Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss26.04.2017
Geschwindigkeitsmessung und Auswertung der Messdaten durch privaten Dienstleister ist unzulässigVerfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ist Aufgabe staatlicher Hoheitsträger
Eine Geschwindigkeitsmessung sowie die Auswertung der Messdaten darf nicht durch einen privaten Dienstleister erfolgen. Die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ist vielmehr Aufgabe staatlicher Hoheitsträger. Die Hinzuziehung Privater ist nur insoweit zulässig, solange die Verwaltungsbehörde Herrin des Verfahrens bleibt. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall wurde gegen ein Autofahrer mittels Bußgeldbescheid vom November 2015 wegen einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Da der Autofahrer erfuhr, dass die Geschwindigkeitsmessung durch einen privaten Dienstleister durchgeführt wurde, legte er Einspruch gegen den Bescheid ein. Der private Dienstleister führte nicht nur die Messung durch, sondern wertete zudem die Daten aus. Darüber hinaus war er Eigentümer der Messgeräte. Für seine Tätigkeit erhielt der private Dienstleister eine erfolgsabhängige Vergütung.
Amtsgericht sprach Autofahrer frei
Das Amtsgericht Alsfeld sprach den Autofahrer aufgrund dessen, dass die Verkehrsmessung von einem privaten Dienstleister durchgeführt wurde, frei. Es nahm sowohl ein Beweiserhebungs- als auch Beweisverwertungsverbot an. Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein.
Oberlandesgericht bejaht ebenfalls Beweiserhebungsverbot
Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. nahm ebenfalls ein Beweiserhebungsverbot an. Denn die zuständige Ortspolizeibehörde habe unter bewusster und gewollter Umgehung zwingender Vorschriften Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet, bei denen die Beweismittel nicht durch den Hoheitsträger, sondern durch einen privaten Dienstleister erhoben wurden. Die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten gehöre aber als typische Hoheitsaufgabe zum Kernbereich staatlicher Hoheitsausübung. Eine eigenverantwortliche Wahrnehmung dieser Aufgaben durch Privatpersonen sei ausgeschlossen.
Verwaltungsbehörde als Herrin des Verfahrens
Zwar dürfe sich die Verwaltungsbehörde der Hilfe von Privatpersonen bedienen, so das Oberlandesgericht. Sie müsse dabei aber Herrin des Verfahrens bleiben. Das bedeute, dass die Behörde Herrin des Messgeräts bleiben müsse. Stehe das Messgerät nicht im Eigentum der Behörde, müsse sichergestellt werden, dass jegliche Einflussnahme des privaten Eigentümers auf die Verwendung des Messgeräts ausgeschlossen ist. Schon die Verknüpfung der Bezahlung des Messgeräts durch die erzielten Bußgelder ist dabei bedenklich. Weiterhin müsse sichergestellt werden, dass die Behörde Herrin des durch die Messanlage gewonnen Beweismittels ist. Das Beweismittel müsse durch die Behörde selbst gewonnen werden. Schließlich habe die Behörde die Umwandlung und Auswertung der Daten selbst vorzunehmen.
Annahme eines Beweisverwertungsverbots erfordert Abwägung
Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots setze aber eine Abwägung des Interesses des Bürgers am Schutz seiner Rechtsgüter und dem Interesse des Staats an der Tataufklärung zum Schutz der Allgemeinheit voraus. Diese Abwägung habe das Amtsgericht nach Auffassung des Oberlandesgerichts nur unzureichend vorgenommen. Es habe nicht beachtet, dass die erzeugten digitalen Falldateien eine Rekonstruktion der Messung ermöglichen. Jede Form der Manipulation an signierten Falldateien sei nachweisbar. Die Authentizität der Daten könne rekonstruiert werden, die Auswertung sei bei Zweifeln wiederholbar, so dass grundsätzlich die rechtsstaatliche Beweisführung des dem Betroffenen zur Last gelegten Geschwindigkeitsverstoßes nachholbar sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.03.2018
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt a.M., ra-online (vt/rb)