21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 15990

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Urteil21.12.2012Oberlandesgericht Hamm9 U 38/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • IMR 2013, 273Zeitschrift: Immobilien- und Mietrecht (IMR), Jahrgang: 2013, Seite: 273
  • MDR 2013, 593Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 593
  • NJW 2013, 1375Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 1375
  • NZM 2013, 358Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Jahrgang: 2013, Seite: 358
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Vorinstanz:
  • Landgericht Bochum, Urteil02.01.2012, 8 O 49/11
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Hamm Urteil21.12.2012

Sturz durch Glatteis: Mangelnde Organisation der Streu- und Räumpflicht begründet Haftung des VermietersBei erkennbarer Glätte besteht aber Pflicht zur Aufmerksamkeit

Beruht der Sturz eines Fußgängers wegen Glatteis auf der mangelnden Organisation der Streu- und Räumpflicht des Vermieters, so haftet er für die Schadensfolgen. Ist aber die Glätte erkennbar, so besteht die Pflicht zur Aufmerksamkeit. Beachtet der Fußgänger diese nicht, so liegt ein Mitverschulden an dem Sturz vor. Dies hat das Oberlan­des­gericht Hamm entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall verlangte eine 70 jährige Mieterin von ihren Vermietern Zahlung von Schmerzensgeld und Schadenersatz aufgrund eines Glätteunfalls. Im Dezember 2009 gegen 9.40 Uhr stürzte sie auf den stellenweise stark vereisten und schneebedeckten Weg vor dem Wohnhaus und erlitt einen Oberschen­kel­halsbruch rechts. Die Vermieter erkannten eine Zahlungspflicht nicht an. Sie behaupteten der Winterdienst sei gegen 8:45 durchgeführt worden. Somit seien sie ihrer Verkehrssicherungspflicht nachgekommen. Zumindest aber sei der Mieterin ein Mitverschulden anzulasten, da ihr die Witte­rungs­ver­hältnisse bekannt waren. Das Landgericht Bochum gab der Mieterin recht und sprach ihr neben dem Schadenersatz ein Schmerzensgeld von 10.000 € zu. Dagegen richtete sich die Berufung der Vermieter.

Anspruch auf Schmerzensgeld aufgrund Glatteisunfalls bestand

Das Oberlan­des­gericht Hamm entschied gegen die Vermieter. Der Mieterin habe ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld zugestanden, da die Vermieter ihrer Räum- und Streupflicht am Unfalltag nicht ordnungsgemäß nachgekommen seien. Die Vermieter haben dadurch die ihnen als Eigentümer des Wohnhauses obliegende Verkehrs­si­che­rungs­pflicht verletzt.

Winterdienst wurde nicht ordnungsgemäß durchgeführt

Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts habe die Beweisaufnahme gezeigt, dass der Winterdienst nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Soweit tatsächlich geräumt oder gestreut wurde, sei der Sturz der Mieterin entweder auf den Einsatz von zu wenig Streumittel zurückzuführen oder darauf, dass dieser Bereich nicht gestreut wurde. Dabei sei auch zu beachten gewesen, dass es sich um einen Weg handelte, der zu einem Wohnhaus mit elf Parteien führte. Daher sei mit einem Fußgän­ger­verkehr von erheblichem Umfang zu rechnen gewesen. Zu beachten sei weiterhin, dass es sich nicht um eine Verletzung der sogenannten Nachstreu­pflicht gehandelt habe. Vielmehr sei die Pflicht zur ordnungsgemäßen Durchführung des erstmaligen Streuens nicht erfüllt worden.

Keine wirksame Überwälzung der Räum- und Streupflicht

Eine wirksame Überwälzung der Räum- und Streupflicht habe nach Auffassung des Gerichts nicht vorgelegen. Eine solche Delegation setze voraus, dass die Übertragung klar und eindeutig vereinbart wird. Nur so könne eine Gefährdung zuverlässig ausgeschlossen werden. Erst dann beschränke sich die Verkehrs­si­che­rungs­pflicht des Vermieters allein auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht, die sich darauf erstreckt, ob die vertraglich übernommenen Siche­rungs­maß­nahmen auch tatsächlich ausgeführt werden (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2008 - VI ZR 126/07 = NJW 2008, 1440). An einer solchen klaren und eindeutigen Vereinbarung habe es gefehlt. Denn weder habe eine mietver­tragliche Regelung bestanden noch sei die Winterdienstpflicht auf die Hausverwaltung übertragen worden.

Haftung selbst bei wirksamer Übertragung angesichts Überwa­chungs­pflich­ten­ver­letzung

Aus Sicht der Richter haben die Vermieter selbst bei Annahme einer wirksamen Übertragung der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht für die Unfallfolgen haften müssen. Denn die Vermieter seien ihrer Pflicht zur Überwachung der Räum- und Streumaßnahmen nicht nachgekommen. Hilfspersonen und Beauftragte müssen sorgfältig ausgewählt, gründlich über die Art des Streuens angewiesen und überwacht werden. Diesen Verpflichtungen seien die Vermieter durch die Beauftragung der Hausverwaltung nicht ausreichend nachgekommen (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.1984 - VI ZR 49/83).

Mieterin traf Mitverschulden an Unfall

Angesichts dessen das die Mieterin selbst vorgetragen habe, dass sie die bestehende Glätte erkannte, sei ihr ein Mitverschulden an den Unfallfolgen anzulasten gewesen. Kommt nämlich ein Passant auf einem erkennbar nicht geräumten oder abgestumpften Weg zu Fall, so spreche das für eine mangelnde Aufmerksamkeit. Die Mitver­schul­den­squote bemaß das Gericht mit 1/3, da die unzureichende Organisation des Winterdienstes schwerer gewogen habe.

Schmerzensgeld war entsprechend des Mitverschuldens zu kürzen

Das Oberlan­des­gericht kürzte entsprechend des Mitver­schul­de­n­anteils der Mieterin das Schmerzensgeld auf 7.000 €. Bei der Berechnung der Schmer­zens­geldhöhe sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Mieterin einen Oberschen­kel­halsbruch erlitten hatte und sie deswegen operiert werden musste. Dies wiederum führte dazu, dass sie etwa 14 Tage stationär behandelt werden und sich anschließend einer 20-tägigen Rehabi­li­ta­ti­o­ns­maßnahme unterziehen musste. Weiterhin kam es zu einem Dauerschaden, die die Beweglichkeit und Belastbarkeit einschränkte. Zudem litt sie unter Schmerzen.

Zeitliche Grenzen der Räum- und Streupflicht

Der Unfall habe nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts in einer Zeit stattgefunden, in der die Räum- und Streupflicht bestand. Beginn und Ende der Winter­dienst­pflicht bestimme sich zum einen nach dem Einsetzen bzw. dem Ende der Gefährdung durch Glatteis. Zum anderen komme es auf die übliche Zeit des Verkehrs an. Dies sei in der Regel um 7 Uhr, an Sonn- und Feiertagen um 9 Uhr der Fall. Sie ende etwa 20 Uhr.

Streupflicht gilt nicht unbegrenzt

Das Gericht betonte aber, dass die Streupflicht nicht unbegrenzt gilt. Neben den zeitlichen Grenzen der Streupflicht bestehen auch Grenzen im Umfang. So seien etwa die Wege nicht so zu bestreuen, dass ein Fußgänger überhaupt nicht mehr ausgleiten kann. Vielmehr müsse der Weg nur derart bestreut werden, dass er von den Passanten bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt ohne Gefahr benutzt werden kann. Zudem müsse eine allgemeine Glätte vorliegen, die über das Vorhandensein einzelner Glättestellen hinausgeht (BGH, Urt. v. 12.06.2012 - VI ZR 138/11).

Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)

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