21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Hamm Urteil19.02.2018

Frau steht nach Befruchtung mit "falschem" Sperma Anspruch auf Schmerzensgeld zuGesundheitliche Belastungen rechtfertigen Schmerzensgeld in Höhe von 7.500 Euro

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat entschieden, dass eine Frau, bei der eine mit falschem Sperma durchgeführte künstliche Befruchtung zu einer körperlich-psychischen Belastung beigetragen hat, Anspruch auf Schmerzensgeld hat.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die im Münsterland in gleich­ge­schlecht­licher Leben­s­part­ner­schaft lebende Klägerin schloss im Jahre 2006 mit den - seinerzeit eine Gemein­schaft­s­praxis in Münster unterhaltenden - beklagten Ärzten einen Behand­lungs­vertrag, der eine heterologische Insemination vorsah. Nach der künstlichen Befruchtung mit Samen eines der Klägerin unbekannten Spenders gebar sie im Januar 2007 ein Mädchen, das ihre Lebenspartnerin im Jahre 2008 als gemein­schaft­liches Kind annahm.

Kinder der Klägerin wurden nicht wie verlangt vom selben Spender gezeugt

Ende des Jahres 2007 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagten und wünschte eine erneute heterologe Insemination zur Zeugung eines zweiten Kindes, das von demselben Vater abstammen sollte wie die zuvor geborene Tochter. Dem lag der Wunsch der Klägerin zugrunde, Vollgeschwister als Kinder zu haben. Ausgehend hiervon ließ die Klägerin im Jahre 2008 eine weitere heterologische Insemination von den Beklagten durchführen, wiederum mit Samen eines der Klägerin unbekannten Spenders. Aufgrund dieser heterologischen Insemination wurde im Januar 2009 ein Junge geboren. Da ihre beiden Kinder unter­schiedliche Blutgruppen hatten, erkundigte sich die Klägerin im November 2010 bei den Beklagten nach dem Vater und erfuhr im August 2011, dass sie nicht von demselben Spender gezeugt worden waren.

Klägerin verweist auf körperlich-psychische Belas­tungs­si­tuation mit Erschöp­fungs­zu­ständen aufgrund fehlerhafte Befruchtung

Aufgrund dieses Umstandes verlangte die Klägerin von den Beklagten Schadensersatz, u.a. ein Schmerzensgeld. Hierzu hat die Klägerin, die sich zwischen­zeitlich von ihrer Lebensgefährtin getrennt hatte, behauptet, die Nachricht, dass ihre Kinder keine Vollgeschwister seien, habe bei ihr eine körperlich-psychische Belas­tungs­si­tuation mit Erschöp­fungs­zu­ständen, depressiven Episoden und Schuldgefühlen gegenüber beiden Kindern ausgelöst. Die Belastung habe eine psychologische Behandlung notwendig gemacht. Die Beklagten haben demgegenüber die von der Klägerin behaupteten gesund­heit­lichen Folgen bestritten und auf andere mögliche Ursachen, insbesondere auf die Trennung von der Lebensgefährtin verwiesen.

Landgericht bejaht Anspruch auf Schmerzensgeld

Nach der Vernehmung der die Klägerin behandelnden Psycho­the­ra­peutin und Auswertung von Kranken­un­terlagen stellt das Landgericht die von der Klägerin behaupteten gesund­heit­lichen Beein­träch­ti­gungen fest. Diese seien - so das Landgericht - auch auf die vertragliche Pflicht­ver­letzung der Beklagten zurückzuführen, nach der die Kinder nicht von demselben Spender abstammten. Nach Ansicht des Landgerichts rechtfertigten die gesund­heit­lichen Belastungen ein Schmerzensgeld von 7.500 Euro.

Ärzte haften für körperlich-psychische Auswirkungen der Pflicht­ver­letzung

In dem vor dem Oberlan­des­gericht Hamm von den Parteien geführten Berufungs­ver­fahren bestätigte das Oberlan­des­gericht Hamm die erstin­sta­nzliche Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Schmer­zens­geldes. Insoweit könne offenbleiben, ob der haftungs­be­gründende Schaden der Klägerin bereits in der zweiten Insemination liege, die pflichtwidrig mit dem falschen Sperma durchgeführt worden und nicht von der Einwilligung der Klägerin gedeckt gewesen sei, so das Gericht. Jedenfalls hafteten die Beklagten für die körperlich-psychischen Auswirkungen der Pflicht­ver­letzung, die die Klägerin selbst getroffen hätten. Dabei sei die Situation der Klägerin - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht mit einem sogenannten Schockschaden vergleichbar, der etwaige Beein­träch­ti­gungen aus dem Miterleben der Schädigung eines Anderen erfasse. Vielmehr sei die Klägerin selbst gesundheitlich betroffen, die zu ihrer Behandlung notwendige psycho­the­ra­peu­tische Langzeit­therapie sei durch die Pflicht­ver­letzung der Beklagten mitverursacht worden. Für diese habe das Landgericht zu Recht ein Schmerzensgeld von 7.500 Euro zugesprochen.

Klägerin hat keinen Anspruch auf Einsicht in Kartei mit Daten der Samenspender

Das Oberlan­des­gericht Hamm entschieden zudem, dass die Klägerin keinen Anspruch darauf hat, die bei den Beklagten vorhandene Kartei mit den Daten der Samenspender (Name, Geburtsdatum, Wohnort etc.) einzusehen. Bei der Kartei handele es sich - anders als bei der aus medizinischen Gründen notwendigen Dokumentation der Blutgruppe eines Spenders in den Behand­lungs­un­ter­langen der Klägerin - nicht um Kranken­un­terlagen (eine Patientenakte im Sinne von § 630 f Bürgerliches Gesetzbuch), die die Behandlung der Klägerin beträfen, so das Gericht.

Kindern steht Anspruch auf Auskunft über Identität ihres genetischen Vaters zu

Die beiden in dem Prozess ebenfalls klagenden Kinder der Klägerin hingegen können - auch vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Oberlan­des­ge­richts Hamm vom 6. Februar 2013 und des Bundes­ge­richtshofs vom 28. Januar 2015 - von den Beklagten eine Auskunft über die Identität ihres genetischen Vaters verlangen. Diese Auskunft könnten Eltern für ihr Kind begehren, wenn sie das Kind zu einem späteren Zeitpunkt über die Identität des Erzeugers aufklären wollten, ohne einen bestimmten zeitlichen Zusammenhang zwischen Erlangen der Information und der Weitergabe an das Kind nennen zu müssen, so das Gericht. Zudem gebe es im vorliegenden Fall keinen Anlass von dem vom Bundes­ge­richtshof aufgestellten Grundsatz abzuweichen, wonach dem Auskunftsrecht des Kindes als Ausfluss seines allgemeinen Persön­lich­keits­rechts der Vorrang einzuräumen sei gegenüber dem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht der Spender, denen die Behandler Anonymität zugesichert hätten.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil25732

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI