21.11.2024
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Dokument-Nr. 29514

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Urteil11.11.2020Oberlandesgericht Frankfurt am Main7 u 36/19
Vorinstanz:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil14.02.2019, 2-23 O 411/19
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil11.11.2020

Bevoll­mäch­tigter Ehemann muss keine Kenntnis von den Versicherungs­verträgen seiner Frau habenVersicherung muss trotz verspäteter Anzeige zahlen

Eine Versicherung kann sich nicht auf die verspätete Anzeige eines Versi­che­rungsfalls berufen, wenn der Versicherungs­nehmerin aufgrund ihres gesund­heit­lichen Zustands weder die eigene Anzeige des Versi­che­rungsfalls (Schwerstpflege­bedürftigkeit) noch die Information ihres bevoll­mäch­tigten Ehemanns möglich war und der Ehemann keine Kenntnis von dem Versicherungs­vertrag (Pflegetagegeld­versicherung) besaß, entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG)l.

Der Kläger begehrt von der beklagten Versicherung die rückwirkende Leistung von Pflegetaggeld für seine inzwischen verstorbene Frau. Seine Frau unterhielt bei der Beklagten eine Pflege­ta­ge­geld­ver­si­cherung für den Fall einer Schwer­st­pfle­ge­be­dürf­tigkeit (Pflegestufe III). In den Allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen hieß es hinsichtlich des Leistungs­er­brin­gungen u.a.: Wird der Antrag nach Ablauf des Monats gestellt, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, ist der Leistungs­an­spruch vom Beginn des Monats der Antragstellung gegeben. Bei einer unverschuldet verspäteten Anzeige des Versi­che­rungsfalls werden die Leistungen jedoch rückwirkend erbracht. Der Kläger besaß eine Vorsor­ge­vollmacht für seine Ehefrau. Diese erlitt im August 2012 einen schweren Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung, vollständigem Verlust der Sprachfähigkeit und erheblichen Beein­träch­tigung des Erinne­rungs­ver­mögens. Im April 2013 erhielt sie die Pflegestufe III. Der Kläger meldete den Versi­che­rungsfall im Februar 2015 und beantragte eine rückwirkende Leistungs­er­bringung ab April 2013. Dies lehnte die Beklagte ab. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen.

OLG: Verspätete Anzeige hier unverschuldet

Die hiergegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG Erfolg. Die beklagte Versicherung habe die rückwirkende Leistung zu Unrecht versagt, begründet das OLG. Sie könne sich nicht auf eine verspätete Anzeige des Versi­che­rungsfalls gemäß den Allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen berufen. Die verspätete Anzeige sei hier unverschuldet erfolgt. Grundsätzlich müsse der Versi­che­rungs­nehmer selbst den Versi­che­rungsfall anzeigen. Versi­che­rungs­nehmerin sei hier die Ehefrau des Klägers gewesen, der aufgrund der gesund­heit­lichen Folgen des Schlaganfalls weder die eigene Anzeige noch eine Information ihres Ehemanns über die streit­ge­gen­ständliche Versicherung möglich gewesen wäre. Die Ehefrau habe auch nicht im Sinne einer voraus­schauenden Verhal­tenspflicht den Kläger vor dem Eintritt des Versi­che­rungsfalls über das Bestehen des Versi­che­rungs­ver­trages informieren müssen. Eine solche „Vorsor­geob­lie­genheit“ existiere nicht.

Unverschuldet keine Kenntnis vom Vertrag

Der bevollmächtigte Kläger selbst habe auch nicht schuldhaft und in einer seiner Ehefrau zuzurechnenden Weise eine frühere Anzeige des Versi­che­rungsfalls unterlassen. Er habe vielmehr unverschuldet keine Kenntnis vom Bestehen dieses Vertrages gehabt. Die ihm bekannten monatlichen Abbuchungen der Versi­che­rungs­beiträge in Höhe von 20 €/DM hätten keinen Anlass geboten, vom Bestehen einer derartigen Versicherung auszugehen. Aus dem Buchungstext habe sich allein ergeben, dass irgendein Versicherungsvertrag bei der Beklagten bestanden habe, nichts jedoch zur Art der Versicherung.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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