21.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss20.01.2020

Vom Ordnungs­polizei­beamten blanko unter­schriebenes Messprotokoll für gesetzeswidrige Verkehrs­mes­sungen durch "privaten Dienstleister" stellt strafbare Falsch­be­ur­kundung darVerurteilung zur Falsch­be­ur­kundung im Amt bei Geschwin­digkeits­messungen bestätigt

Überlässt ein Hoheitsträger einem zur Geschwin­digkeits­messung eingesetzten "privaten Dienstleister" ein blanko unterzeichnetes Messprotokoll, welches vervielfältigt und mit konkreten Datensätzen versehen zur Grundlage von Verwarngeldern wird, stellt dies eine Falsch­be­ur­kundung im Amt dar. Die Messprotokolle erfüllen die Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main hervor.

Im zugrunde liegenden Fall war der Angeklagte S. bei der Stadt K. der für die Verkehrs­über­wachung zuständige Sachge­biets­leiter des Ordnungsamts. Der Angeklagte K. ist mit seiner Firma selbständiger "privater Dienstleister" im Bereich der Geschwin­dig­keits­mes­sungen. Bis zur ersten Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main zur Unzulässigkeit des Einsatzes "privater Dienstleister" im Bereich der Verkehrs­über­wachung (Frühjahr 2017) hatte die Stadt K. durch den Angeklagten K. Messgeräte aufstellen und die Messung durchführen und (vor)auswerten lassen. Dafür erhielt der Angeklagte K. eine Zahlung "pro verwertbarem Fall". Auch nach der Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts wollten die Angeklagten an dieser Zusammenarbeit festhalten. Der Angeklagte S. versprach sich aufgrund der Vielzahl der Bußgeld­ver­fahren eine Höher­grup­pierung; der Angeklagte K. wollte die lukrative Geschäfts­be­ziehung fortsetzen. Zu diesem Zweck vereinbarten die Angeklagten die Fortsetzung des Vorgehens mit der Abweichung, dass der Angeklagte S. dem Angeklagten K. ein von ihm blanko unter­schriebenes Messprotokoll übergab, welches der Angeklagte K. kopierte und bei Einrichtung der jeweiligen Messstellen ausfüllte. Damit wurde dem betroffenen Bürger, der eigenen Behörde und den Gerichten gegenüber der unzutreffende Eindruck erweckt, dass der Angeklagte S. als Ortspolizei die Messung durchgeführt hatte. Im Weiteren wurden die Messungen, was die Angeklagten wussten, digitalisiert und in ausschließlich elektronischer Form weiter­ver­a­r­beitet. Auf dieser Grundlage erging eine Vielzahl von Buß- und Verwarngeldern.

Verurteilung der Angeklagten wegen Falsch­be­ur­kundung und Beihilfe

Der Angeklagte S. wurde durch Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 7. Juni 2016 wegen Falsch­be­ur­kundung im Amt in 17 Fällen zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von einem Jahr und einem Monat auf Bewährung verurteilt, der Angeklagte K. wegen Beihilfe dazu zu einer Gesamt­geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 40 Euro. Auf die Berufung der Staats­an­walt­schaft hin hob das Landgericht Kassel mit Urteil vom 2. November 2018 die Freiheitsstrafe des Angeklagten S. auf ein Jahr und drei Monate auf Bewährung und die Gesamt­geldstrafe des Angeklagten K. auf 200 Tagessätze zu je 65 Euro an.

Die hiergegen eingelegten Revisionen der Angeklagten verwarf das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main als unbegründet. Die im Rahmen von Geschwin­dig­keits­kon­trollen zu stellenden Messprotokolle stellten öffentliche Urkunden im Sinne des § 348 StGB dar. Sie dienten dazu, Beweiskraft für und gegen jedermann zu erbringen. Die Verkehrs­über­wachung und Sanktionierung bei Verstößen sei hoheitliche Kernaufgabe. Die Messung sei systematisch nur bedingt rekonstruierbar. Um den Nachweis führen zu können, sei daher ein ordnungsgemäß von einem Hoheitsträger im Rahmen seiner Zuständigkeit errichtetes, inhaltlich zutreffendes Messprotokoll eine maßgebliche Voraussetzung, gerade bei Massenverfahren, so das Gericht. Dem Messprotokoll komme damit besondere Beweiskraft im Sinne eines öffentlichen Glaubens zu.

Der Angeklagte K. habe in einer Vielzahl von Fällen als "privater Dienstleister" gesetzeswidrig Verkehrs­mes­sungen vorgenommen, (vor)ausgewertet und Messprotokolle erstellt, die in einer Vielzahl von Bußgeld- und Verwarn­geld­ver­fahren als Beweismittel Verwendung gefunden hätten. Dies sei im bewussten, kollusiven Zusammenwirken mit dem Angeklagten S. als zuständigem Ordnungs­po­li­zisten erfolgt. Der Angeklagte S. habe zur Verschleierung dem Angeklagten K. eine von ihm unterzeichnete Kopie eines Blanko­mess­pro­tokolls zur Verfügung gestellt. Da in diesen Messprotokollen der Angeklagte S. als Messbeamter aufgeführt war, sollte auf diese Weise suggeriert werden, dass die Messungen vom Hoheitsträger durchgeführt wurden.

Der Angeklagte S. müsse sich die Angaben des Angeklagten K., die dieser im Namen des S. abgegeben habe, auch zurechnen lassen. Der Sinn der Absprache habe gerade daran gelegen, dass K. die Arbeit des S. durchführt und beide gewollt darüber täuschen, dass S. die Messung durchgeführt habe.

Die darin zum Ausdruck kommende hohe kriminelle Energie hätte bei einem "normalen" Urkundsdelikt zur Straflosigkeit geführt. Eine "normale" Urkundenfälschung liege vor, wenn über den Ersteller getäuscht werde. Hier aber habe der Angeklagte S. gerade als Aussteller fungieren wollen. Unzutreffend sei der Inhalt der Urkunde. Die Richtigkeit des Inhalts einer Urkunde sei jedoch nur bei einer öffentlichen Urkunde geschützt, da nur dort der Inhalt für und gegen jedermann wirke.

Erläuterungen:

§ 348 StGB Falsch­be­ur­kundung im Amt

Erläuterungen

(1) Ein Amtsträger, der, zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugt, innerhalb seiner Zuständigkeit eine rechtlich erhebliche Tatsache falsch beurkundet oder in öffentliche Register, Bücher oder Dateien falsch einträgt oder eingibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm/kg)

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