21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.

Dokument-Nr. 27216

Drucken
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil12.03.2019

Rechts­anwalts­kanzlei muss keine umfangreichen Umbaumaßnahmen während eines bestehenden Mietvertrags duldenNeuen Inhabern der Räumlichkeiten ist Unterlassen geplanter Umbauarbeiten bis zum Ende des Mietvertrages zumutbar

Mietet eine Rechts­anwalts­kanzlei Räumlichkeiten an, kann sie verlangen, dass der Vermieter keine lärm-, erschütterungs- und staubintensiven Umbau- und Modernisierungs­arbeiten im gesamten Haus zur Ermöglichung einer anderen Nutzung durchführt. Die Kanzlei ist auch nicht zur Duldung der Arbeiten außerhalb der üblichen Bürozeiten oder am Wochenende verpflichtet, da Rechtsanwälte gerichtsbekannt regelmäßig auch außerhalb der gängigen Geschäftszeiten arbeiten. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls mietete Räumlichkeiten im 4. Stock eines Gebäudes in Frankfurt am Main/Westend und betreibt dort eine Rechts­an­walts­kanzlei. Das Mietverhältnis ist bis zum 31. Dezember 2023 befristet. Die Beklagten erwarben die Liegenschaft 2018 und baten die Klägerin um vorzeitigen Auszug. Sie planten, das Gebäude selbst zum Betrieb ihres Bankinstituts zu nutzen. Nachdem die Klägerin einem vorzeitigen Mietende nicht zugestimmt hatte, kündigten die Beklagten mehrfach umfangreiche Umbau- und Moder­ni­sie­rungs­a­r­beiten an. Da die Klägerin sich nachfolgend auch nicht gegen Abstandszahlung auf einen vorzeitigen Auszug eingelassen hatte, wiesen die Beklagten erneut auf die bevorstehende umfassende Sanierung des Objekts hin. Seit Mitte November 2018 werden die Bauarbeiten in den unteren Geschossen durchgeführt, u.a. der Abbruch massiver Innenwände, die Entfernung des gesamten Bodenbelags und weitere Entker­nungs­maß­nahmen.

OLG: Massive Beein­träch­ti­gungen müssen nicht geduldet werden

Die Klägerin nahm die Beklagten auf Unterlassen der Umbaumaßnahmen in Anspruch. Das Landgericht gab ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung statt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte auch vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main keinen Erfolg. Die Klägerin könne Unterlassen der Umbauarbeiten verlangen, bekräftigt auch das Oberlan­des­gericht. Durch die massiven Beein­träch­ti­gungen werde sie rechtswidrig in ihrem mietver­trag­lichen Besitzrecht beeinträchtigt. Es bestehe keine Verpflichtung, diese Beein­träch­ti­gungen zu dulden.

Geistig-gedankliche Tätigkeiten in Recht­an­walts­kanzlei müssen grundsätzlich ungestört durchgeführt werden können

Die Beklagten, so das Oberlan­des­gericht, müssten der Klägerin den vertragsgemäßen Gebrauch der Räume bis zum Vertragsende am 31. Dezember 2023 gewähren. Der vertragliche Nutzungszweck der Räume liege in dem Betrieb eines Rechtsanwalts- und Notariatsbüros. Die hiermit zusam­men­hän­genden geistig-gedanklichen Tätigkeiten müssten grundsätzlich ungestört durchgeführt werden können. Die Beklagten hätten deshalb Störungen dieses vertragsgemäßen Gebrauchs, insbesondere durch Lärm, Erschütterungen, Staub, Verschmutzungen oder sonstige Immissionen grundsätzlich zu unterlassen und zugleich solche Störungen durch Dritte abzuwehren. Die bereits durchgeführten und noch geplanten Bauarbeiten würden laut Gericht aufgrund ihrer Art, ihres Umfangs, ihrer Intensität und ihrer Dauer den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache verletzt. Der geplante Abbruch sämtlicher Zwischenwände sowie Bodenbeläge in allen Stockwerken mittels elektrisch betriebener Schlag­bohr­ma­schinen und Vorschlaghammer verursache zwangsläufig ganz erhebliche Lärm- und Staub­be­läs­ti­gungen sowie massive Erschütterungen. Derart umfängliche Arbeiten stellten auch keine Renovierungs- und Umbauarbeiten dar, mit denen ein Mieter - etwa im Zusammenhang mit einem Mieterwechsel - rechnen müsse und die deshalb hinzunehmen seien. Eine Duldungspflicht ergebe sich auch nicht aus § 9.1 des Mietvertrags. Die Arbeiten dienten nicht der "Modernisierung" oder "Verbesserung" in diesem Sinne. Es fehle an einer dafür erforderlichen nachhaltigen objektiven Erhöhung des Gebrauchswerts. Allein die Renovierung und Umgestaltung im Interesse einer anderen Nutzung genüge nicht.

Erhebliche Beein­träch­ti­gungen des Mietgebrauchs für Mieter unzumutbar

Schließlich sei die Klägerin auch nicht aus Treu und Glauben heraus verpflichtet, die Baumaßnahmen zu dulden. Die erheblichen Beein­träch­ti­gungen des Mietgebrauchs seien ihr vielmehr unzumutbar. Die Beklagten müssten sich dagegen an den bestehenden Vertrag halten; ihnen sei das Unterlassen der geplanten Umbauarbeiten bis zum Ende des Mietvertrages auch zumutbar.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil27216

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI