21.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Niedersachsen Urteil25.09.2014

Minderjährig bei der Abschiebung: Ausländer können dennoch zur Koste­n­er­stattung für Abschiebung herangezogen werdenAusländer ist gemäß § 80 Abs. 1 des Aufent­halts­ge­setzes mit Vollendung des 16. Lebensjahres voll handlungsfähig

Das Nieder­säch­sische Ober­verwaltungs­gericht hat entschieden, dass auch Ausländer, die als Minderjährige aus dem Bundesgebiet abgeschoben worden sind, zu den Kosten dieser Abschiebung herangezogen werden dürfen.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls, eine serbische Staats­an­ge­hörige, reiste 1995 zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern in das Bundesgebiet ein. Nach erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens wurde sie 2002 mit ihrer Familie auf dem Luftweg nach Serbien abgeschoben. Im Zeitpunkt der Abschiebung war sie sechzehn Jahre alt. Seit 2012 lebt die Klägerin wieder im Bundesgebiet. Sie ist mit einem deutschen Staats­an­ge­hörigen verheiratet und im Besitz einer Aufent­halt­s­er­laubnis aus familiären Gründen. Die Landes­auf­nah­me­behörde Niedersachsen zog die Klägerin mit Bescheid vom 7. Juni 2012 zu den auf sie entfallenden Kosten der Abschiebung in Höhe von insgesamt etwa 600 Euro heran.

Kostenpflicht setzt nicht Volljährigkeit bei der Abschiebung voraus

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwal­tungs­gericht Oldenburg abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass nach § 66 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwer­b­s­tä­tigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet - Aufent­halts­gesetz - ein Ausländer die Kosten zu tragen hat, die durch die Durchsetzung einer Abschiebung entstehen. Die so bestimmte Kostenpflicht setzt nicht voraus, dass der Ausländer bei seiner Abschiebung volljährig gewesen ist.

Haftungs­be­schränkung kann Heranziehung zu Abschie­bungs­kosten entgegenstehen

Der Heranziehung zu den Abschiebungskosten kann aber die vom Ausländer geltend zu machende Haftungs­be­schränkung nach § 1629 a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entgegenstehen. Diese Bestimmung gilt im streitre­le­vanten öffentlich-rechtlichen Rechts­ver­hältnis nicht unmittelbar; sie findet aber entsprechende Anwendung. Gewährleistet wird danach ein weitreichender Schutz des Minderjährigen vor fremd­ver­ant­worteten Verbind­lich­keiten. Der volljährig Gewordene kann seine Haftung grundsätzlich für alle Verbind­lich­keiten, die während seiner Minder­jäh­rigkeit durch seine Eltern als seine gesetzlichen Vertreter oder durch ihn selbst mit Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter begründet worden sind, auf den Bestand seines bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens beschränken.

Klägerin war zum Zeitpunkt der Durchführung der Abschiebung voll handlungsfähig

Im vorliegenden Fall erfüllt die Klägerin aber die tatbe­stand­lichen Voraussetzungen des entsprechend anzuwendenden § 1629 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BGB nicht. Die Nichtbefolgung der Ausreisepflicht und die daran anknüpfende Notwendigkeit einer zwangsweisen Durchsetzung dieser Pflicht durch die Abschiebung stellt zwar eine "sonstige Handlung" im Sinne der genannten Bestimmung dar. Diese "sonstige Handlung" ist aber nicht von den Eltern der Klägerin aufgrund ihrer gesetzlichen Vertre­tungsmacht und insbesondere ihres gesetzlichen Aufent­halts­be­stim­mungs­rechts zu verantworten, sondern von der Klägerin selbst. Diese hatte bei Durchführung der Abschiebung bereits das sechzehnte Lebensjahr vollendet und war damit nach § 80 Abs. 1 des Aufent­halts­ge­setzes voll handlungsfähig. Die Ausreisepflicht der Klägerin traf nach dem Aufent­halts­gesetz also nicht die Eltern, sondern sie selbst. Vor solchen, vom Minderjährigen selbst verantworteten Folgen eines Handelns schützt die Haftungs­be­schränkung nach § 1629 a BGB nicht. Etwas anderes kann sich ausnahmsweise dann ergeben, wenn die Eltern erkennbar von ihrem wider­strei­tenden Aufent­halts­be­stim­mungsrecht Gebrauch machen und so eine freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht durch den Minderjährigen verhindern. Hierfür bestanden im konkreten Fall aber keine Anhaltspunkte.

Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht/ra-online

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