18.10.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil05.02.2013

Keine Leistungen aus der Berufs­unfähigkeits­versicherung bei falsch beantworteten Gesund­heits­fragenFalsche Angaben über Krankheiten und Arbeits­unfähigkeits­zeiten können als arglistiger Täuschung gewertet werden

Macht ein Versi­che­rungs­nehmer im Antragsformular einer Berufs­unfähigkeits­versicherung falsche Angaben über Krankheiten und Arbeits­unfähigkeits­zeiten, kann Versicherer den Ver­sicherungs­vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Karlsruhe.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls, von Beruf Bauschlosser und Lagerarbeiter, beantragte im Januar 2001 bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Auf die Gesund­heitsfrage im Antragsformular, ob er in den letzten 10 Jahren an Krankheiten, gesund­heit­lichen Störungen oder Beschwerden gelitten habe oder leide, antwortete er mit "Nein". Auf die Frage nach Arztbesuchen gab er für den Januar 2001 "Angina" und den Arzt an. Bei der Frage nach Arzneimitteln in den letzten 12 Monaten gab er die Einnahme eines Antibiotikums über 4 Tage an.

Kläger war jahrelang über längere Zeiträume arbeitsunfähig

Tatsächlich war der Kläger in dem nachgefragten Zeitraum arbeitsunfähig. Im Jahr 1994 waren es vier Tage wegen Schul­ter­be­schwerden und wegen eines Überlas­tungs­syndroms und drei Tage wegen Konjunktivitis, 1996 waren es 13 Tage wegen einer Hämor­rhoi­dal­thrombose, 1997 insgesamt acht Tage wegen Lumbago, 1998 war der Mann 34 Tage wegen einer Analthrombose mit einer Öffnung und einem ambulanten Schnitt arbeitsunfähig und 1999 26 Tage wegen einer Peria­na­l­ven­en­thrombose mit späterer Perforation, eines Perianalekzems und Hämorrhoiden.

Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­cherung erklärt Anfechtung des Versi­che­rungs­ver­trages wegen arglistiger Täuschung

Die Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­cherung wurde antragsgemäß policiert. 2011 hat der Kläger bei der Beklagten Leistungen wegen Berufs­un­fä­higkeit unter Hinweis auf "Rückenprobleme (Bandscheibe)" beantragt. Bei ihren Erkundigungen erfuhr die Beklagte von den Erkrankungen des Klägers vor Antragstellung und der Arbeits­un­fä­higkeit und hat deshalb die Anfechtung des Versi­che­rungs­ver­trages wegen arglistiger Täuschung erklärt.

Kläger konnte sich angeblich nicht mehr an frühere Zeiten der Arbeits­un­fä­higkeit erinnern

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Anfechtung nicht wirksam sei, er habe sich nicht mehr an die zur Arbeits­un­fä­higkeit führenden Vorerkrankungen erinnert, außerdem sei ihm nicht klar gewesen, dass diese hätten angegeben werden müssen. Rückenschmerzen würden von medizinischen Laien nicht als Krankheiten angesehen.

LG: Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­cherung wurde mittels Betruges erlangt

Die Klage auf Zahlung einer monatlichen Berufs­un­fä­hig­keitsrente von ca. 900 Euro hat das Landgericht abgewiesen, weil der Kläger die Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­cherung mittels eines Betruges erlangt habe. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg.

Verschweigen schwerer oder chronischer Erkrankungen rechtfertigt grundsätzlich Annahme einer Täuschung

Das Gericht führte aus, dass der Kläger keine Leistungen aus der Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­cherung beanspruchen könne, weil die Anfechtung der Beklagten wirksam war. Von einem arglistigen Verhalten sei schon auszugehen, wenn der Täuschende weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unzutreffende Angaben macht, und dass dadurch bei dem Empfänger seiner Erklärung eine falsche Vorstellung entstehen und diese ihn zu einer Erklärung veranlasse, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben haben würde. Arglist erfasse nicht nur ein Handeln, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhal­tens­weisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines "Fürmög­lich­haltens" reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein müsse. Arglistig täusche damit nur derjenige, dem bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesund­heits­zustand oder früheren Behandlungen auch bewusst sei, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Vertrags­an­gebotes zu beeinflussen. Das Verschweigen von Umständen, deren Gefah­rer­heb­lichkeit auch aus Sicht des Versi­che­rungs­nehmers auf der Hand liege, also das Verschweigen schwerer oder chronischer Erkrankungen, rechtfertige grundsätzlich die Annahme einer Täuschung.

Hat der Versi­che­rungs­nehmer gewisse Umstände, auch Untersuchungen, stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die verschwiegenen angegeben, so folge daraus, dass er sich der Gefah­rer­heb­lichkeit tatsächlich bewusst war und das Schweigen daher auf Arglist schließen lasse, so das Gericht. Das gelte auch, wenn länger zurückliegende, nicht aber aktuelle Krankheiten angegeben werden.

Kläger kann keine nachvoll­ziehbaren Gründe für Verschweigen der Krankheiten nennen

Im vorliegenden Fall habe der Kläger die Gesund­heits­fragen objektiv falsch beantwortet. Er hatte über die offenbarte Angina hinaus im nachgefragten Zeitraum Beschwerden in weiteren Bereichen und ist deswegen auch behandelt worden. Hinsichtlich der Binde­haut­ent­zündung, die fast 7 Jahre zurücklag, erscheine die Einlassung des Klägers, dass er diese für unerheblich gehalten habe, noch verständlich. Für die Schulter- und Rücken­be­schwerden sei nach Auffassung des Gerichts ein Grund für die Nichtangabe nicht nachvollziehbar dargelegt. Der Kläger mag die Beschwerden für sich genommen nicht für sehr bedeutsam und für eine Folge berufsbedingter Überlastung angesehen haben; bei mehrfachem Auftreten hätte sich ihm aber die Erkenntnis aufdrängen müssen, dass derartig überlas­tungs­be­dingte Beschwerden für den Versicherer erheblich sind. Für seine Arglist spreche aber in erster Linie, dass der Kläger die Throm­bo­seer­kran­kungen verschwiegen habe, bei denen zweimal eine längere Arbeits­un­fä­higkeit eingetreten ist und die bei Antragstellung noch nicht sehr lange zurücklagen. Nachvoll­ziehbare Gründe für das Verschweigen habe der Kläger nicht genannt. Die Beklagte hätte bei Kenntnis der arglistig verschwiegenen Umstände den Versi­che­rungs­antrag nicht angenommen.

§ 123 Abs. 1 BGB - Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung:

Erläuterungen
Wer zur Abgabe einer Willen­s­er­klärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

§ 22 VVG - Arglistige Täuschung:

Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online

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