23.11.2024
23.11.2024  
Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.
ergänzende Informationen

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil04.07.2013

Gesetzlich Versicherte haben im Einzelfall auch Anspruch auf Kostenübernahme für Hörgeräte oberhalb des FestbetragesKrankenkassen haben für einen bestmöglichen Ausgleich von Hörstörungen ihrer Versicherten Sorge zu tragen

Gesetzlich Versicherte können sich Hörgeräte unter bestimmten Voraussetzungen auch oberhalb des Festbetrages zu Lasten der Krankenkassen verschaffen. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen und stellte klar, dass Krankenkassen für einen bestmöglichen Ausgleich der Hörstörungen ihrer Versicherten Sorge zu tragen haben.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der 1952 geborene und im Landkreis Emsland lebende Montagearbeiter leidet unter einer angeborenen Schwerhörigkeit. Er hatte bei dem Integrationsamt einen Kostenzuschuss für eine Hörge­rä­te­ver­sorgung beantragt, da seine bisher getragenen Hörgeräte so verschlissen seien, dass die anfallenden Reparaturkosten den Wert der Geräte überstiegen. Das Integrationsamt leitete den Antrag nach acht Wochen an die Renten­ver­si­cherung weiter. Diese lehnte die Kostenübernahme ab, da der Kläger nicht aus beruflichen Gründen eine besondere Hörge­rä­te­ver­sorgung benötige. Daraufhin erwarb der Kläger bei einem Hörge­rä­te­akustiker Hörgeräte. Nach Abzug des von seiner Krankenkasse getragenen Kassenanteils musste der Kläger noch ca. 2841,12 Euro bezahlen. Gegen die Ablehnung der Renten­ver­si­cherung klagte der Kläger vor dem Sozialgericht Osnabrück, welches die Klage abwies.

Vom Kläger erworbene Hörgeräte bieten ein um 20 % besseres Sprach­wort­ver­stehen als Festbe­trags­geräte

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen führte in seiner Entscheidung aus, dass im Falle des Klägers seine berufliche Tätigkeit keine besonderen Anforderungen an die Hörge­rä­te­ver­sorgung (dann wäre die Renten­ver­si­cherung zuständig) stelle. Nach der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts seien die Krankenkassen für einen möglichst vollständigen Behin­de­rungs­aus­gleich zuständig. Den Hörbehinderten müsse im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in großen Räumen und Umgebungs­ge­räuschen eröffnet werden. Das Gericht erläuterte, dass der Kläger in dem vorliegenden Fall aber nicht darauf verwiesen werden könne, sich Hörgeräte zu dem von der Krankenkasse übernommenen Festbetrag zu beschaffen. Diese Festbe­trags­geräte seien im Falle des Klägers nicht geeignet einen bestmöglichen Ausgleich der Hörstörung herzustellen, denn mit den vom Kläger tatsächlich erworbenen Geräten habe er ein um 20 % besseres Sprach­wort­ver­stehen.

Hörge­rä­te­akustiker sind verpflichtet, Versicherte mit Hörgeräten zu versorgen, die Hörverlust angemessen ausgleichen

Nach dem zwischen den Krankenkassen und der Bundesinnung für Hörge­rä­te­akustiker geschlossenen Vertrag über die Hörge­rä­te­ver­sorgung seien Akustiker verpflichtet, Versicherte aller Schwer­hö­rig­keitsgrade ohne Mehrkosten für den Träger der Kranken­ver­si­cherung mit solchen Hörgeräten zu versorgen, die den Hörverlust angemessen ausgleichen. Die im Rechtsstreit beigeladene Krankenkasse des Klägers hätte danach die Möglichkeit gehabt, auf eine im Rahmen des Festbetrages erfolgende Versorgung des Klägers durch den Hörge­rä­te­akustiker hinzuwirken. Jedenfalls hätte sie den Kläger auf etwa drohende Probleme bei der Versorgung hinweisen müssen. Im vorliegenden Fall hätte sich der Kläger auch nicht bei anderen Akustikern erkundigen müssen, ob diese angemessene Hörgeräte zum Festpreis anbieten, da er die Hörgeräte aufgrund des Verschleißes der alten Geräte zeitnah benötigte.

Kläger muss nur Eigenanteil von 20 Euro für beide Hörgeräte selbst tragen

Das Gericht hat das ebenfalls beigeladene Integrationsamt in dem Berufungs­ver­fahren verurteilt, dem Kläger die für die selbst­be­schafften Hörgeräte entstandenen Kosten zu tragen. Nur einen Eigenanteil von 20 Euro für beide Hörgeräte müsse der Kläger selbst tragen. Eigentlich sei die Krankenkasse im Fall des Klägers für die Hörge­rä­te­ver­sorgung zuständig. Aber das Integrationsamt sei der Träger, der vom Kläger zuerst in Anspruch genommen worden sei. Der "erstangegangene" Träger müsse den Antrag entweder innerhalb von zwei Wochen an den seiner Meinung nach zuständigen Leistungsträger weiterleiten oder die Kostenübernahme unter allen rechtlich in Betracht kommenden Gesichtspunkten prüfen und bei Bestehen eines Anspruches die Leistung erbringen.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil16759

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI