Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls betreibt seit dem Jahre 2012 eine Fotovoltaikanlage in Borken. Die Beklagte ist der öffentliche Netzbetreiber des örtlichen Stromnetzes. Ihr Einverständnis zur Einspeisung des in der Fotovoltaikanlage des Klägers erzeugten Stroms erklärte die Beklagte im Juni 2012 "unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Überspannungsabschaltung". Im November 2012 speiste die Fotovoltaikanlage erstmals Strom in das öffentliche Netz ein. Ab den Wintermonaten 2012/2013 kam es zu regelmäßigen Überspannungsabschaltungen durch einen Schutzschalter, der beim Überschreiten eines zulässigen Spannungswertes im öffentlichen Netz die klägerische Anlage ausschaltet. Der Kläger ist der Auffassung, durch die Abschaltungen bis August 2013 einen Ertragsverlust in Höhe von ca. 15.000 Euro erlitten zu haben, den die Beklagte zu ersetzen habe.
Der erstinstanzlichen Entscheidung des Landgerichts folgend hat das Oberlandesgericht Hamm die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Rechtsstreit ist nun im Betragsverfahren vor dem Landgericht Münster fortzuführen. Dem Grunde nach stehe dem Kläger, so das Oberlandesgericht, der geltend gemachte Entschädigungsanspruch gem. § 12 Abs. 1 EEG (2012) zu. Die Vorschrift verpflichte den Netzbetreiber, Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien zu entschädigen, wenn die Einspeisung von Strom aus der Anlage wegen eines Netzengpasses reduziert worden sei.
Ein Netzengpass liege vor, wenn das Netz nicht in der Lage sei, die einspeise- oder entnahmeseitig gewünschten Energieflüsse zu führen. Das sei im Fall des Klägers geschehen. Der Kläger habe keinen oder weniger Strom ins Netz einspeisen können, weil die Beklagte die Drosselung der Fotovoltaikanlage veranlasst habe. Hierfür seien auch Netzengpässe verantwortlich gewesen. Die klägerische Anlage sei nach einem Überschreiten des von der Beklagten errechneten Spannungsschwellwertes, also aufgrund einer Netzüberlastung, gedrosselt worden.
Bereits dieser Umstand begründe den Entschädigungsanspruch. Insoweit komme es nicht darauf an, ob die Beklagte bezogen auf den Netzverknüpfungspunkt, an dem die Anlage angeschlossen sei, zu einem Netzausbau verpflichtet sei. Dem Anspruch stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte bereits vor dem Anschluss der Fotovoltaikanlage darauf hingewiesen habe, dass die Netzkapazität am Netzverknüpfungspunkt begrenzt sein könne. Nach dem EEG 2012 könne sich die Beklagte der gesetzlichen Verpflichtung zur Zahlung von Entschädigungen nach § 12 Abs. 1 EEG (2012) nicht durch einseitige Hinweise oder vertragliche Regelungen entziehen.
Wird die Einspeisung von Strom aus Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, Grubengas oder Kraft-Wärme-Kopplung wegen eines Netzengpasses im Sinne von § 11 Absatz 1 reduziert, sind die von der Maßnahme betroffenen Betreiberinnen und Betreiber abweichend von § 13 Absatz 4 des Energiewirtschaftsgesetzes für 95 Prozent der entgangenen Einnahmen zuzüglich der zusätzlichen Aufwendungen und abzüglich der ersparten Aufwendungen zu entschädigen.
Verletzt der Netzbetreiber seine Pflicht aus § 12 Absatz 1, können Einspeisewillige Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verlangen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Netzbetreiber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
Netzbetreiber müssen auf Verlangen der Einspeisewilligen unverzüglich ihre Netze entsprechend dem Stand der Technik optimieren, verstärken und ausbauen, um die Abnahme, Übertragung und Verteilung des Stroms aus erneuerbaren Energien oder Grubengas sicherzustellen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.03.2015
Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online