, dass dem Käufer eines VW Tiguan VW Tiguan Sport & Style BM Tech. 2, l TDI, der mit der vom Dieselskandal betroffenen unzulässigen Abschal­t­au­tomatik ausgerüsteten ist, ein Anspruch auf Erstattung des gezahlten Kaufpreises zzgl. Zinsen gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges zusteht. Zudem sind auch die für die Finanzierung des Fahrzeugs angefallenen Kreditkosten sowie aufgewandte vorgerichtliche Rechts­an­walts­kosten zu erstatten.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls erwarb im November 2013 bei einem Autohaus einen VW Tiguan Sport & Style BM Tech. 2, l TDI für einen Kaufpreis von 32.027,30 Euro. Das Fahrzeug verfügt über einen Dieselmotor des Typs EA 189, der mit einer Software ausgestattet ist, die bei standa­r­di­sierten Test- und Prüfungs­si­tua­tionen in einen sogenannten Abgas­rü­ck­füh­rungsmodus 1 schaltet, wodurch es zu einem geringeren Emissi­ons­ausstoß kommt. Im normalen Straßenverkehr ist der Abgas­rü­ck­füh­rungsmodus aktiv. Die gesetzlich vorge­schriebenen Emissi­ons­grenzwerte hält das Fahrzeug lediglich in Modus 1 ein.

Kläger verlangt Schadensersatz und Ersatz von Rechts­an­walts­kosten

Der Kläger begehrte Schadenersatz in Höhe des vollen Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeuges sowie Erstattung der Kosten, die er für die Finanzierung des Fahrzeuges aufgewandt hatte. Des Weiteren verlangte der Kläger Ersatz der Kosten, die er für die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwaltes zur Durchsetzung seiner Interessen aufgewandt hatte. Der Kläger berief sich darauf, dass die Typen­ge­neh­migung basierend auf der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 für dieses Fahrzeug nicht hätte erteilt werden dürfen. Auch hätte er das Fahrzeug in Kenntnis der Sachlage nicht gekauft. Das Fahrzeug leide unter einem erheblichen Wertverlust. Zudem sei zu erwarten, dass es durch das Aufspielen des von der Beklagten angebotenen Software-Updates zu einem höheren Verbrauch und einem Leistungs­verlust komme. Auch sei mit einer geringeren Lebensdauer des Rußpar­ti­kel­filters sowie des Motors selbst zu rechnen.

Beklagte verneint Wertminderung

Die Beklagte wandte ein, dass die Typen­ge­neh­migung wirksam erteilt sei. Auch sei durch das Software-Update nicht mit negativen Auswirkungen auf den Verbrauch, die Leistung oder die Lebensdauer der einzelnen Bauteile zu rechnen. Schließlich seien die Gebraucht­wa­gen­preise ungeachtet der vorliegenden Dieseldebatte stabil geblieben, sodass auch keine Wertminderung vorliege.

LG gibt Klage statt

Das Landgerichts Koblenz gab der Klage dem Grunde nach in vollem Umfang statt. Nach den Feststellungen des Gerichtes sei das Fahrzeug mit einer nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unzulässigen Abschalt­ein­richtung ausgestattet. Bereits hierdurch sei der Kläger geschädigt, da der erworbene Pkw von den Erwartungen des Klägers als Erwerber abweiche. Auch habe der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass er das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn er von dieser Softwa­re­pro­gram­mierung des Motors Kenntnis gehabt hätte.

Gericht verweist auf übersteigertes Gewinnstreben von VW

Hierfür haftet die VW-AG zur Überzeugung des Gerichtes nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Das Gericht führte zu Begründung aus, dass sich die im Rahmen des § 826 BGB geforderte besondere Verwerflichkeit des Verhaltens aus dem Umstand begründe, dass die Beklagte als größter Fahrzeug­her­steller und -Exporteur Deutschlands diese für potentielle Fahrzeugkäufer aufgrund der bezeichneten Erwägungen höchst relevanten rechtswidrigen Motor­ma­ni­pu­la­tionen in einer Vielzahl von Fällen vorgenommen und verschwiegen habe. Hierin zeige sich ein übersteigertes Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden. Denn Ziel der Manipulation könne es nur gewesen sein, Wettbe­wer­bs­vorteile in Gestalt weiterer Abschlüsse von Kaufverträgen zu generieren, welche bei Offenlegung der tatsächlichen Gegebenheiten nicht abgeschlossen worden wären.

Der Schaden­s­er­satz­an­spruch des Klägers sei darauf gerichtet, so gestellt zu werden, als hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Danach habe die Beklagte gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges den gezahlten Kaufpreis zzgl. Zinsen zu erstatten. Hiervon in Abzug zu bringen sei aber ein Anspruch auf Nutzungsersatz. Die Höhe dieses Nutzungs­er­satzes ist nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung des Gerichts festzusetzen. Hier hat das Gericht einen Nutzungsersatz in Höhe von 12.084,54 Euro angerechnet bei einer erfolgten Laufleistung des Fahrzeuges von 94.330 km und einer geschätzten Gesamt­lauf­leistung von 250.000 km.

Auch Kreditkosten und vorgerichtliche Rechts­an­walts­kosten sind ersatzfähig

Ersatzfähig sind auch die angefallenen Kreditkosten in Höhe von 2.654,50 €. Diese stehen nach den Feststellungen des Gerichts in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrages. Nicht ersichtlich ist nach den weiteren Feststellungen des Gerichtes, dass der Kläger hierdurch einen anderweitigen finanziellen Vorteil erhalten habe, der anzurechnen wäre. Erstat­tungsfähig als weiterer Teil des Schaden­s­er­satzes nach § 826 BGB sind schließlich auch die von dem Kläger aufgewandten vorge­richt­lichen Rechtsanwaltskosten.

Allerdings muss der Kläger nach § 92 ZPO einen Teil der Verfah­rens­kosten selbst tragen, da er mit seiner Klage eine vollständige Rückzahlung des ursprünglichen Kaufpreises begehrte, hiervon aber wie ausgeführt der Nutzungsersatz in Abzug zu bringen war.

Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB):

§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Auszug aus der Zivil­pro­zess­ordnung (ZPO)

§ 92 Abs. 1 Satz 1

Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen.

§ 287 Abs. 1 Satz 1

Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein sich ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung.

Quelle: Landgericht Koblenz/ra-online (pm)

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