Im zugrunde liegenden Fall war ein Mann eines Abends im Januar 1981 gegen 22.40 Uhr auf der Außentreppe eines Gebäudekomplexes infolge von Eisglätte gestürzt. Er kam aus einem in dem Gebäude befindlichen Restaurant. Der Gebäudekomplex gehörte einer Gemeinde. Neben einem Restaurant war dort auch das Schwimmbad der Gemeinde untergebracht. Die Außentreppe diente sowohl dem Restaurant als Zu- und Abgang, wie auch dem Schwimmbad. Der Mann verklagte die Gemeinde auf Schadensersatz. Die Gemeinde habe die Streupflicht verletzt, meinte er.
Die Gemeinde wies jede Schuld von sich. Der Kläger sei auf dem von oben gesehen linken Teil der Treppe gestürzt. Dieser sei aber - wie stets im Winter - durch eine Fähnchenleine gesperrt gewesen, weil nur der rechte Teil der Treppe von Eis und Schnee freigehalten und gestreut werde. Der Kläger habe den Unfall daher selbst zu verantworten, weil er den gesperrten Teil der Treppe benutzt habe.
Der Bundesgerichtshof führte aus, dass eine Haftung der Gemeinde als Betreiberin des Schwimmbades nicht in Betracht komme. Die Gemeinde treffe zu der "vorgerückten Abendstunde" (22.40 Uhr) keine Verkehrssicherungspflicht mehr.
Eine solche Pflicht der Gemeinde folge nicht bereits aus der Eröffnung des Schwimmbadverkehrs und ihrer daraus folgenden Streupflicht. Der Eröffner einer Gefahrenquelle, wie sie eine Außentreppe bei Glatteis darstelle, sei nicht "rund um die Uhr" streupflichtig. Vielmehr sei die Streupflicht auf den Umstand begrenzt, was "billige Rücksicht nach der Verkehrsauffassung" gebiete (BGH, Urt. v. 11.04.1978 - VI ZR 259/76 - und BGH, Urt. v. 26.09.1978 - VI ZR 150/77 -). Der Umfang der Anforderungen bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls. So beginne beispielsweise bei Straßen und Parkplätzen die Streupflicht im Allgemeinen am Morgen mit dem Einsetzen des Verkehrs und ende am Abend etwa um 20.00 Uhr (BGH, Urt. v. 22.11.1965 - III ZR 32/65 - und BGH, Urt. v. 04.10.1983 - VI ZR 98/82).
Die Pflicht könne sich aber auch auf späte Abendstunden erstrecken, wenn zu dieser Zeit noch ein Publikumsverkehr bestehe. So seien beispielsweise Gastwirte zu erhöhten Sicherheitsmaßnahmen verpflichtet. Auch die Gemeinde als Betreiberin des Schwimmbades, das erst um 21.00 Uhr geschlossen wurde, war über die normalerweise mit 20.00 Uhr anzusetzende Beendigung der Streupflicht hinaus sicherungspflichtig. Allerdings nicht mehr um 22.40 Uhr führte der BGH aus, weil hier im Fall die Verkehrssicherungspflicht gegen 22.00 Uhr ende. Da das Schwimmbad um 21.00 Uhr schloss, war selbst unter Berücksichtigung einer gewissen Verweildauer der letzten Besucher, die sich noch duschen und anziehen mussten, jedenfalls nach 22.00 Uhr nicht mehr mit Personen zu rechnen, die das Schwimmbad verlassen würden.
Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich dann mit der Frage, inwieweit die Gemeinde als Eigentümerin des Gebäudes verkehrssicherungspflichtig war. Grundsätzlich bleibe der Gebäudeeigentümer neben dem Pächter oder Mieter für den gefahrlosen Zugang zu dem Gebäude dem Publikumsverkehr gegenüber verkehrssicherungspflichtig, führte der BGH aus.
In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass der Gebäudeeigentümer die Verkehrssicherungspflicht nicht vollständig auf den Mieter oder Pächter delegieren könne (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1961 - VI ZR 108/61 -). Beim Eigentümer verbleibe zumindest eine Überwachungspflicht, damit sichergestellt werde, dass der Mieter oder Pächter die ihm übertragenen Obliegenheiten ordnungsgemäß erfüllt. Dabei dürfe der Eigentümer in Grenzen allerdings darauf vertrauen, dass der Mieter oder Pächter, wenn er diesem die Verkehrssicherungspflicht überträgt, der Pflicht auch nachkommt solange nicht konkrete Anhaltspunkte hervortreten, die dieses Vertrauen erschüttern lassen.
Der Bundesgerichtshof führte im Weiteren aus, dass die Gemeinde im Rahmen des Pachtvertrages dem Pächter der Gastwirtschaft die Verkehrssicherungspflicht übertragen hatte. Es sei davon auszugehen dass der Pächter mit der Pacht des Gaststättenbetriebes stillschweigend die Pflicht übernommen hatte, auch für die Verkehrssicherungspflicht der Zugänge der Gastwirtschaft mit zu sorgen und die Alleinverantwortung zu übernehmen, soweit besondere Sicherungsmaßnahmen in Bezug auf die Gaststättenbesucher erforderlich würden. Dies treffe auch für die Sicherung der Eingangstreppe gegen Glatteisgefahren jedenfalls in der Nachtzeit zu, für die eine Streupflicht allein wegen der Besucher der Gaststätte bestand.
Grundsätzlich sei es möglich den linken Teil der Treppe aus dem Winterdienst herauszunehmen und zu sperren statt auf ihm zu streuen, damit keine Unfallgefahren erwachsen, führte der BGH aus. Allerdings blieb für den Bundesgerichtshof hier die Frage offen, inwieweit die Gemeinde dies kontrolliert hatte. Er verwies daher die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurück.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.11.2009
Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/pt)