23.11.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss17.02.2016

Gewöhnliche Lärmbelästigung in Großraumbüro kann keine Berufskrankheit "Lärmschwer­hö­rigkeit" verursachenHörmindeung eines 48jährigen Ingenieurs ist alter­s­ent­sprechend nicht ungewöhnlich

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass die langjährige Arbeit in einem Großraumbüro auch dann keine Berufskrankheit "Lärmschwer­hö­rigkeit" verursacht, wenn sie mit Lärmeinwirkung durch Mitarbeiter, Klimaanlage, Kühlschrank und zeitweisen Bauarbeiten verbunden ist. Der für die Anerkennung einer gerade durch die berufliche Tätigkeit verursachten Erkrankung erforderliche Dauer­scha­llpegel wird bei weitem nicht erreicht.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein 48jähriger Ingenieur, der seit rund 15 Jahren in einem Großraumbüro bei der Firma Robert Bosch GmbH beschäftigt ist, erkrankte an Tinnitus und einer leichten Hörminderung im Hochtonbereich an beiden Ohren. Er wollte erreichen, dass diese Erkrankung von der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medien­er­zeugnisse als Berufskrankheit anerkannt und entschädigt wird.

Lärmbelastung zur Verursachung einer Erkrankung zu gering

Nachdem der Ingenieur im Juni 2012 seinen Arbeitgeber informiert hatte, wurden Lärmmessungen in dem Großraumbüro vorgenommen, die lediglich eine Lärmbelastung zwischen 50 dB und 65 dB ergaben. Ein von der Berufs­ge­nos­sen­schaft eingeschalteter ärztlicher Sachver­ständiger kam zum Ergebnis, dass diese Lärmbelastung viel zu gering sei, um die Erkrankung zu verursachen. Die vorliegende Hörminderung sei alter­s­ent­sprechend nicht ungewöhnlich. Außerdem würden in Deutschland 3 bis 4 Millionen Menschen unter Ohrgeräuschen leiden, die von unter­schied­lichsten Ursachen herrührten. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Berufs­ge­nos­sen­schaft die Anerkennung einer Berufskrankheit ab.

Nicht jede Erkrankung ist auch "Berufskrankheit" im Sinne der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung

Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Bereits das Sozialgericht Stuttgart hat die Anerkennung der bestehenden Erkrankung als "Berufskrankheit" abgelehnt. Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg hat die Entscheidung des Sozialgerichts Stuttgart bestätigt und klargestellt, dass nicht jede Erkrankung auch eine "Berufskrankheit" im Sinne der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung ist. Die berufliche Tätigkeit muss Ursache für den eingetretenen Gesund­heits­schaden sein. Das konnte nicht nachgewiesen werden. Eine sog. "Lärmschwer­hö­rigkeit" kann sich nur bei einer hohen und langer andauernden Lärmbelastung entwickeln. In jedem Einzelfall erforderlich ist der Nachweis, dass die Lärmbelastung entsprechend hoch gewesen ist. Daran fehlte es vorliegend. Nach langjährigen wissen­schaft­lichen Erkenntnissen und Studien ist davon auszugehen, dass eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB(A) als äquivalenter Dauer­scha­llpegel bei einem Achtstundentag über viele Arbeitsjahre gehörschädigend ist. Dieser Wert wird vorliegend bei weitem nicht erreicht. Der Ingenieur war im Großraumbüro keiner derartigen Lärmeinwirkung ausgesetzt.

Sozial­ge­setzbuch (SGB)

§ 9 Abs. 1 SGB VII:

Erläuterungen

Berufs­krank­heiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechts­ver­ordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufs­krank­heiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versi­che­rungs­schutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechts­ver­ordnung solche Krankheiten als Berufs­krank­heiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufs­krank­heiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefähr­dungs­be­reichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. In der Rechts­ver­ordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufs­krank­heiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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