18.10.2024
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Oberlandesgericht Braunschweig Urteil29.11.2017

Kein unbeschränktes Wahlrecht bei Kinder­betreuungs­plätzenWechsel der Betreuungsform ist zumutbar

Das Oberlan­des­ge­richts Braunschweig hat entschieden, dass eine Beschränkung des Wahlrechts zwischen Tages­ein­rich­tungen und Kinder­ta­gespflege keine Amts­pflicht­verletzung des Trägers darstellt, wenn keine Betreu­ungs­plätze mehr in der gewünschten Betreuungsform, hingegen in einer anderen Betreuungsform verfügbar sind. Ein Wechsel der Betreuungsform sei auch nicht generell unzumutbar.

Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Mutter hatte gegen den Landkreis Northeim wegen Verletzung der Amtspflichten auf Schadensersatz wegen Verdien­st­ausfalls geklagt, da der Landkreis ihrer Tochter erst zwei Monate nach Vollendung des ersten Lebensjahres einen Kinder­gar­tenplatz zur Verfügung stellen konnte. Eine frühere Betreuung im Rahmen einer möglichen Kinder­ta­gespflege durch eine Tagesmutter lehnte die Kindesmutter ab, um das Kind nicht mit dem Wechsel der Betreuungsform zu belasten.

Auch Wahlrecht zwischen Tages­ein­richtung und Kinder­ta­gespflege finde Grenzen

Das Landgericht Braunschweig wies die Berufung der Mutter gegen das klagabweisende erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Göttingen zurück. Die um zwei Monate verzögerte Bereitstellung eines Kinder­gar­ten­platzes durch den Landkreis begründe keine Verletzung eines - infolge des von den Erzie­hungs­be­rech­tigten ausgeübten Wahlrechts - bestehenden Anspruchs auf Zuweisung eines Kinder­gar­ten­platzes. Das im Sozialrecht mit Vollendung des ersten Lebensjahres grundsätzlich uneingeschränkt bestehende Wahlrecht zwischen einer Tages­ein­richtung und einer Kinder­ta­gespflege finde seine Grenzen, wenn keine Betreu­ungs­plätze in der gewünschten Betreuungsform, hingegen in der anderen Betreuungsform verfügbar seien.

Änderung der Betreuungsform nicht generell unzumutbar

Unabhängig von dem nicht weiter­ver­folgten Angebot des Landkreises zur Kinderbetreuung im Rahmen einer Kinder­ta­gespflege durch eine Tagesmutter sei der Klägerin jedenfalls ein den Anspruch ausschließendes Mitverschulden anzulasten. Die Klägerin habe gegen ihre Schadens­min­de­rungs­pflicht verstoßen, da sie einen zwischen­zeitlich selbst beschafften Betreuungsplatz aufgegeben habe. Die Kindesmutter könne sich gegenüber dem Landkreis insbesondere nicht darauf berufen, dass ein bevorstehender Wechsel von der Betreuung im Rahmen einer Tagespflege durch eine Tagesmutter hin zu einer solchen in einem Kindergarten dem Wohle des Kindes widersprochen hätte und damit unzumutbar gewesen sei. Im konkreten Fall habe die Klägerin schon keine besonderen Umstände vorgebracht, welche die vorübergehende Betreuung durch die Tagesmutter als unzumutbar hätten erscheinen lassen. Schicksalhafte Wechselfälle des Lebens - etwa das Ausscheiden von Betreu­ungs­personen aufgrund Heirat, Schwangerschaft, Weiterbildung, Krankheit oder Erreichen der Altersgrenze oder auch die Wohnsitz­ver­la­gerung der Eltern - würden hinzunehmende Wechsel der Bezugsperson auch im Falle der Betreuung innerhalb einer Betreuungsform mit sich bringen, so dass auch von einer generellen Unzumutbarkeit nicht ausgegangen werden könne.

Hintergrund:

Erläuterungen

Sozial­ge­setzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163)

§ 5 Wunsch- und Wahlrecht

(1) Die Leistungs­be­rech­tigten haben das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Sie sind auf dieses Recht hinzuweisen.

(2) Der Wahl und den Wünschen soll entsprochen werden, sofern dies nicht mit unver­hält­nis­mäßigen Mehrkosten verbunden ist. Wünscht der Leistungs­be­rechtigte die Erbringung einer in § 78 a genannten Leistung in einer Einrichtung, mit deren Träger keine Vereinbarungen nach § 78 b bestehen, so soll der Wahl nur entsprochen werden, wenn die Erbringung der Leistung in dieser Einrichtung im Einzelfall oder nach Maßgabe des Hilfeplans (§ 36) geboten ist.

§ 24 Anspruch auf Förderung in Tages­ein­rich­tungen und in Kinder­ta­gespflege

(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kinder­ta­gespflege zu fördern, wenn

1. diese Leistung für seine Entwicklung zu einer eigen­ver­ant­wort­lichen und gemein­schafts­fähigen Persönlichkeit geboten ist oder

2. die Erzie­hungs­be­rech­tigten

a) einer Erwer­b­s­tä­tigkeit nachgehen, eine Erwer­b­s­tä­tigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind,

b) sich in einer beruflichen Bildungs­maßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschul­aus­bildung befinden oder

c) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten. Lebt das Kind nur mit einem Erzie­hungs­be­rech­tigten zusammen, so tritt diese Person an die Stelle der Erzie­hungs­be­rech­tigten. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf.

(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tages­ein­richtung oder in Kinder­ta­gespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

[...]

Quelle: Oberlandesgericht Braunschweig/ra-online

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