Der Kläger des zugrunde liegenden Falls, von Beruf Bauschlosser und Lagerarbeiter, beantragte im Januar 2001 bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Auf die Gesundheitsfrage im Antragsformular, ob er in den letzten 10 Jahren an Krankheiten, gesundheitlichen Störungen oder Beschwerden gelitten habe oder leide, antwortete er mit "Nein". Auf die Frage nach Arztbesuchen gab er für den Januar 2001 "Angina" und den Arzt an. Bei der Frage nach Arzneimitteln in den letzten 12 Monaten gab er die Einnahme eines Antibiotikums über 4 Tage an.
Tatsächlich war der Kläger in dem nachgefragten Zeitraum arbeitsunfähig. Im Jahr 1994 waren es vier Tage wegen Schulterbeschwerden und wegen eines Überlastungssyndroms und drei Tage wegen Konjunktivitis, 1996 waren es 13 Tage wegen einer Hämorrhoidalthrombose, 1997 insgesamt acht Tage wegen Lumbago, 1998 war der Mann 34 Tage wegen einer Analthrombose mit einer Öffnung und einem ambulanten Schnitt arbeitsunfähig und 1999 26 Tage wegen einer Perianalvenenthrombose mit späterer Perforation, eines Perianalekzems und Hämorrhoiden.
Die Berufsunfähigkeitsversicherung wurde antragsgemäß policiert. 2011 hat der Kläger bei der Beklagten Leistungen wegen Berufsunfähigkeit unter Hinweis auf "Rückenprobleme (Bandscheibe)" beantragt. Bei ihren Erkundigungen erfuhr die Beklagte von den Erkrankungen des Klägers vor Antragstellung und der Arbeitsunfähigkeit und hat deshalb die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Anfechtung nicht wirksam sei, er habe sich nicht mehr an die zur Arbeitsunfähigkeit führenden Vorerkrankungen erinnert, außerdem sei ihm nicht klar gewesen, dass diese hätten angegeben werden müssen. Rückenschmerzen würden von medizinischen Laien nicht als Krankheiten angesehen.
Die Klage auf Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente von ca. 900 Euro hat das Landgericht abgewiesen, weil der Kläger die Berufsunfähigkeitsversicherung mittels eines Betruges erlangt habe. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zum Oberlandesgericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg.
Das Gericht führte aus, dass der Kläger keine Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung beanspruchen könne, weil die Anfechtung der Beklagten wirksam war. Von einem arglistigen Verhalten sei schon auszugehen, wenn der Täuschende weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unzutreffende Angaben macht, und dass dadurch bei dem Empfänger seiner Erklärung eine falsche Vorstellung entstehen und diese ihn zu einer Erklärung veranlasse, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben haben würde. Arglist erfasse nicht nur ein Handeln, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines "Fürmöglichhaltens" reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein müsse. Arglistig täusche damit nur derjenige, dem bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen auch bewusst sei, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Vertragsangebotes zu beeinflussen. Das Verschweigen von Umständen, deren Gefahrerheblichkeit auch aus Sicht des Versicherungsnehmers auf der Hand liege, also das Verschweigen schwerer oder chronischer Erkrankungen, rechtfertige grundsätzlich die Annahme einer Täuschung.
Hat der Versicherungsnehmer gewisse Umstände, auch Untersuchungen, stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die verschwiegenen angegeben, so folge daraus, dass er sich der Gefahrerheblichkeit tatsächlich bewusst war und das Schweigen daher auf Arglist schließen lasse, so das Gericht. Das gelte auch, wenn länger zurückliegende, nicht aber aktuelle Krankheiten angegeben werden.
Im vorliegenden Fall habe der Kläger die Gesundheitsfragen objektiv falsch beantwortet. Er hatte über die offenbarte Angina hinaus im nachgefragten Zeitraum Beschwerden in weiteren Bereichen und ist deswegen auch behandelt worden. Hinsichtlich der Bindehautentzündung, die fast 7 Jahre zurücklag, erscheine die Einlassung des Klägers, dass er diese für unerheblich gehalten habe, noch verständlich. Für die Schulter- und Rückenbeschwerden sei nach Auffassung des Gerichts ein Grund für die Nichtangabe nicht nachvollziehbar dargelegt. Der Kläger mag die Beschwerden für sich genommen nicht für sehr bedeutsam und für eine Folge berufsbedingter Überlastung angesehen haben; bei mehrfachem Auftreten hätte sich ihm aber die Erkenntnis aufdrängen müssen, dass derartig überlastungsbedingte Beschwerden für den Versicherer erheblich sind. Für seine Arglist spreche aber in erster Linie, dass der Kläger die Thromboseerkrankungen verschwiegen habe, bei denen zweimal eine längere Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist und die bei Antragstellung noch nicht sehr lange zurücklagen. Nachvollziehbare Gründe für das Verschweigen habe der Kläger nicht genannt. Die Beklagte hätte bei Kenntnis der arglistig verschwiegenen Umstände den Versicherungsantrag nicht angenommen.
Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 25.02.2013
Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online