21.11.2024
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Oberlandesgericht Koblenz Urteil12.06.2019

"Diesel-Abgasskandal": VW schuldet Käufer eines Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalt­vor­richtung SchadensersatzKäufer muss sich jedoch Nutzungsvorteil anrechnen lassen

Die Volkswagen AG ist dem Käufer eines Fahrzeugs, dessen Motor mit einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung ausgerüstet ist, wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadensersatz verpflichtet. Der Käufer hat aber durch die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs einen geldwerten Vorteil erlangt, um den sein Anspruch zu kürzen ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Koblenz hervor.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger im Januar 2014 einen Pkw der Marke VW, Modell Sharan, als Gebraucht­fahrzeug (Erstzulassung 12.7.2012) gekauft. In dem Fahrzeug war ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 eingebaut, der nach Auffassung des Kraft­fahrt­bun­desamtes über eine unzulässige Abschalt­vor­richtung verfügte. Der Kläger nahm die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugs und Motors auf Schadensersatz in Anspruch. Er trug vor, dass er den Pkw nicht gekauft hätte, wenn er vom Einbau der unzulässigen Software gewusst hätte. Er habe geglaubt, umweltbewusst zu handeln. Daher verlangte er in der Hauptsache die Erstattung des von ihm gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Der Kläger stützte seinen Anspruch unter anderem darauf, dass die Beklagte die Käufer mit dem Ziel der Gewinn­ma­xi­mierung bewusst getäuscht und in der Folge vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe (§ 826 BGB).

Das Landgericht folgte dieser Argumentation nicht und wies die Klage ab. Eine Haftung aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wurde ausdrücklich verneint.

OLG bejaht vorsätzliche sittenwidrige Schädigung

Gerade das bewertete das Oberlan­des­gericht Koblenz anders und bejahte einen Anspruch des Klägers aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Die Beklagte habe dadurch, dass sie das Fahrzeug unter bewusstem Verschweigen der unzulässigen Softwa­re­pro­gram­mierung in Verkehr gebracht habe, dem Käufer der Wahrheit zuwider vorgespiegelt, dass der Einsatz des Fahrzeuges im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig sei. Das Inver­kehr­bringen trage die Aussage in sich, dass der Pkw nicht nur fahren könne, sondern auch fahren dürfe. Tatsächlich bestehe jedoch durch die verwendete Steue­rungs­software die Gefahr der Betrie­bs­un­ter­sagung und Fahrzeug­still­legung. Die Täuschung hierüber wirke auch beim Gebraucht­wa­genkauf fort, da auch bei diesem unter anderem die Herstel­ler­angaben Grundlage der Kaufent­scheidung seien. Das Vorgehen der Beklagten sei auch sittenwidrig, das heißt mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar und besonders verwerflich. Insoweit wirke sich aus, dass staatliche Behörden, Wettbewerber und Endverbraucher in großer Zahl systematisch zur Profit­ma­xi­mierung getäuscht worden seien. Das Bestreben des Käufers, durch den Kauf eines möglichst umwelt­scho­nenden Produkts einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, sei durch eine gezielte Täuschung unterlaufen worden. Angesichts der großen Zahl der manipulierten Fahrzeuge halte es der Senat auch für ausgeschlossen, dass Mitarbeiter der Beklagten in leitender Stellung (zumindest der Leiter der Entwick­lungs­ab­teilung) keine Kenntnis von den Manipulationen hatten.

Kaufvertrag aufgrund einer Täuschung geschlossen

Diese Kenntnis müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Dem Kläger sei auch durch die Täuschung ein Schaden entstanden, da er, beeinflusst durch die Täuschung, den Kaufvertrag geschlossen habe und somit eine "ungewollte" Verbindlichkeit eingegangen sei. Seine Erwartungen seien enttäuscht worden. Zudem stelle die drohende Stilllegung des Fahrzeugs einen Schaden dar, da die unein­ge­schränkte Nutzung des Fahrzeuges hierdurch in Frage gestellt sei.

Kläger muss sich geldwerten Vorteil anrechnen lassen

Obwohl das Oberlan­des­gericht dem Kläger somit einen Schaden­s­er­satz­an­spruch zugestanden hat, hatte die Berufung nicht in vollem Umfang Erfolg. Denn der Kläger müsse sich den durch die tatsächliche Nutzung des Fahrzeuges gezogenen geldwerten Vorteil anrechnen lassen, so die Richter. Das Oberlan­des­gericht kürzte daher den von der Beklagten zu erstattenden Kaufpreis um diesen Betrag. Dabei ging das Gericht von einer durch­schnitt­lichen Laufleistung des Motors von 300.000 Kilometer aus.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz/ra-online (pm/kg)

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