21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 10637

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Urteil02.10.1984BundesgerichtshofVI ZR 125/83
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 1985, 311Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 1985, Seite: 311
  • NJW 1985, 270Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1985, Seite: 270
  • VersR 1984, 1190Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 1984, Seite: 1190
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil02.10.1984

Streupflicht und Uhrzeit: Laut BGH besteht Räum- und Streupflicht bis 20.00 Uhr - bei Publi­kums­verkehr auch längerVermieter kann Räum- und Streupflicht auch stillschweigend auf den Mieter übertragen

Im Urteil vom 2. Oktober 1984 hat der Bundes­ge­richtshof zwei wesentliche Fragen zur Räum- und Streupflicht geklärt. Danach besteht zum einen die Räum- und Streupflicht nicht rund um die Uhr, sondern nur bis 20.00 Uhr. Sie kann aber auch darüber hinaus bestehen, wenn noch Publi­kums­verkehr stattfindet. Zweitens kann der Vermieter die Räum- und Streupflicht auch stillschweigend auf den Mieter übertragen. So übernimmt z.B. der Pächter einer Gaststätte stillschweigend, also ohne ausdrückliche Vereinbarung, die Verkehrs­si­che­rungs­pflicht für das gepachtete Terrain.

Im zugrunde liegenden Fall war ein Mann eines Abends im Januar 1981 gegen 22.40 Uhr auf der Außentreppe eines Gebäu­de­kom­plexes infolge von Eisglätte gestürzt. Er kam aus einem in dem Gebäude befindlichen Restaurant. Der Gebäudekomplex gehörte einer Gemeinde. Neben einem Restaurant war dort auch das Schwimmbad der Gemeinde untergebracht. Die Außentreppe diente sowohl dem Restaurant als Zu- und Abgang, wie auch dem Schwimmbad. Der Mann verklagte die Gemeinde auf Schadensersatz. Die Gemeinde habe die Streupflicht verletzt, meinte er.

Gemeinde verweigert Schadensersatz für Sturz

Die Gemeinde wies jede Schuld von sich. Der Kläger sei auf dem von oben gesehen linken Teil der Treppe gestürzt. Dieser sei aber - wie stets im Winter - durch eine Fähnchenleine gesperrt gewesen, weil nur der rechte Teil der Treppe von Eis und Schnee freigehalten und gestreut werde. Der Kläger habe den Unfall daher selbst zu verantworten, weil er den gesperrten Teil der Treppe benutzt habe.

BGH: Keine Haftung der Gemeinde als Betreiberin des Schwimmbades

Der Bundes­ge­richtshof führte aus, dass eine Haftung der Gemeinde als Betreiberin des Schwimmbades nicht in Betracht komme. Die Gemeinde treffe zu der "vorgerückten Abendstunde" (22.40 Uhr) keine Verkehrs­si­che­rungs­pflicht mehr.

BGH: Streupflicht im Allgemeinen bis 20.00 Uhr

Eine solche Pflicht der Gemeinde folge nicht bereits aus der Eröffnung des Schwimm­b­ad­verkehrs und ihrer daraus folgenden Streupflicht. Der Eröffner einer Gefahrenquelle, wie sie eine Außentreppe bei Glatteis darstelle, sei nicht "rund um die Uhr" streupflichtig. Vielmehr sei die Streupflicht auf den Umstand begrenzt, was "billige Rücksicht nach der Verkehr­s­auf­fassung" gebiete (BGH, Urt. v. 11.04.1978 - VI ZR 259/76 - und BGH, Urt. v. 26.09.1978 - VI ZR 150/77 -). Der Umfang der Anforderungen bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls. So beginne beispielsweise bei Straßen und Parkplätzen die Streupflicht im Allgemeinen am Morgen mit dem Einsetzen des Verkehrs und ende am Abend etwa um 20.00 Uhr (BGH, Urt. v. 22.11.1965 - III ZR 32/65 - und BGH, Urt. v. 04.10.1983 - VI ZR 98/82).

BGH: Streupflicht kann bei Publi­kums­verkehr auch nach 20.00 Uhr bestehen

Die Pflicht könne sich aber auch auf späte Abendstunden erstrecken, wenn zu dieser Zeit noch ein Publi­kums­verkehr bestehe. So seien beispielsweise Gastwirte zu erhöhten Sicher­heits­maß­nahmen verpflichtet. Auch die Gemeinde als Betreiberin des Schwimmbades, das erst um 21.00 Uhr geschlossen wurde, war über die normalerweise mit 20.00 Uhr anzusetzende Beendigung der Streupflicht hinaus siche­rungs­pflichtig. Allerdings nicht mehr um 22.40 Uhr führte der BGH aus, weil hier im Fall die Verkehrs­si­che­rungs­pflicht gegen 22.00 Uhr ende. Da das Schwimmbad um 21.00 Uhr schloss, war selbst unter Berück­sich­tigung einer gewissen Verweildauer der letzten Besucher, die sich noch duschen und anziehen mussten, jedenfalls nach 22.00 Uhr nicht mehr mit Personen zu rechnen, die das Schwimmbad verlassen würden.

BGH zur Haftung der Gemeinde als Eigentümerin des Gebäudes

Der Bundes­ge­richtshof beschäftigte sich dann mit der Frage, inwieweit die Gemeinde als Eigentümerin des Gebäudes verkehrs­si­che­rungs­pflichtig war. Grundsätzlich bleibe der Gebäu­de­ei­gentümer neben dem Pächter oder Mieter für den gefahrlosen Zugang zu dem Gebäude dem Publi­kums­verkehr gegenüber verkehrs­si­che­rungs­pflichtig, führte der BGH aus.

Eigentümer kann Verkehrs­si­che­rungs­pflicht auf Mieter übertragen - aber nicht vollständig

In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass der Gebäu­de­ei­gentümer die Verkehrs­si­che­rungs­pflicht nicht vollständig auf den Mieter oder Pächter delegieren könne (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1961 - VI ZR 108/61 -). Beim Eigentümer verbleibe zumindest eine Überwa­chungs­pflicht, damit sichergestellt werde, dass der Mieter oder Pächter die ihm übertragenen Obliegenheiten ordnungsgemäß erfüllt. Dabei dürfe der Eigentümer in Grenzen allerdings darauf vertrauen, dass der Mieter oder Pächter, wenn er diesem die Verkehrs­si­che­rungs­pflicht überträgt, der Pflicht auch nachkommt solange nicht konkrete Anhaltspunkte hervortreten, die dieses Vertrauen erschüttern lassen.

Verkehrs­si­che­rungs­pflicht wurde übertragen

Der Bundes­ge­richtshof führte im Weiteren aus, dass die Gemeinde im Rahmen des Pachtvertrages dem Pächter der Gastwirtschaft die Verkehrs­si­che­rungs­pflicht übertragen hatte. Es sei davon auszugehen dass der Pächter mit der Pacht des Gaststät­ten­be­triebes stillschweigend die Pflicht übernommen hatte, auch für die Verkehrs­si­che­rungs­pflicht der Zugänge der Gastwirtschaft mit zu sorgen und die Allein­ver­ant­wortung zu übernehmen, soweit besondere Siche­rungs­maß­nahmen in Bezug auf die Gaststät­ten­be­sucher erforderlich würden. Dies treffe auch für die Sicherung der Eingangstreppe gegen Glatt­eis­ge­fahren jedenfalls in der Nachtzeit zu, für die eine Streupflicht allein wegen der Besucher der Gaststätte bestand.

Sturz auf linkem Teil der Treppe

Grundsätzlich sei es möglich den linken Teil der Treppe aus dem Winterdienst herauszunehmen und zu sperren statt auf ihm zu streuen, damit keine Unfallgefahren erwachsen, führte der BGH aus. Allerdings blieb für den Bundes­ge­richtshof hier die Frage offen, inwieweit die Gemeinde dies kontrolliert hatte. Er verwies daher die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungs­gericht zurück.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/pt)

der Leitsatz

BGB § 823

a) Zur zeitlichen Abgrenzung der Streupflicht in den Abendstunden für die Zugänge zu einem Gebäude, zu dem der Betreiber eines Schwimmbades und der Pächter eines Restaurants einen Publi­kums­verkehr eröffnet haben.

b) Zur Haftung des Gebäu­de­ei­gen­tümers neben dem Pächter oder Mieter für die Sicherung einer Außentreppe bei Glatteis.

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