24.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil17.05.2018

Eltern haben keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen unterbliebener Zuweisung eines Ganz­tags­betreuungs­platzes für dreijähriges KindMehrkosten für Inanspruchnahme einer privaten Betreuungs­einrichtung sind nur bei unzumutbarer finanzieller Belastung zu erstatten

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass für Kinder nach Vollendung des dritten Lebensjahres kein Anspruch auf den Nachweis eines Ganztagsplatzes in einer Tages­ein­richtung besteht. Mehrkosten, die Eltern durch die Inanspruchnahme einer privaten Betreuungs­einrichtung entstehen, sind zudem nur zu ersetzen, wenn sie unzumutbar sind.

Die Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls verlangten von der beklagten Stadt Bad Homburg Schadensersatz wegen einer behaupteten Amtspflicht­ver­letzung. Die Kläger bewarben sich um einen städtischen Ganztags­be­treu­ungsplatz für ihr dann drei Jahre altes Kind. Dieses konnte nur bis Ende August 2015 in der bislang besuchten privaten Krippe betreut werden. Da die Kläger trotz Nachfragen keine Zusage für einen städtischen Ganztagsplatz erhielten, meldeten sie ihren Sohn auch in einer privaten Kindertagesstätte (Kita) an. Dort wurde das Kind zum September 2015 aufgenommen. Ende September 2015 erhielten die Kläger eine Zusage für einen städtischen Platz. Da die Kläger mit der privaten Kita einen Jahresvertrag geschlossen hatten, konnten sie diesen Platz erst nach Fristablauf wahrnehmen. Die Beiträge für die private Kita lagen über den städtischen Sätzen. Mit ihrer Klage begehren die Eltern die Erstattung der Aufnahmegebühr für die private Kita und Ersatz der monatlich entstandenen Mehrkosten.

OLG verneint individuellen Rechtsanspruch auf Bereitstellung eines Ganztagsplatzes

Das Landgericht wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hatte auch vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Oberlan­des­gericht aus, dass die Kläger für ihren dreijährigen Sohn bereits keinen Anspruch auf Nachweis eines Ganztagsplatzes in einer Tages­ein­richtung gehabt hätten. Das Gesetz sehe zwar einen Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tages­ein­richtung vor (§ 24 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 1 SGB VIII). Dies beziehe sich auf Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres bis zum Schuleintritt. Hieraus erwachse jedoch kein individueller Rechtsanspruch auf Bereitstellung eines Ganztagsplatzes. Aus § 24 Abs. 3 S. 2 SGB VIII folge, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zwar im Rahmen seiner Planungs­ver­ant­wortung sicherstellen sollte, dass bedarfsgerechte Angebote für Ganztagsplätze zur Verfügung stehen. Diese Verpflichtung vermittele jedoch keinen individuellen Anspruch. Die bestehende objektiv-rechtliche Vorhal­te­ver­pflichtung an Ganztagsplätzen gewähre keinen Anspruch des Einzelnen auf Zuweisung eines Ganztagsplatzes, betonte das Oberlan­des­gericht unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts.

Eltern müssen mit privater Unterbringung verbundene Mehrkosten selbst tragen

Die Nicht­be­rück­sich­tigung des Sohnes bei der Vergabe von Ganztags­be­treu­ungs­plätzen könne auch nicht aus Gleich­heits­gründen einen Schaden­s­er­satz­an­spruch auslösen. Dass ihnen höhere Kosten als bei Zuweisung eines Platzes in einem städtischen Kindergarten entstanden seien, sei laut Gericht unerheblich. Bereits der Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren gebe den Eltern kein kapazi­täts­u­n­ab­hängiges Wahlrecht zwischen der Förderung ihres Kindes in einer städtischen Einrichtung oder in einer privaten. Vielmehr beziehe sich die Verpflichtung des Trägers der öffentliche Jugendhilfe zum Nachweis von Betreu­ungs­plätzen in diesem Frühför­de­rungs­bereich auf alle Plätze, unabhängig von ihrer Trägerschaft und der Höhe des Teilnah­me­beitrags. Auch für Kinder unter drei Jahren müssten Eltern mit einer privaten Unterbringung verbundene Mehrkosten demnach grundsätzlich selbst tragen. Dies gelte erst Recht für Betreu­ungs­plätze von Kindern, die das dritte Lebensjahr vollendet haben. Erst wenn die Grenze zu einer unzumutbaren finanziellen Belastung überschritten sei, käme ein Ersatzanspruch für Mehrkosten in Betracht. Dies hätten die Kläger hier jedoch nicht geltend gemacht.

Erläuterungen:

Der Anspruch auf Förderung in einer Tages­ein­richtung gem. § 24 Abs. 3 S. 1 SGB VIII bezieht sich allgemein auf einen Kinder­gar­tenplatz, nicht jedoch bedarfsbezogen auf einen Ganztagsplatz. Ganztagsplätze werden gesondert in § 24 Abs. 3 S. 2 SGB VIII erwähnt und unterfallen dem Bereich der Planungshoheit der öffentlichen Jugendhilfe. Hinsichtlich des Anspruchs auf Förderung in einer Tages­ein­richtung (Kinder­gar­tenplatz) können die Eltern zwischen verschiedenen Trägern (und den damit verbundenen Kosten) nur im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten wählen. Weiterführend BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 - BVerwG 5 C 19/16.

§ 24 SGB VIII

(1) 1 Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kinder­ta­gespflege zu fördern, wenn

[...]

3 Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf.

(2) 1 Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tages­ein­richtung oder in Kinder­ta­gespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) 1 Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tages­ein­richtung. 2 Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfs­ge­rechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht [...]

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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