Verklagt war im konkreten Fall eine Gemeinde in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin und Vermieterin eines Mietshauses. Eine Hausfrau war auf dem spiegelglatten Zugangsweg gestürzt und hatte sich einen doppelten Knöchelbruch zugezogen. Weil sich die Gemeinde nach Meinung der Richter nicht genügend um die Verkehrssicherheit des Weges gekümmert hatte, verurteilt sie das Gericht zu 13.020 DM Schadensersatz. Außerdem muß die Kommune 2/3 aller künftigen Aufwendungen ersetzen, die aus dem Unfall noch entstehen werden.
Die beklagte Gemeinde hatte sich auf den Standpunkt gestellt, sie habe alles Zumutbare getan, um ihrer Verkehrssicherungspflicht nachzukommen. Zwar habe sie den Winterdienst nicht mit eigenen Mitarbeitern wahrgenommen. Sie habe damit jedoch einen zuverlässigen und fachkundigen Privatunternehmer betraut, und zwar schon seit 25 Jahren. In dieser langen Zeit habe der Mann seine Aufgaben zur vollen Zufriedenheit erfüllt. Auch am Unglückstag habe er den Winterdienst ordnungsgemäß durchgeführt und den Weg sorgfältig geräumt. Wenn die Hausfrau gleichwohl ausgerutscht und hingefallen sei, dann ganz überwiegend aus eigener Unachtsamkeit.
Die Richter des Oberlandesgericht Nürnberg waren anderer Meinung. Ihnen genügte es nicht, daß der Unternehmer den Zugangsweg nur geräumt hatte. Nach ihrer Auffassung hätte er ihn zumindest tagsüber zusätzlich noch streuen müssen, zum Beispiel mit Splitt. Das hatte er jedenfalls am fraglichen Nachmittag versäumt.
Die Nachlässigkeit ihres Helfers muß sich die Gemeinde als eigenes Verschulden zurechnen lassen. Zwar stand es ihr wie jedem Hauseigentümer oder Vermieter frei, sich zur Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflicht eines Dritten zu bedienen. Sie mußte dann aber - etwa durch stichprobenartige Kontrollen - sicherstellen, daß dieser seinen Aufgaben gewissenhaft nachkommt (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1984 - VI ZR 125/83 -). Daran fehlte es hier. Zumindest konnte die Gemeinde eine ausreichende Überwachung nicht nachweisen. Diesen Entlastungsbeweis hätte die Gemeinde führen müssen, um sich von ihrer eigenen Haftung freizustellen. Der Unternehmer selbst hatte angegeben, die Gemeinde habe ihm bei der Entscheidung, wie und wie oft zu streuen sei, völlig freie Hand gelassen.
In einem Punkt gaben die Richter der Gemeinde allerdings recht: Auch die Hausfrau trage eine gehörige Mitschuld an ihrem Unfall. Freilich nicht die überwiegende Schuld, wie die Kommune meinte, sondern allenfalls ein Drittel. Folgerichtig braucht die verurteilte Gemeinde nicht den gesamten Unfallschaden zu ersetzen, sondern nur zwei Drittel.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.03.2005
Quelle: ra-online, OLG Nürnberg