18.10.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil16.01.2015

Betreiber einer Fotovol­taik­anlage hat bei Reduzierung der Einspeisung von Strom wegen Netzüberlastung Anspruch auf Entschädigungs­leistungenOberlan­des­gericht Hamm konkretisiert Entschädigungs­an­spruch aus § 12 Abs. 1 EEG (2012)

Der Netzbetreiber hat den Betreiber einer Fotovol­taik­anlage gem. § 12 Abs. 1 Energie­einspeisungs­gesetz (EEG) - in der im Jahre 2012 geltenden Fassung - auch dann zu entschädigen, wenn der Betreiber seine Anlage zur Vermeidung der Gefahr von Netzengpässen drosseln muss. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Münster.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls betreibt seit dem Jahre 2012 eine Fotovol­taik­anlage in Borken. Die Beklagte ist der öffentliche Netzbetreiber des örtlichen Stromnetzes. Ihr Einverständnis zur Einspeisung des in der Fotovol­taik­anlage des Klägers erzeugten Stroms erklärte die Beklagte im Juni 2012 "unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Überspan­nungs­ab­schaltung". Im November 2012 speiste die Fotovol­taik­anlage erstmals Strom in das öffentliche Netz ein. Ab den Wintermonaten 2012/2013 kam es zu regelmäßigen Überspan­nungs­ab­schal­tungen durch einen Schutzschalter, der beim Überschreiten eines zulässigen Spannungswertes im öffentlichen Netz die klägerische Anlage ausschaltet. Der Kläger ist der Auffassung, durch die Abschaltungen bis August 2013 einen Ertragsverlust in Höhe von ca. 15.000 Euro erlitten zu haben, den die Beklagte zu ersetzen habe.

Kläger steht geltend gemachter Entschä­di­gungs­an­spruch dem Grunde nach zu

Der erstin­sta­nz­lichen Entscheidung des Landgerichts folgend hat das Oberlan­des­gericht Hamm die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Rechtsstreit ist nun im Betrags­ver­fahren vor dem Landgericht Münster fortzuführen. Dem Grunde nach stehe dem Kläger, so das Oberlan­des­gericht, der geltend gemachte Entschä­di­gungs­an­spruch gem. § 12 Abs. 1 EEG (2012) zu. Die Vorschrift verpflichte den Netzbetreiber, Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien zu entschädigen, wenn die Einspeisung von Strom aus der Anlage wegen eines Netzengpasses reduziert worden sei.

Netzbetreiber veranlasst Drosselung der Fotovol­taik­anlage

Ein Netzengpass liege vor, wenn das Netz nicht in der Lage sei, die einspeise- oder entnahmeseitig gewünschten Energieflüsse zu führen. Das sei im Fall des Klägers geschehen. Der Kläger habe keinen oder weniger Strom ins Netz einspeisen können, weil die Beklagte die Drosselung der Fotovol­taik­anlage veranlasst habe. Hierfür seien auch Netzengpässe verantwortlich gewesen. Die klägerische Anlage sei nach einem Überschreiten des von der Beklagten errechneten Spannungs­schwell­wertes, also aufgrund einer Netzüberlastung, gedrosselt worden.

Netzbetreiber kann sich Pflicht zur Zahlung von Entschädigungen nicht durch einseitige vertragliche Regelungen entziehen

Bereits dieser Umstand begründe den Entschä­di­gungs­an­spruch. Insoweit komme es nicht darauf an, ob die Beklagte bezogen auf den Netzver­knüp­fungspunkt, an dem die Anlage angeschlossen sei, zu einem Netzausbau verpflichtet sei. Dem Anspruch stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte bereits vor dem Anschluss der Fotovol­taik­anlage darauf hingewiesen habe, dass die Netzkapazität am Netzver­knüp­fungspunkt begrenzt sein könne. Nach dem EEG 2012 könne sich die Beklagte der gesetzlichen Verpflichtung zur Zahlung von Entschädigungen nach § 12 Abs. 1 EEG (2012) nicht durch einseitige Hinweise oder vertragliche Regelungen entziehen.

Anmerkung

Erläuterungen

Die bis zum 31.07.2014 geltende Regelung des § 12 EEG Abs. 1 (2012) lautete im ersten Satz wie folgt:

Wird die Einspeisung von Strom aus Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, Grubengas oder Kraft-Wärme-Kopplung wegen eines Netzengpasses im Sinne von § 11 Absatz 1 reduziert, sind die von der Maßnahme betroffenen Betreiberinnen und Betreiber abweichend von § 13 Absatz 4 des Energie­wirt­schafts­ge­setzes für 95 Prozent der entgangenen Einnahmen zuzüglich der zusätzlichen Aufwendungen und abzüglich der ersparten Aufwendungen zu entschädigen.

Seit dem 01.08.2014 gilt die anders gefasste Entschä­di­gungsregel des § 13 Abs. 1 EEG (2014). Sie lautet:

Verletzt der Netzbetreiber seine Pflicht aus § 12 Absatz 1, können Einspei­se­willige Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verlangen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Netzbetreiber die Pflicht­ver­letzung nicht zu vertreten hat.

§ 12 Abs. 1 EEG (2014) lautet im ersten Satz wie folgt:

Netzbetreiber müssen auf Verlangen der Einspei­se­willigen unverzüglich ihre Netze entsprechend dem Stand der Technik optimieren, verstärken und ausbauen, um die Abnahme, Übertragung und Verteilung des Stroms aus erneuerbaren Energien oder Grubengas sicherzustellen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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