21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil04.07.2017

Fehlerhaftes Beschleifen von Milchzähnen kann groben Behand­lungs­fehler darstellenOLG bejaht Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 Euro

Wird beim Beschleifen von Milchzähnen zu viel Material abgetragen, so dass eine ungleichmäßige Oberfläche entsteht, kann dies einen groben zahnärztlichen Behand­lungs­fehler darstellen. Das entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Detmold.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens befand sich in der kiefer­or­tho­pä­dischen Behandlung der beklagten Zahnärzte aus Detmold. Bei der Klägerin sind mehrere bleibende Zähne nicht angelegt. Die an ihrer Stelle vorhandenen Milchzähne sollten solange wie möglich erhalten bleiben und später durch Implantate ersetzt werden. Im Frühjahr 2013 beschliff eine in der Praxis arbeitende, im Prozess mitverklagte Zahnärztin die Milchzähne der seinerzeit 18 Jahre alten Klägerin, um die spätere implan­to­lo­gische Versorgung vorzubereiten. Die Milchzähne wurden in ihrer Breite reduziert, was aus Sicht der Beklagten geboten war, um später passgenaue Implantate einsetzen zu können. Dieses "Slicen" hat die Klägerin für eine fehlerhafte Behandlung gehalten, die zudem fehlerhaft durchgeführt worden sei, weil die Milchzähne nach dem Entfernen des Zahnschmelzes sehr tempe­ra­tu­r­an­fällig gewesen seien und sich in kurzer Zeit Karies gebildet habe. Die Klägerin verlangte deswegen 2.000 Euro Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden.

Schleif­maß­nahmen wurden grob fehlerhaft ausgeführt

Die Schaden­s­er­satzklage war erfolgreich. Ebenso wie das Landgericht hat das - durch eine zahnme­di­zi­nische Sachverständige beratene - Oberlan­des­gericht Hamm die Haftung der Beklagten begründende zahnärztliche Behandlungsfehler festgestellt. Die beklagte Zahnärztin habe die Schleif­maß­nahmen grob fehlerhaft ausgeführt, so das Gericht. Bei zwei Milchzähnen sei zu viel Material entfernt worden. Es seien Dentinwunden entstanden. Bei einem weiteren Milchzahn sei grenzwertig viel Zahnschmelz abgeschliffen worden. Zudem sei bei den drei Zähnen eine ungleichmäßige Oberfläche entstanden, durch welche sich Speisereste festsetzen könnten und die die Zahnreinigung erschwere. Infolge des fehlerhaften Slicens seien die Milchzähne geschädigt, ihre Langzeit­prognose habe sich verschlechtert.

Erzielen eines optisch harmonischen Ergebnisses rechtfertigt Behandlung nicht

Der Einwand der Beklagten, nur durch ein derartiges Beschleifen habe man später auf beiden Seiten von Ober- und Unterkiefer gleich breite Implantate einsetzen und so ein in optischer Hinsicht harmonisches Ergebnis erhalten können, rechtfertige die Behandlung nicht. Die Sachverständige habe klargestellt, dass es für ein harmonisches Ergebnis sowie ebenfalls für die Kaufähigkeit und die Zahnpflege nicht erforderlich sei, dass die Zähne rechts und links später gleich breit seien, entscheidend sei vielmehr ihre richtige Verzahnung.

Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 Euro gerechtfertigt

Die der fehlerhaften Behandlung zurechenbaren, bei der Klägerin bereits eingetretenen Folgen (erlittene Schmerzen, behand­lungs­be­dürftige Dentinwunden, Tempe­ra­tu­r­emp­find­lichkeit, Kariesbildung an zwei Zähnen, eine verschlechterte Langzeit­prognose) rechtfertigten das bereits vom Landgericht festgesetzte Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 Euro. Im Hinblick darauf, dass noch nicht absehbar sei, welche weiteren gesund­heit­lichen Folgen sich künftig aus der grob fehlerhaften Behandlung ergäben, sei auch der Feststel­lungs­antrag begründet.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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