21.11.2024
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Oberlandesgericht Celle Urteil04.03.2020

Autofahrer müssen Fahrzeug­geschwindigkeit bei Gegenverkehr und Dunkelheit anpassenFahrzeug muss auf schmalen Straßen und bei Dunkelheit mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke angehalten werden können

Das Oberlan­des­gericht Celle hat entschieden, dass Autofahrer ihre Fahrzeug­geschwindigkeit bei Gegenverkehr und Dunkelheit anpassen und auf schmalen Straßen ihr Fahrzeug mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke anhalten können müssen.

Im zugrunde liegenden Fall ereignete sich im September 2017 im Landkreis Rotenburg (Wümme) bei Dunkelheit auf einer 4,95 m breiten Gemeindestraße ohne Fahrbahn­ma­r­kie­rungen ein Verkehrsunfall zwischen einem etwa 75 bis 85 km/h (bei erlaubten 80 km/h) fahrenden Pkw und einem ordnungsgemäß beleuchteten, überbreiten landwirt­schaft­lichen Gespann (Schlepper und Anhänger) mit einer Breite von 2,95 m, das etwa 25 bis 35 km/h fuhr. Es entstand erheblicher Sach- und Personenschaden.

Beteiligte streiten über Verursachung und Schuld an Unfall

Der Eigentümer des landwirt­schaft­lichen Gespanns und der Haftpflicht­ver­si­cherer des Pkw stritten darüber, in welchem Verhältnis die jeweiligen Unfallschäden zu ersetzen seien. Der Haftpflicht­ver­si­cherer meinte, dass der Fahrer des landwirt­schaft­lichen Gespanns den Schaden zu 50 % verursacht habe, und zahlte deshalb nur die Hälfte des an dem Schlepper und dem Anhänger entstandenen Schadens. Demgegenüber meinte der Eigentümer des landwirt­schaft­lichen Gespanns, dass die Fahrerin des Pkw den Unfall alleine verursacht habe. Er verlangte vor dem Landgericht Verden deshalb Ersatz des gesamten Schadens.

Das Landgericht Verden wies die Klage ab und verwies darauf, dass der Unfall überwiegend (65 %) von dem Fahrer des landwirt­schaft­lichen Gespanns verursacht worden sei.

Autofahrerin hätte Fahrzeug­ge­schwin­digkeit anpassen müssen

Auf die Berufung des Klägers änderte das Oberlan­des­gericht Celle das Urteil des Landgerichts teilweise ab und sprach dem Eigentümer des landwirt­schaft­lichen Gespanns weiteren Schadensersatz zu. Die Fahrerin des Pkw habe den Unfall verursacht, weil sie - trotz einer allenfalls geringen Überschreitung der erlaubten Geschwindigkeit von 80 km/h - nicht die den Straßen-, Verkehrs- und Sicht­ver­hält­nissen angepasste Geschwindigkeit eingehalten habe. Bei Dunkelheit auf einer nur 4,95 m breiten Straße ohne Fahrbahn­ma­r­kie­rungen und nicht befestigtem Seitenstreifen sowie erkennbaren Gegenverkehr (Fahrzeug­be­leuchtung) in einer leichten Rechtskurve seien selbst 75 km/h zu schnell, um den Anforderungen des § 3 Abs. 1 StVO zu genügen. Vielmehr habe die Fahrerin des Pkw einkalkulieren müssen, dass das für sie im Gegenverkehr erkennbare Gespann überbreit war und ihr weniger Platz zur Verfügung stand als bei einem entge­gen­kom­menden Pkw. Sie habe deshalb so langsam fahren müssen, dass sie ihr Fahrzeug mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke hätte anhalten können (§ 3 Abs. 1 Satz 5 StVO [halbe Sicht]).

Fahrzeug hätte weit genug rechts gefahren werden müssen

Darüber hinaus sei die Fahrerin des Pkw entgegen § 2 Abs. 2 StVO nicht weit genug rechts gefahren, denn der von ihr gelenkte Pkw war lediglich ca. 1,70 m breit, sodass auch angesichts des ihr auf der 4,95 m breiten Straße trotz des entge­gen­kom­menden 2,95 m breiten Gespanns ausreichend Platz zur Verfügung gestanden habe, um aneinander vorbeizufahren.

Eigentümer des landwirt­schaft­lichen Gespanns muss sich Betriebsgefahr anrechnen lassen

Trotz dieser Verkehrs­verstöße auf Seiten der Unfallgegnerin hat der Eigentümer des landwirt­schaft­lichen Gespanns nach der Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts aber keinen Anspruch auf vollständigen Ersatz seiner Schäden. Er müsse sich die - bei einem überbreiten landwirt­schaft­lichen Gespann mit einem Gewicht von 18 t erhöhte - Betriebsgefahr anrechnen lassen und könne deshalb nur 70 % seiner Schäden ersetzt verlangen. Die sogenannte Betriebsgefahr ist in § 7 StVG normiert und begründet eine verschul­den­su­n­ab­hängige Haftung des Fahrzeughalters. Daraus folgt, dass ein Fahrzeughalter sich bei einem Unfall unter bestimmten Umständen auch dann eine Mithaftung anrechnen lassen muss, wenn sich der Fahrer seines Fahrzeugs nicht verkehrswidrig verhalten hat.

Quelle: Oberlandesgericht Celle/ra-online (pm/kg)

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