21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss03.04.2016

Unverschuldeter Verlust des Briefkasten­schlüssels stellt keine Entschuldigung für Fristversäumnis darBetroffener muss sich baldmöglichst erneut Zugang zum Briefkasten verschaffen

Wer es versäumt, gegen eine per Post zugestellte Gerichts­entscheidung rechtzeitig Beschwerde einzulegen, weil er diese seinem Briefkasten nicht rechtzeitig entnimmt, ist dann nicht entschuldigt, wenn ihm der Briefkasten­schlüssel zwar unverschuldet abhanden gekommen ist, das Fristversäumnis aber auch darauf beruht, dass er es danach unterlassen hat, sich baldmöglichst erneut Zugang zum Briefkasten zu verschaffen. Das entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Paderborn.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der jetzt 24 Jahre alte Betroffene aus Bad Driburg wurde im Oktober 2014 in erster Instanz vom Amtsgericht Brakel und zweiter Instanz vom Landgericht Paderborn wegen gefährlicher Körper­ver­letzung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Während der dreijährigen Bewährungszeit verstieß er durch unerlaubtes Handeltreiben und den unerlaubten Besitz von Betäu­bungs­mitteln erneut gegen strafrechtliche Verbote und erhielt hierfür vom Amtsgericht Höxter eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. In Anschluss an die erneute Verurteilung widerrief das Amtsgericht Brakel die Bewährung der im Jahr 2014 verhängten zehnmonatigen Freiheitstrafe. Gegen den ihm Anfang Dezember durch Einwurf in den Briefkasten zugestellten Wider­ruf­be­schluss hat der Betroffene erst nach Ablauf der einwöchigen Rechts­mit­telfrist sofortige Beschwerde erhoben. Sein Fristversäumnis hat er damit entschuldigt, dass seine Ehefrau, im Besitz des einzigen Brief­kas­ten­sch­lüssels, wenige Tage vor dem Einwurf des Wider­ruf­be­schlusses die gemeinsame Wohnung nach einer Ausein­an­der­setzung unter Mitnahme des besagten Brief­kas­ten­sch­lüssels verlassen und erst nach Fristablauf zurückgekehrt sei, so dass er, der Betroffene, in dieser Zeit keinen Zugang zum Briefkasten gehabt habe. Das Landgericht Paderborn ist von einer schuldhaft versäumten Beschwerdefrist ausgegangen, hat das Wieder­ein­set­zungs­gesuch zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde deswegen als unzulässig verworfen. Gegen den Beschluss des Landgerichts hat der Betroffene dann wiederum - dieses Mal fristgerecht - (sofortige) Beschwerde eingelegt.

Fristversäumnis nicht ausreichend entschuldigt

Auch nach der Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm hat der Betroffene sein Fristversäumnis nicht ausreichend entschuldigt. Deswegen sei die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen die Zurückweisung des Wieder­ein­set­zungs­gesuchs durch das Landgericht unbegründet.

Der Betroffene habe zwar glaubhaft gemacht, dass seine Ehefrau im Besitz des einzigen Brief­kas­ten­sch­lüssels gewesen sei, diesen nach einer Ausein­an­der­setzung Anfang Dezember 2015 mitgenommen habe, so dass der Betroffene mangels Brief­kas­ten­sch­lüssels für ca. elf Tage keinen Zugang zum Inhalt des Briefkasten gehabt habe. Sein Fristversäumnis sei dennoch verschuldet. Derjenige, der den Zugang zu seinem Briefkasten unverschuldet verliere, müsse sich danach um einen baldmöglichsten erneuten Zugang bemühen. Unterlasse er dies, handele er jedenfalls hinsichtlich einer versäumten Frist schuldhaft, die er hätte einhalten können, wenn er umgehend Maßnahmen ergriffen hätte, um an den Inhalt seines Briefkastens zu kommen. Im vorliegenden Fall sei nicht erkennbar, dass der Betroffene irgendwelche Anstrengungen unternommen habe, um sich Zugang zum Inhalt des Briefkastens zu verschaffen. Er habe z.B. weder seine Ehefrau um den Schlüssel gebeten, noch versucht, den Briefkasten mit Hilfe eines Schlüs­sel­dienstes öffnen zu lassen. Bei entsprechenden Anstrengungen hätte er sich rechtzeitig vor dem Ablauf der Rechts­mit­telfrist Zugang zum Inhalt des Briefkastens und damit Kenntnis vom zugestellten Wider­ruf­be­schluss verschaffen können.

Hintergrund

Wer sich gegen gerichtliche Entscheidungen beschweren will, muss häufig Fristen einhalten. Wird die Frist versäumt, ist die Entscheidung rechtskräftig und nicht mehr zu ändern. Regelmäßig beginnen die Fristen mit der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung und müssen so beachtet werden, dass die Beschwer­de­schrift vor dem Ablauf der Frist beim Gericht eingeht. Wird die Frist unverschuldet versäumt, kann - soweit das Gesetz das zulässt - Wieder­ein­setzung in den vorigen Stand bewilligt werden. Dann ist das Fristversäumnis entschuldigt. Was heißt in diesem Zusammenhang unverschuldet? Sieht es mir das Gesetz nach, wenn ich mal was vergesse? Mit dieser Fragestellung haben sich die Gerichte häufig zu befassen. Außerdem: Ein unverschuldetes Versäumnis muss der Säumige nachvollziehbar vortragen und häufig auch nachweisen. Auch das sollte der Rechtsuchende beachten.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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