Im der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte ein Versicherter eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen und war tatsächlich berufsunfähig geworden. Statt sich jedoch mit seinem Versicherer auseinanderzusetzen, wartete er die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung ab, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligen sollte. Nachdem das geschehen und zwölf Monate ins Land gegangen waren, meldete sich der Versicherte dann bei seiner Berufsunfähigkeitsversicherung und beantragte rückwirkend Leistungen.
Dies lehnte die Versicherung ab, denn in den Versicherungsbedingungen war eine Meldefrist von sechs Monaten vorgesehen. In den Versicherungsbedingungen hieß es unter § 4 wörtlich:
§ 4 Wann beginnt und wann endet unsere Leistungspflicht?
(1) Der Anspruch auf die Berufsunfähigkeitsleistungen entsteht mit Beginn des Monats, der auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit folgt, es sei denn, aus Absatz 2 ergibt sich ein späterer Beginn. Liegt Berufsunfähigkeit gemäß § 1 Abs. 2 vor, entsteht der Anspruch auf die Berufsunfähigkeitsleistungen mit Beginn des Monats, der auf den Ablauf der in diesem Absatz genannten Sechsmonatsfrist folgt.
(2) Wird uns die Berufsunfähigkeit später als sechs Monate nach ihrem Eintritt schriftlich mitgeteilt, so entsteht der Anspruch auf die Berufsunfähigkeitsleistungen erst mit Beginn des Monats der Mitteilung. Wird uns jedoch nachgewiesen, dass die rechtzeitige Mitteilung ohne Verschulden unterblieben ist, werden wir rückwirkend ab Beginn des auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit folgenden Monats leisten.
Die Versicherung begann ihre Zahlungen aufgrund der Versicherungsbedingungen erst mit Beginn des Monats, in dem sie die Meldung über die Berufsunfähigkeit erhalten hatte. Der Versicherungsnehmer verklagte daraufhin die Versicherung auf Nachzahlung der monatlichen Berufsunfähigkeitsrente ab Eintritt der Berufsunfähigkeit. Er hält die Regelungen von § 4 der Versicherungsbedingungen als so genannte "überraschende Klausel" für unwirksam.
Das Landgericht Karlsruhe (in 1. Instanz) und Oberlandesgericht Karlsruhe (in der Berufungsinstanz) gaben der Versicherung Recht und wiesen die Klage des Versicherungsnehmers ab.
Die OLG-Richter führten aus, dass die Versicherungsbedingungen rechtmäßig seien und in keiner Weise für den Versicherungsnehmer "überraschend".
Die Verpflichtung, im Versicherungsfall diesen möglichst frühzeitig dem Versicherer anzuzeigen, sei dem Versicherungsrecht generell immanent. Der Versicherer solle frühzeitig wissen, dass und welchen Ansprüchen er sich im konkreten Fall ausgesetzt sehe. Ansonsten bestünde die Gefahr, von einem Sachverhalt erstmals zu einem Zeitpunkt Kenntnis zu erlangen, in welchem sich eine Aufarbeitung der medizinischen Problematik für die Vergangenheit ungleich schwieriger gestalten würde, als bei Kenntnis von Beginn an. Insofern bezweckten die Versicherungsbedingungen in legitimer Weise auch grundsätzlich objektiv eine zeitliche Begrenzung der Leistungspflicht des Versicherers, führte das Geicht aus.
Die Mitwirkung des Versicherungsnehmers bei der Überprüfung seiner Berufsunfähigkeit sei selbstverständlich. Ein redlicher Versicherungsnehmer werde sich schon deshalb auf eine frühestmögliche Anzeigepflicht einstellen können und hieran auch selbst ein erhebliches Interesse haben.
Die Richter sahen keine stichhaltige Begründung dafür, warum der Versicherungsnehmer davon abgesehen hatte, parallel zum Antrag auf gesetzliche Rentenversicherung auch einen entsprechenden Leistungsantrag an die Berufsunfähigkeitsversicherung zu stellen. Der Wortlaut der Bedingungen gebe für das Zuwarten des Klägers bis zum Abschluss des gesetzlichen Rentenverfahrens nichts her, zumal auch keine Deckungsgleichheit in den Voraussetzungen beider Verfahren bestehe (Erwerbsunfähigkeit bzw. -minderung einerseits und Berufsunfähigkeit andererseits).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.05.2010
Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Karlsruhe (pt)